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Mehr Raum für die Elbe

Die Jahrhundertflut an der Elbe im Sommer 2002 hat den größten Katastrophenschutzeinsatz der Bundesrepublik ausgelöst und Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe verursacht. Sachsen-Anhalt hat daraus gelernt und gibt dem Fluss einen Teil der alten Überschwemmungsflächen zurück.

Von Susanne Arlt | 08.08.2011
    Die Elbe ist ein launischer Fluss. Im Frühjahr trägt sie viel Wasser, im Herbst dagegen wenig. Jetzt im August strömt die Elbe ungewöhnlich eilig vorbei. In den vergangenen Tagen hat es viel geregnet. Kleine Strudel kräuseln sich im dunklen Wasser.

    Astrid Eichhorn steht am Ufer des Flusses. Die Mitarbeiterin der Umweltstiftung WWF kann sich noch gut daran erinnern, als im Sommer vor neun Jahren die Elbe plötzlich über ihre Ufer trat und sich den Weg zurückbahnte in ihr altes Flussbett. In den vergangenen 150 Jahren wurden der Elbe über 500 Quadratkilometer Überschwemmungsfläche weggenommen. Die Deiche zwängten den Fluss in ein immer engeres Korsett. Bei einem Jahrhunderthochwasser wie vor neun Jahren sollte sich das rächen.

    Selten hat der Mensch zugunsten der Natur verzichtet. Im Lödderitzer Forst in Sachsen-Anhalt wird dem Fluss ein kleines Stück dieser Auenfläche zurückgeben. Der alte Deich soll um 800 Meter ins Landesinnere zurückverlegt werden. Planierraupen drücken den Erdboden glatt, täglich rollen 20 Lkws an mit neuer Erde auf ihren Ladeflächen. WWF-Mitarbeiterin Astrid Eichhorn plant den Rückbau, der ein Projekt des Bundesamtes für Naturschutz, des WWF und des Landes Sachsen-Anhalt ist.

    "Ich denke, der Lödderitzer Bereich ist eigentlich die europaweit größte Deichrückverlegung. Wir haben hier den Vorteil, dass ein erheblicher Teil dieses Waldes, den wir der Überflutung wieder zuführen, im Eigentum des Landes Sachsen-Anhalt ist. Dort im Prinzip wohnt niemand, hat also diesen Vorteil, dass ich also nicht in diesen unmittelbaren Interessenkonflikt Wohnraum - Mensch zu der Rückverlegung stehe."

    Mit der Rückverlegung entsteht eine neue, fast 1000 Hektar große Fläche, auf der sich die Elbe künftig bei Hochwasser ausbreiten kann. Die früheren Auenwälder und Auenwiesen werden dadurch wieder ganz natürlich überflutet, erklärt die WWF-Projektleiterin. Neues Leben entsteht. Der Auenwald, so Astrid Eichhorn, sei ein besonders artenreicher Waldtyp. Er ist sozusagen die Spitze der Biodiversität, der biologischen Vielfalt. Für Ernst-Paul Dörfler, Mitarbeiter des BUND, ist der Deichrückbau trotzdem nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Diese Rückverlegung sollte einst doppelt so groß sein, moniert der Umweltschützer. Eine alte Studie des Umweltministeriums aus dem Jahr 1995 besagt, man könne dem Fluss sogar 23 Prozent seiner früheren Überschwemmungsflächen zurückgeben.

    "Von diesen hehren Zielen ist man schrittweise abgerückt. Es sind nur noch rund 20 Maßnahmen, 20 Elbanschnitte übrig geblieben, die aber in der Umsetzung unter erheblichem Zeitverzug liegen. Wir haben mehrere Maßnahmen im Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe, deren Baubeginn 2009 sein sollte. Und wenn man sich diese Abschnitte anschaut, kann man nicht erkennen, dass da ein Baubeginn erfolgt ist. Da vermisse ich wirklich Engagement seitens der Politiker."

    Dörfler kritisiert weiter, dass in Sachen neue Flusspolitik oft nur dort etwas passiere, wo sich Umweltverbände wie der WWF, der NABU oder der BUND engagierten. Hans-Werner Uhlmann vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft weist diese Kritik von sich.

    "Das ist eine ganz gefährliche Selbstüberschätzung. Es ist finanziell hilfreich, es ist inhaltlich hilfreich, dass wir vertrauensvoll mit dem WWF zusammenarbeiten. Das machen wir nicht nur im Fall Lödderitz, das wollen wir im Fall Klieken machen der Deichrückverlegung an der Elbe und am Garitzer Bergdeich, aber alle anderen Programme, alle anderen Zielstellungen sind ohne jegliche inhaltliche und finanzielle Beteiligungen der Verbände. Also das weise ich nun entscheiden zurück."

    Bis zum Jahr 2020 will man den Flüssen in Sachsen-Anhalt 3000 Hektar ihrer alten Überschwemmungsflächen zurückgeben.