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Mehr als ein Kessel Buntes

Das Sandmännchen und der "Polizeiruf 110" haben die Wiedervereinigung überdauert, doch sonst ist nicht viel geblieben von dem Programm der beiden DDR-Fernsehsender. Wie die Partei zu DDR-Zeiten versuchte, mit dem bunteren Westfernsehen zu konkurrieren, haben Kommunikations- und Medienwissenschaftler untersucht.

Von Birgit Fleischmann | 08.03.2008
    "Sie sehen, wir setzen unsere Kulturpolitik fort. Wir haben die Kathedrale rechtzeitig fertiggestellt, dass sie Franz Josef Strauß schon sehen konnte - gegen ein geringes Entgelt. Genosse Mittag hat nicht gelacht, doch jetzt schmunzelt er."

    Politbüromitglied Günter Mittag mag zwar doch noch geschmunzelt haben, als O. F. Weidling auf die vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten vermittelten Milliardenkredite der Bundesrepublik an die DDR anspielte. Aber die kritischen Witze des populären Moderators und Talkmasters, die er bei der Einweihung des neuen Berliner Friedrichstadtpalasts Ende April 1984 machte, hatten für ihn persönlich fatale Folgen: Weidling wurde aus dem Fernsehen der DDR verbannt und bekam faktisch Berufsverbot.

    "Zensur findet nicht nur dadurch statt, dass man etwas verbietet oder erlaubt, sondern dass man auch Präferenzen setzt - schon bei Personalentscheidungen und Strukturen. Wenn man zum Beispiel sieht, dass Heinz Adamek, der langjährige Intendant des DDR-Fernsehens war, der aber gleichzeitig Mitglied des Politbüros oder des ZK war."

    Zensur und politische Einflussnahme, über die hier das Mitglied der Forschungsgruppe Uwe Breitenborn spricht, war nur eines von vielen Themen, die in dem groß angelegten Forschungsprojekt zur Programmgeschichte des DDR-Fernsehens untersucht wurden. Die Wissenschaftler zeigten, dass es überraschend viele Parallelen in den Ost- und West-Fernsehprogrammen gab.

    Das für junge Leute konzipierte Magazin "Rund", das 1973 erstmals im DDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde, ist ein Beispiel für die auffallenden Ähnlichkeiten von Ost- und West-Fernsehen. Die Sendung mit Auftritten nationaler und internationaler Rock- und Popgruppen - wie den Puhdys - war die Antwort auf den westdeutschen "Beatclub"; allerdings erweitert um den ideologisch-erzieherischen Auftrag:

    "Zum Festival gehört auch eine kluge Diskussion.
    Bücher gibt's genug bei uns und lesen kannst du schon:
    Bei Marx und Lenin steht nicht nur, was gut und böse ist,
    da lernst du auch, wie die Welt zu ändern ist."

    "Wir wissen aus den Ergebnissen, dass viele Zuschauer die Sendung nur gesehen haben wegen dieser Popmusik. Die politischen Themen wurden dann eher nur in Kauf genommen, ja, erduldet, sag ich mal."

    Das Seh-Verhalten der Zuschauer wurde von den Fernsehmachern von Anfang an genau beobachtet. So gibt es detaillierte Befragungen, die erbrachten, dass die Zuschauer vor allem gut unterhalten werden wollten. Die Programmmacher reagierten darauf. Bei zwei Programmreformen wurde das unterhaltende Genre im Fernsehen im Laufe der Jahre stark ausgebaut. Damit versuchte man auch, die Zuschauer bei der Stange zu halten - also bei den eigenen, von 1969 an, zwei DDR-Programmen.

    Mit der Krimireihe "Blaulicht" wurde 1959 auf den im Jahr zuvor gestarteten westdeutschen Straßenfeger "Stahlnetz" reagiert. Mit "Polizeiruf 110" im Jahr 1971 auf die erste Ausstrahlung des "Tatorts" in der ARD. Der Polizeiruf gehörte übrigens bald zu den beliebtesten Fernsehsendungen im DDR-Fernsehen, ebenso wie die Show "Ein Kessel Buntes”, die seit 1972 jährlich an sechs Samstagabenden ausgestrahlt wurde. Sie gehört zu den Sendungen, die noch nach dem Abschalten des Deutschen Fernsehfunks in der ARD weiter lebten und leben, vor allem im MDR und im RBB, so wie auch die Kindersendung "Unser Sandmännchen”, die inzwischen im Kinderkanal zu einem gesamtdeutschen Abendprogramm für die Jüngsten avanciert ist.

    Die Forschungen zeigen, dass das Bedürfnis nach guter Unterhaltung im Fernsehen ein grenzüberschreitendes gewesen ist. Was im Westen erfolgreich war, wurde vom Osten gerne übernommen, wenn auch nicht eins zu eins. Gleichzeitig spiegelt das Fernsehprogramm des DDR-Fernsehens so etwas wie eine "ostdeutsche Identität” wider, die - so die Forscher - in den gesamtdeutschen Kontext eingebracht werden sollte.