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"Mehr Verantwortung und Sorgfalt"

Seit November werden die Kaderpferde der deutschen Reiter auch im Training auf verbotene Substanzen kontrolliert. Bisher gab es Trainingskontrollen nur für die Reiter. Ihre Vierbeiner wurden nur auf Turnieren getestet. Wie das funktioniert, zeigte die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) bei einer simulierten Kontrolle.

Von Andrea Schültke | 13.01.2013
    Im Mittelpunkt: Schimmelstute Babette. Sie soll gleich öffentlich Wasser lassen für eine Trainingskontrolle. Tierärztin Julia Otten koordiniert diese Kontrollen bei der Nationalen Anti Doping Agentur. Jetzt präsentiert sie dem gespannten Publikum das heutige Kontrollteam:

    "Das ist Herr Hartmann, der Dopingkontrollbeauftragte die Tierärztin ist Frau Dr. Sommer..."

    Vorarbeiten beendet. Alle Steril verpackten Gegenstände bereit. Fertig zur Urinabnahme:

    "Unser Medikationskontrollpersonal ist ausgestattet mit einem langen Stab mit einem Ring vornedran, wo ein Becher reinkommt. So dass man am verlängerten Arm einen Becher unter das Pferd halten kann und den Urin problemlos auffangen sollte."

    Problemlos auffangen ist nicht. Babette ist verspannt – nichts fließt. Hier hilft jetzt nur eine Flasche Bionade.
    Kameras klicken als der Urinersatz in den Auffangbecher fließt.
    Ein Versiegeltes Dopingkontrollpaket wird ausgepackt: Handschuhe, zwei Plastikflaschen. In diese Fläschchen kommt jetzt der Bionade-Urin. Für die A- und B-Probe. Flaschen versiegelt - dann die Blutabnahme. Schimmel Babette muss an diesem Tag nicht bluten. Heute sind die Röhrchen schon gefüllt - mit Ketchup. Prozedur beendet, zwei versiegelte Pakete gehen zum Analyselabor nach Köln.

    So soll es in Zukunft ablaufen. Dann aber unangekündigt, ohne Zuschauer und mit echten Körperflüssigkeiten. 150 Pferde aus den drei olympischen Disziplinen, Springen, Dressur und Vielseitigkeit sind im Testpool. Bis März nächsten Jahres sind 300 Trainingskontrollen geplant – macht zwei Kontrollen pro Jahr im Durchschnitt. Eine sehr überschaubare Testfrequenz für die Top-Pferde.

    Alle Kaderreiter sind jetzt verpflichtet, ein Behandlungsbuch für ihre Kaderpferde zu führen. Das heißt: jede Substanz, mit der das Pferd behandelt wurde, wird darin aufgelistet. Bei einer Trainingskontrolle darf die Analyse nur Rückstände der angegebenen Behandlungen aufweisen. Positiv ist die Probe

    "Wenn eine Substanz der Liste 3 gefunden wird, hat der Reiter ein Problem, denn Liste 3 sind im Training und im Wettkampf verbotene Dopingsubstanzen, die wollen wir niemals im Pferd sehen."

    Sagt Soenke Lauterbach, Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.
    Die Folge dann: 2 Jahre Sperre. Trainingskontrollen mit allem, was dazugehört - etwa dem Behandlungsbuch - Ludger Beerbaum kann dem mittlerweile viel Positives abgewinnen:

    "Dass da mit mehr Verantwortung geguckt wird, was wird behandelt, und nicht nur einfach ne Salber aus der Apotheke holen und drauf und dass der Wirkstoff aufgeschrieben wird, das Datum, und dass da sehr viel mehr Sorgfalt angewandt ist."

    Auch, dass der deutsche Reitverband bisher der einzige auf der Welt ist, der Trainingskontrollen druchführt - für Beerbaum weder ein Problem, noch ein Wettbewerbsnachteil:

    "Erst hat man sich das natürlich gefragt, aber im Nachhinein ist es eher sogar ein Vorteil. Weil man auf dem Turnier, mit den Pferden, mit denen man losfährt, ein stückweit mehr Sicherheit hat."

    Die Sicherheit – sind wirklich alle Substanzen abgebaut - sollte bisher mit sogenannten Pretests gewährleistet werden: Vor jeder Abreise etwa zu EM, WM oder Olympia wurden alle nominierten Pferde kontrolliert. Bei Pre-Tests in den vergangenen Jahren wurden nach DLF-Informationen häufig Rückstände von Behandlungen gefunden, über die die Mannschaftstierärzte nicht informiert waren. Vor London soll das allerdings nicht der Fall gewesen sein. Sanktionen gab es nicht, da - laut Verband - die rechtliche Grundlage fehlte. Jetzt ist das anders:

    "Wir haben auch bei den Pre-Proben Möglichkeiten der Sanktionierung. - Die werden auch angewendet? Natürlich."

    Auch Andrea Gotzmann, Chefin der Nationalen Anti-Doping-Agentur, freut sich über das neue Betätigungsfeld. Zumal die Nada es nicht bezahlen muss. Die Kosten von etwa 150tausend Euro im Jahr für die Trainingskontrollen und die koordinierende Tierärztin, übernimmt die Deutsche Reiterliche Vereinigung. Gotzmann sieht da keinen Interessenskonflikt:

    "Wir arbeiten hier partnerschaftlich zusammen, ohne jegliche finanzielle Abhängigkeit."

    Mit den Trainingskontrollen hat der Verband nach langem Vorlauf endlich Vorgaben der unabhängigen Untersuchungskommission umgesetzt. Die hatte 2009 die Doping- und Medikationsmentalität der Reiter untersucht und empfohlen: Einführung von Trainingskontrollen und Einsatz eines Sicherheitsbeauftragten für den Anti-Doping- Kampf im Reitsport. Die Kontrollen sind da, den Sicherheitsbeauftragten wird es wohl aus Kostengründen nie geben. Trotzdem geben sich alle zufrieden. Auch die Reiter. Sie sind laut Ludger Beerbaum nach anfänglichem Zögern und Unsicherheiten inzwischen auf Linie:

    "Also ich hab da keinen gehört, der sagt er müsse aussiedeln, weil er jetzt seinen Sport nicht mehr ausüben kann."