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Menschenrechtler in türkischer U-Haft
Stockholm reagiert diplomatischer als Berlin

Der schwedische Menschenrechtler Ali Gharavi war zusammen mit dem Deutschen Peter Steudtner in der Türkei verhaftet worden. Nach Angaben aus Stockholm arbeiten die Außenministerien beider Länder in dieser Sache eng zusammen. Dennoch sind Unterschiede auszumachen.

Von Björn Dake | 20.07.2017
    Die schwedische Außenministerin Margot Wallström
    Die schwedische Außenministerin Margot Wallström ist zutiefst besorgt über die Entwicklung in der Türkei (Bernd von Jutrczenka,dpa picture-alliance)
    Die Sache ist ernst, heißt es aus dem schwedischen Außenministerium. Die Diplomaten halten sich mit ihrer Kritik an der Türkei aber zurück - anders als die Bundesregierung in Berlin. Sprecherin Sofia Karlberg bleibt im Interview mit dem schwedischen Radio diplomatisch: "Es handelt sich um einen Menschenrechtsaktivisten. Wir sind zutiefst besorgt über die Entwicklung in der Türkei was Demokratie, Respekt für Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien angeht."
    Zum deutschen Vorgehen - dem Einbestellen des türkischen Botschafters in Berlin heißt es im Außenministerium in Stockholm: Kein Kommentar. Die schwedische Regierung will den Konflikt offenbar nicht weiter anheizen.
    Erstes Ziel: Besuchserlaubnis
    Die schwedische Botschaft in Ankara und das Generalkonsulat in Istanbul bemühen sich nach Karlbergs Worten momentan darum, den inhaftierten Menschenrechtsaktivisten Gharavi besuchen zu können. Zuerst wolle das Ministerium aber wissen, was genau dem Schweden vorgeworfen wird.
    "Uns sind bisher keine formellen Anklagepunkte bekannt. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Klarheit zu bekommen. Laut den Informationen, die wir haben, wurde er wegen Verdachts auf terroristische Aktivitäten gemäß der türkischen Ausnahmegesetze verhaftet."
    Die Organisation Amnesty International ist ein Schritt weiter. Wie Brittis Edmann sagt, konnten die Menschenrechtler einen Teil der Anklage der türkischen Staatsanwaltschaft einsehen - wirklich schlauer sind sie danach aber nicht: "Es ist ein Puzzle aus Beschuldigungen, die absolut nichts mit Terrorismus zu tun haben."
    Einsatz für Menschenrechte, aber kein Terrorismus
    Wie Edmann erklärt, beruhen die Vorwürfe der türkischen Behörden auf zwei Aktionen der Menschenrechtsorganisation: Zum einen eine Unterschriftenaktion für festgenommene türkische Staatsangestellte. Zum anderen ein Protestbrief von Amnesty an Südkorea, der die Lieferung von Tränengas an die Türkei kritisiert. Für Brittis Edman ist das kein Grund, Ali Gharavi seinen deutschen Kollegen und die anderen Aktivisten in Untersuchungshaft zu behalten.
    "Bei beiden Einsätzen handelt es sich um grundlegende Arbeit für Menschenrechte, wie sie Amnesty oder auch andere Menschenrechtsorganisationen ständig machen. Das hat absolut nichts mit Terrorismus zu tun. Die Beschuldigungen sind völlig haltlos und es gibt nichts in den Ermittlungen, die auf etwas anderes hindeuten."
    Edmann hält die Vorwürfe der türkischen Behörden für vorgeschoben. Die Verhaftungen seinen politisch motiviert: "Die türkischen Behörden wenden Terrorgesetze an, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Das ist wirklich besorgniserregend."
    Gharavi ist in den Augen der türkischen Ermittler offenbar eine dieser kritischen Stimmen. Der schwedisch-iranische Schriftsteller arbeitet auch als IT-Strategieberater für verschiedene Menschenrechtsorganisationen. Zusammen mit seinem deutschen Kollegen wollte er vor zwei Wochen im Auftrag einer niederländischen Entwicklungsorganisation Menschenrechtsaktive in Fragen der digitalen Sicherheit schulen. Dann stürmte die türkische Polizei den Workshop auf einer Insel vor Istanbul und nahm Gharavi und seine Kollegen fest.
    Gharavis Ehefrau im Schock
    Seine Ehefrau Laressa Dickey fordert die Freilassung. Über seinen Anwalt habe sie Kontakt zu ihrem Mann. Deshalb wisse sie auch, dass es in Ordnung sei. Sie selbst dürfe nicht mit ihm sprechen: "Wir sind schockiert. Das wollten wir nicht und das haben wir nicht erwartet. Es ist verheerend."
    Nach Dickeys Angaben arbeiten 40 Anwälte daran, ihren Mann und die anderen Inhaftierten frei zu bekommen. Niemand wisse aber, was jetzt zu tun sei. Mittlerweile haben mehrere hundert Menschen eine Petition unterschrieben, die die Freilassung der Aktivisten verlangt. Doch nach türkischem Recht können Untersuchungshäftlinge bis zu fünf Jahre lang festgehalten werden.