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Mehr als Schimanski

Götz George steht seit 60 Jahren vor der Kamera und gehört zu den wenigen deutschen Schauspielern, die auch Stars sind. Im Doku-Drama "George" spielt er seinen Vater Heinrich. Dessen Lieblingsrolle des Götz von Berlichingen verdankt der Sohn den Namen. Am 23. Juli wird Götz George 75 Jahre alt.

Von Jörg Albrecht | 22.07.2013
    "Es gab drei oder vier Geburtstage, die habe ich nicht mitbekommen. Und das fand ich toll. Ich bin halt so alt wie ich bin."

    Geburtstage sind ihm ein Gräuel. Überhaupt hat es Götz George schon immer gehasst, in Zeitungsartikeln hinter seinem Namen in Klammern das Alter lesen zu müssen. Was sage das schon aus über einen wie ihn – über einen, der auch mit 75 noch einmal in die Rolle schlüpft, die alle sofort mit dem Namen Götz George verbinden?!

    Ausschnitt aus "Tatort":
    ""Mein Name ist Schimanski – Kriminalpolizei."

    Horst Schimanski, von 1981 bis 1991 "Tatort"-Kommissar in Duisburg und seit 1997 als Ruheständler immer wieder im Einsatz in einer neuen Krimireihe, die seinen Namen trägt. Unmittelbar nach der Premiere des ruppigen Macho-Polizisten mit Schmuddel-Image spaltet ein Fernsehcharakter eine ganze Nation. Doch "Schimmi", wie ihn alle nennen, wird in Windeseile Kult.

    Ausschnitt aus "Tatort":
    "Komm, Tanner, hör auf! Lass mich in Ruhe! Du nervst mich."
    "Erst denken, dann handeln. Erst die Arbeit, dann die Sprüche."

    Hajo Gies:
    "Schimanski hat ein großes Herz. Er ist immer offen für alles. So wie Götz ist manchmal auch der Schimanski. Manchmal. Nicht immer."

    Sagt Hajo Gies, Regisseur des ersten und noch von weiteren 14 "Schimanskis", über seinen Star, dessen Verhältnis zu seiner populärsten Figur bis heute zwiespältig ist.

    "Sind Sie Götz George oder sind Sie mehr Schimanski?"
    "Verdammt noch mal, der hat doch nur ein Repertoire gespielt. Das haben wir doch so in Deutschland nicht, das heißt von 'Schtonk' zum 'Totmacher'. Der hat doch die Palette nur mal gezeigt."

    "Der Totmacher" – 57 musste George werden, bis er es allen zeigt und die Anerkennung bekommt, die ihm bis dahin verwehrt geblieben ist. Trotz deutscher Filmpreise, Bambis und Goldener Kameras. Seine Darstellung des Massenmörders Fritz Haarmann sorgt für Georges größten schauspielerischen Erfolg.

    Ausschnitt aus "Der Totmacher":
    "Keiner kann so beißen, dass einer stirbt."
    "Doch! Irgendwann war er tot."
    "Haben sich die Jungs nicht gewehrt?"
    "Mir ist so, als wenn einer mal geschrien hat 'Fritz!'"

    Bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig wird Götz George 1995 mit dem Coppa Volpi ausgezeichnet – dem Preis für den besten Darsteller.

    George:
    "Das war eine Belohnung. Das war etwas ganz Besonderes, weil es nicht aus dem eigenen Land war. Es war in erster Linie eine große Liebeszuwendung."

    Endlich gelingt es ihm, aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten: Heinrich George, einer der größten deutschen Schauspieler des 20. Jahrhunderts.

    Ausschnitt aus dem "Götz von Berlichingen":
    "Sagt Eurem Hauptmann: Vor Eurer Kaiserlichen Majestät habe ich Respekt. Er aber … kann mich am Arsch lecken."

    George:
    "Das war ein Jahrhundertschauspieler, der mir unendlich mehr genutzt hat in meiner Karriere, als wenn er gelebt hätte. Dann hätte ich überhaupt nicht atmen können. Dann hätte ich gar nichts auf die Beine gestellt, weil der Anspruch zu groß war."

    Sohn Götz hat sich jetzt sogar etwas getraut, das er bislang nicht gewagt hat. Er spielt seinen Vater – im Doku-Drama "George". Selbstverständlich ist er dafür auch in Heinrich Georges Paraderolle geschlüpft.

    Ausschnitt aus "George":
    "Er kann mich am Arsch lecken."

    George:
    "Ich hatte ja davor große Angst, so dass ich gesagt habe: Die Bestandsaufnahme wird schwerfallen vor dem Alten."

    Über 100 Rollen liegen zwischen Georges Filmdebüt mit 15 Jahren in der Heimatschnulze "Wenn der weiße Flieder blüht" und "George". Endlich wieder ein bemerkenswerter Auftritt nach vielen durchschnittlichen TV-Produktionen. Denn gute Altersrollen wie in den Dramen "Mein Vater" und "Zivilcourage" hat es nur wenige gegeben.

    Eines aber hat sich über all die Jahre nicht geändert: George weiß, was er will, kommt grundsätzlich mit eigenen Ideen zum Dreh, mischt sich ein.

    "Ich lande mein Flugzeug gerne selber und ich will keinen Blindflug haben."

    Das ist dem Schauspieler vor der Kamera stets besser gelungen als dahinter. Im Umgang mit den Medien tut sich Götz George bis heute schwer.

    "Ich öffne dann meine Seele. Oder haben Sie das Gefühl, ich bin wie ein Amerikaner, der einfach das Notwendigste sagt und immer nur lacht. Wenn Sie mir eine Frage stellen, versuche ich sie auch zu beantworten, wenn sie nicht dämlich ist."

    Geschichten über ihn, die nichts mit seinem Beruf zu tun haben, sind ihm zuwider. Auch nach 60 Jahren in dem Job gelingt es ihm nur selten, mit Gelassenheit auf Schlagzeilen und Kritik zu reagieren. Dann gibt sich George meist mimosenhaft und verletzlich. Schließlich will er doch nur eines: Spielen! Wie Vater Heinrich.

    "Ach Mensch, das hast du auch gemacht. Verdammt noch mal, bist du fleißig gewesen! Das bleibt übrig und das ist doch ein positives Gefühl."