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Menuhin Competition 2018
Tummelplatz für junge Violinvirtuosen

Wer die Menuhin-Competition gewinnt, räumt nicht nur das Preisgeld ab, sondern auch Konzerte mit renommierten Orchestern und Meisterkurse. Im Junior-Finale überzeugten die beiden jüngsten Geiger die Jury: Chloe Chua (11) aus Singapur und der Australier Christian Li (10).

Von Elisabeth Richter | 23.04.2018
    Chloe Chua (11) aus Singapur und der Australier Christian Li (10) gewannen das Junior-Finale der Menuhin Competition 2018 in Genf.
    Chloe Chua (11) aus Singapur und der Australier Christian Li (10) (OlivierMichePhotography)
    Präzise wie bei einem schweizer Uhrwerk "flitzen" die Läufe bei der 11-jährigen Chloe Chua aus Singapur. Sie spielte im Finale der Junioren bis 16 Jahre in der Genfer Victoria Hall mit dem "Orchestre de Chambre de Genève" den "Winter" aus Vivaldis "Vier Jahreszeiten". Die kleinen Virtuosen konnten als Pflichtstück ein Konzert aus Vivaldis berühmtem Zyklus wählen. Dabei mussten sie ohne Dirigenten spielen. Chloe aus Singapur tat das bereits zum zweiten Mal in ihrer jungen Laufbahn.
    "It's my second time conducting the whole orchestra."
    Und auf die Frage, ob denn das Orchester alles so gemacht habe, wie sie es wollte, meinte Chloe selbstbewusst, dass man sich nach ein paar Diskussionen geeinigt habe.
    "After some discussion we got it right."
    "Gerade bei der Probe, wenn ein Dirigent dabei ist, kann er einem jungen Solisten sehr viel helfen, aber wir haben absichtlich niemanden gehabt, das heißt, die jungen Leute, schon auch der Zehnjährige mussten alleine die Probe leiten mit dem Orchester. Das war sicher eine große Herausforderung für alle, aber eigentlich haben alle sechs geschafft, ihre eigene Interpretation auch dem Orchester zu erklären, so dass jede Aufführung sozusagen seine eigene Note bekommen hat."
    Joji Hattori, Geiger aus Japan, aber schon lange Wahl-Wiener, war in diesem Jahr Vizepräsident der Jury der Menuhin Competition. Er leitet auch seit vielen Jahren den Menuhin Competition Trust, 1989 hat er den Wettbewerb in der Senior-Kategorie gewonnen.
    "Seit der Gründung des Wettbewerbs ist das Niveau insofern gestiegen, dass die Fähigkeit des schwächsten Teilnehmers viel höher geworden ist. Es gibt oft mehr als zehn oder acht, die wir wirklich gerne weiter bringen würden. Das war früher vielleicht nicht so."
    Wettbewerb brachte herausragende Geiger hervor
    Herausragende junge Geiger bei den Siegern, so Joji Hattori, habe es in den Anfangsjahren des Wettbewerbs, seit 1983, immer gegeben. Beispielsweise waren Julia Fischer oder Ray Chen erste Preisträger der Menuhin Competition. Die 11jährige Chloe Chua aus Singapur teilte sich im Junior-Finale den ersten Platz mit dem erst 10jährigen Australier Christian Li.
    "Self in mind" - so lautet der Titel eines zeitgenössischen Solowerkes des koreanischen Komponisten Jaehyuck Choi. Das klanglich und intellektuell recht anspruchsvolle Werk spielte nicht nur der kleine Christian Li mit einer erstaunlichen Farbigkeit. Er verriet, dass er sich hier Wesen von einem anderen Planeten vorstellen und mit seiner Geige mit diesen Aliens ins Gespräch kommen würde.
    "I thought this piece was like aliens and it sounds from another planet, you make with the violin a partner of those."
    Dass die beiden jüngsten Teilnehmer den Junioren-Wettbewerb für sich entschieden, mag manchen Zuhörer erstaunt haben, denn die Interpretationen einiger älterer Finalisten wirkten zumindest passagenweise reifer. Für manche Juroren, so scheint es, steht hier eher das Talent als die absolute Leistung im Vordergrund. Dazu die Jury-Vorsitzende, die amerikanische Geigerin Pamela Frank.
    "Wir lassen in unsere Bewertung die Leistung aller drei Runden einfließen. Jeder Juror hat hier auch seine eigenen Kriterien. Für mich steht besonders die Ernsthaftigkeit und die Freude am Spiel im Vordergrund, und ob man sehen kann, dass die Fähigkeit, mit dem Publikum zu kommunizieren auch für die vielen kommenden Jahre dieses jungen Künstlers tragen wird."
    "Es hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht, der Wettbewerb war sehr gut organisiert, es hat einfach nichts gefehlt, alles war da, die Überäume oder ja auch Freunde, einfach es hat viel Spaß gemacht."
    Die 12jährige Deutsch-Chinesin Clara Shen aus München kam bei den Junioren auf den vierten Platz. Sie verzauberte etwa mit einem sehr anmutigen, sehr musikalischen Spiel im zweiten Satz von Vivaldis "Der Winter". Gab es beim Ergebnis im Junior-Finale doch manch unterschiedliche Ansicht, so war es im Senior-Final eindeutig.
    Die achtzehnjährige Diana Adamyan aus Armenien überzeugte bei Max Bruchs g-Moll Violinkonzert nicht nur mit ihrem wunderbar singenden Geigenton, sondern auch mit souveräner Technik und vor allem beseeltem Ausdruck. Ihr ungeheuer berührendes, tiefes Spiel gab wohl auch den Ausschlag für die Erstplatzierung.
    Diana Adamyan: "Es war mein Traum an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Natürlich war es ein bisschen Stress, aber eigentlich, wenn ich auf der Bühne stehe, dann gelingt es mir, die Musik zu genießen und das auch mit dem Publikum zu teilen."
    Preisgelder spielen eher untergeordnete Rolle
    Das sind bei der "Menuhin Competition" in Genf alle Teilnehmer ab 16 Jahren. Sie studiert zur Zeit noch am Konservatorium ihrer Heimatstadt Eriwan, aber sie möchte ihr Studium in Deutschland oder den USA fortsetzen. Und dabei wird ihr die Menuhin Competition behilflich sein. Platzierungen oder die Preisgelder spielen bei diesem Wettbewerb eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist die Förderung mit Konzerten oder Meisterkursen im Anschluss.
    Der Deutsch-Franzose Nathan Mierdl kam mit Saint-Saëns’ Violinkonzert Nr. 3 h-Moll auf den zweiten Platz im Senior Finale. Nathan Mierdl und auch die dritt-platzierte Hyunjae Lim aus Süd-Korea mit Mendelssohns e-Moll Violinkonzert standen der Siegerin Diana Adamyan, was die technische Souveränität anging, in nichts nach. Doch die Koreanerin spielte wohl perfekt, aber ein wenig glatt, und Nathan Mierdl überzeugte zwar auch musikalisch, war aber im Ganzen weniger frei und charismatisch als Diana Adamyan.