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Mehr IT fürs Land

Der Münchner Kreis hat mit seinen Partner, dem European Center for Information and Communication Technologies, dem Marktforscher TNS Infratest und der Deutschen Telekom die Delphi-Studie "Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien" vorgestellt.

Von Wolfgang Noelke |
    Die gute Nachricht zuerst: Papier bleibt weiter wichtig. Zeitungen und Zeitschriften wird es im Jahr 2030 in Deutschland weiterhin auch auf Papier geben. Aber die Mediennutzung insgesamt ändert sich massiv. Ab dem Jahr 2020 wird es für die Deutschen ganz normal sein, sich die Zeitung via Funk aufs E-Book zu holen, die Nachrichtensendung auf dem PC zu sehen, im Wohnzimmer zu sitzen und via Fernseher Bestellungen im Internet aufzugeben. Bis dahin haben sich die Deutschen der Delphistudie zufolge auch daran gewöhnt, für professionell gemachte Medien auch im Internet Geld zu bezahlen. Die Kostenloskultur des Internets verändert sich also dramatisch. Dabei wird sich vor allen Dingen die mobile Nutzung des Internets durchsetzen und sogar neue eigenständige Anwendungsfelder schaffen. Anwendungen in Verbindung mit Location-based Services setzen sich zunehmend durch. In die intelligente Kleidung eingebaute Navigationssysteme für Fußgänger, virtuelle Assistenten, die uns auch unterwegs halfen und Augmented Reality wird uns unterwegs unseren Arbeitsplatz in der gewohnten Umgebung zur Verfügung stellen, sodass wir nicht nur mit Netbook oder noch kleinerem mobilem Endgerät die Daten jederzeit zur Verfügung haben, die wir am klassischen Arbeitsplatz auch hätten, nein wir tauchen in die virtuelle Realität eben dieses Arbeitsplatzes ab, wenn wir gerade im Zug sitzen und Daten und Arbeitsumfeld auf unsere Datenbrille projiziert wird. Das setzt aber voraus, dass die mobile Breitbandtechnologie zügig weiter entwickelt wird und die gesamte Bundesrepublik flächendeckend damit versorgt wird. Hier sehen die Autoren der Delphistudie großen Handlungsbedarf, weil wir sonst die digitale Spaltung zwischen Stadt und Land nicht überwinden werden. Apropos digitale Spaltung: Hier droht uns eine zweite Spaltung, nämlich zwischen technologieaffinen Internet-Nutzern und bildungsfernen Dauerberieselern, die nur an den Unterhaltungsangeboten aus dem Netz interessiert sind. Und diese Unterhaltungsangebote müssen für den DAZ, den dümmsten anzunehmenden Zuschauer ganz einfach in der Bedienung sein. Diese zweite digitale Spaltung darf nicht passieren. In Schulen und Kindergärten muss mehr Technologiekompetenz vermittelt werden. Die sogenannte grüne Informationstechnologie wird wesentlichem Einfluss auf die Absicherung Deutschlands als Innovations- und Wirtschaftsstandort haben. Und ganz große Relevanz messen die Verfasser der Delphi-Studie den beim ersten Hören etwas unverständlichen E-Energy-Themen bei. Dazu zählen Prepaid-Strom-Konzepte genauso wie Smart Grids für die Stromverteilung und bedarfsabhängige Stromerzeugung. Dann kann ich mir tatsächlich Strom per Handy kaufen, entweder, indem ich eine SMS mit der Bestellung abschicke, eine Bestätigung bekommen und die dann anerkennen. Oder indem ich per WAP, also im mobilen Internet, Strom einkaufe, und später ist dann auch an Gas gedacht. Das Ganze wird aber nicht nur aufs Handy beschränkt bleiben. Ich kann auch Strom am Geldautomaten kaufen, sprich meine Strom-Prepaid-Karte dort genauso aufladen, wie ich meine Handy-Karte dort aufladen kann, ich kann Strom-Prepaids im Supermarkt kaufen, und ich kann Strom ganz normal am Telefon bestellen. Und in einem Energie-Smartgrid sollen Kunden, Stromproduzenten, Netzbetreiber und andere Stromanbieter zusammenschaltet werden. Hier werden Verbrauchsinformationen so zusammengefahren, dass der Stromverbrauch nicht nur optimiert, sondern auch optimal mit den Produzenten abgestimmt werden kann. Auf diese Weise kann nämlich auch Strom aus erneuerbaren Energien in einem viel höheren Maße in de Energiemix von Privathaushalten und Unternehmen einbezogen werden, sogenannte Reserven, die in Zeiten von Lastspitzen zugeschaltet werden müssen, können reduziert werden. Ein intelligenter Stromzähler beim Verbraucher ist dabei natürlich vorausgesetzt, aber auch heute schon keine Zukunftsmusik mehr.

    Weitere Kernbotschaft der Studie: Die zentralen Wirtschaftsbranchen in Deutschland werden im Jahr 2030 Automatisierung, Maschinenbau, auch immer noch die Automobilbranche, Energie, Gesundheitssektor und Medien sein. Und die Informations- und Kommunikationstechnologien sind hier die wesentlichen Wachstumskräfte in diesen Branchen. Das heißt aber auch, die klassischen Industriebranchen brauchen neue wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle, die wesentlich durch Informations- und Kommunikationstechnologie geprägt sind. Damit Deutschland dem massiven Innovationsdruck vor allen Dingen aus Asien begegnen kann, kommen wir ohne Konzepte wie Open Innovation nicht mehr aus. Open Innovation muss deshalb in den Mittelpunkt der Wirtschafts- und Technologiepolitik treten.