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Organisiertes Verbrechen
Mehr als 800 kriminelle Netzwerke bedrohen EU - Experte fordert Stärkung von Europol

Die Polizeibehörde Europol hat mehr als 800 schwerkriminelle Netzwerke ausgemacht, die die Sicherheit in der Europäischen Union bedrohen. Die Netzwerke hätten über 25.000 Mitglieder, heißt es in einem in Den Haag vorgelegten Bericht zum Organisierten Verbrechen.

    Europolchefin Catherine De Bolle sitzt bei einer Konferenz mit geöffnetem Mund vor einem Mikrofon.
    Europol-Chefin Catherine De Bolle zu kriminellen Netzwerken: "Wir wissen, wer sie sind, wie sie organisiert sind, wie sie ihr Geld verdienen, mit wem sie zusammenarbeiten". (picture alliance / dpa / Belga / Hatim Kaghat)
    Die Netzwerke seien erstmals auf der Grundlage von Daten aus allen EU-Mitgliedsstaaten identifiziert und analysiert worden. Es handle sich um hochprofessionelle und international operierende Organisationen, die flexibel und zerstörerisch seien. Sie hätten, so der Bericht von Europol, direkte Einwirkung auf das Leben der EU-Bürgerinnen und -Bürger.

    Drogenhandel gilt als Hauptgeschäft

    Das Hauptgeschäft der Banden ist der Analyse zufolge der Drogenhandel. Jedes zweite Netzwerk ist demnach darin verwickelt. Vorwiegend geht es um Kokain, aber auch um synthetische Drogen und Cannabis. Weitere Verbrechen sind Betrug, Einbrüche und Diebstahl, Menschenhandel sowie Schmuggel von Migranten. Europol-Chefin De Bolle sagte, die Analyse solle dabei helfen, das organisierte Verbrechen gezielter anzugehen.

    Mafia-Gruppe `Ndrangheta investiert in ganz Europa

    Die größte Bedrohung liegt Europol zufolge in der Infiltrierung der legalen Geschäftswelt. 86 Prozent der Netzwerke seien in derartige Aktivitäten involviert. Eine große Mehrheit arbeite mit Korruption und Gewalt. Als ein Beispiel nennt der Bericht die mächtigen `Ndrangheta-Familien in Italien. Profite aus Drogen- und Waffenhandel würden in ganz Europa investiert - etwa in Immobilien, Supermärkte und Hotels. Die `Ndrangheta mit Sitz in Kalabrien zählt zu den mächtigsten Mafia-Organisationen der Welt. Der Kokainschmuggel nach Europa soll weitestgehend unter ihrer Kontrolle sein. Der weltweite Umsatz der `Ndrangheta wird auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

    Strafrechtler Sinn: "Müssen Europol stärken"

    Der Kampf gegen kriminelle Netzwerke ist schwierig. Das liegt laut dem Strafrechtler Arndt Sinn von der Universität Osnabrück unter anderem daran, dass es nicht ausreichend Zusammenarbeit im europäischen Raum gebe. Seit langem fordere die Wissenschaft, Europol zu stärken, sagte Sinn im Deutschlandfunk. Es brauche mehr Koordination, um die wichtigen Knotenpunkte der Netzwerke ausfindig zu machen. Gefunden werden müssten diejenigen, die die Logistik kontrollierten, die die Ausgangsstoffe beschafften und die Geldwäsche betrieben. Die Verfolgung "kleiner Fische" sei eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Die im Europol-Bericht vorgestellten mehr als 800 Netzwerke seien nur die Spitze des Eisbergs, betonte Sinn. Keiner wisse, wieviele organisierte kriminelle Gruppierungen es tatsächlich gebe.

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    Diese Nachricht wurde am 05.04.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.