
Seit inzwischen 25 Jahren verhandelt die Europäische Union (EU) mit Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay über das sogenannte Mercosur-Abkommen. Das Abkommen soll den Handel zwischen den südamerikanischen Ländern und den Ländern der EU fördern. Die größte Freihandelszone der Welt würde dadurch entstehen. Mit mehr als 750 Millionen Menschen.
Doch in der EU gibt es Streit, unter anderem Frankreich und Italien stemmen sich dagegen. Auch Agrar- und Umweltverbände warnen vor dem Handelspakt. Bei Protesten von Landwirten kam es zuletzt unter anderem in Brüssel vereinzelt zu gewaltsamen Ausschreitungen.
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni erklärte schließlich, sie sei bereit, dem geplanten Abkommen zuzustimmen, sobald den Landwirten die notwendigen Antworten gegeben würden.
Damit war klar, dass die für die ursprünglich am 20. Dezember 2025 geplante Unterzeichnung erforderliche Mehrheit nicht zustande kommt. Die Unterzeichnung des EU-Freihandelsabkommens wurde daher auf Januar 2026 verschoben.
Das Mercosur-Abkommen: Fast alle Zölle sollen fallen
Auf 90 Prozent der gehandelten Güter würden alle Zölle entfallen. Mit der Zollsenkung würde der Import attraktiver und die Einfuhren könnten durch den Handelspakt ansteigen.
Die EU importiert aus Südamerika vor allem Rohstoffe und Agrargüter. Soja kann heute schon zollfrei importiert werden. Andere Lebensmittel wie Rindfleisch belegt die EU derzeit noch mit hohen Zöllen.
Völlig frei soll der Handel bei Agrargütern auch nicht werden: Das Abkommen enthält Begrenzungen, die die europäische Landwirtschaft schützen sollen. Pro Jahr darf die EU dann nur 99.000 Tonnen Rindfleisch zu einem reduzierten Zollsatz importieren. Das entspricht rund der Hälfte der aktuellen Importmenge und nur weniger als zwei Prozent der hiesigen Produktion. Die EU-Kommission darf zudem in den Markt eingreifen, falls südamerikanische Exporteure den Markt mit sehr günstigen Preisen zu stark beeinflussen.
Auch europäische Unternehmen könnten leichter nach Südamerika exportieren. Welche Branchen davon profitieren würden, ist von Land zu Land verschieden. In Deutschland würde insbesondere die deutsche Auto- und Chemieindustrie stark profitieren.
Frankreich und Italien wehren sich gegen das Abkommen
Die deutsche Bundesregierung hat einer Unterzeichnung des Abkommens bereits zugestimmt. Damit die EU es abschließen kann, braucht es aber eine qualifizierte Mehrheit. Es müssen also mindestens 15 der 27 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen und diese Staaten müssten zudem zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Die italienische Regierung erklärte, grundsätzlich bereit zu sein, dem Mercosur-Abkommen zuzustimmen, sobald offene Fragen zum Schutz der Landwirte geklärt seien. Diese Antworten lägen bei der Europäischen Kommission und könnten kurzfristig konkretisiert werden, hieß es.
Wenn Italien dem Abkommen zustimmen würde, wäre aller Voraussicht nach eine ausreichende Mehrheit vorhanden. Auch Frankreich äußerte weiterhin Vorbehalte. Präsident Emmanuel Macron sagte, es sei zwar mit den Schutzklauseln viel verbessert worden, aber noch reiche es nicht.
Frankreich versucht seit längerem, eine Sperrminorität gegen das von der EU-Kommission ausgehandelte Abkommen zu bilden.
Die Begründung: französsiche Landwirte würden nicht ausreichend vor der billigen Konkurrenz aus den Mercosur-Staaten geschützt. Auch Polen, Belgien und Österreich sind skeptisch.
Die Verhandlungen laufen bereits seit 25 Jahren. Man werde die Länder Südamerikas nicht länger hinhalten können, sagt der Handelsexperte Gabriel Felbermayr. “Entweder Europa bekennt sich zu diesem Abkommen oder aber der Zug ist abgefahren.”

Agrar- und Umweltverbände befürchten Nachteile
Die Agrar- und Lebensmittellobby ist von den Schutzmechanismen im Abkommen bisher nicht überzeugt. “So wie es jetzt aufgesetzt ist, würden die Bauern geschädigt werden”, sagt Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Er verlangt schärfere Schutzklauseln. Der Verband hält den Wettbewerb mit der südamerikanischen Landwirtschaft für unfair, weil dort wegen der niedrigeren Standards günstiger produziert werden könne.
Auch Greenpeace kritisiert, dass in der südamerikanischen Landwirtschaft in vielen Punkten weniger strenge Standards für Umwelt, Klima und Tierwohl gelten als in der EU. Zum Beispiel kommen in der Tierhaltung teils Wachstumshormone oder routinemäßige Antibiotikagaben zum Einsatz. Und mancherorts wird per Flugzeug Pflanzenschutzmittel über Tausende Hektar große Felder versprüht.
Das Abkommen fördere solche umweltschädlichen Praktiken, sagt Harald Groß, Experte für Waldschutz bei Greenpeace und ein entschiedener Gegner des Abkommens:
“Das sind insbesondere Pestizide, die zum Beispiel von Bayer oder BASF hergestellt werden, die aber in der EU gar nicht mehr zugelassen sind. Und wir fördern jetzt den Export von diesen Produkten in die Mercosur-Staaten. Dort werden die dann sehr intensiv in der Landwirtschaft eingesetzt. Für die Landwirtschaft werden noch mal zusätzliche Flächen an Regenwald oder subtropischen Wäldern abgeholzt. Und diese Agrarprodukte landen dann wieder bei uns auf dem Teller und somit landet das Gift, das wir produzieren, am Ende auch wieder hier auf den Tellern.”
Ökonomen betonen die Vorteile des Abkommens
Die EU-Kommission verspricht sich von dem Abkommen eine Steigerung der Exporte in die Mercosur-Staaten von annähernd 40 Prozent. Es gehe längst nicht nur um einen Handel von Autos und Agrargütern, betont der Handelsexperte Gabriel Felbermayr. Die südamerikanischen Länder verfügten über kritische Rohstoffe, die Europa dringend brauche, auch um sich unabhängiger von China zu machen.
Befürworter sehen es zudem als ein bedeutendes geopolitisches Zeichen, als eine Antwort auf den globalen Handelskonflikt. Kommissionssprecher Olof Gill sieht in einer Unterzeichnung des Abkommens auch die Möglichkeit, sich als verlässlicher Partner zu zeigen.
Sebastian Hess hält die Sorgen von Agrar- und Umweltverbänden für überzogen. Er ist Agrarökonom und Experte für Agrarhandel an der Universität Hohenheim und betont die Vorteile für Verbraucher:
“Es kann ja auch für unsere Verbraucher, muss man bedenken, ja sinnvoll sein, wenn bestimmte Produkte kostengünstig importiert werden können, sobald die heimische Produktion gar nicht die Nachfrage bedienen kann.”
Durch die verhandelten Mengenquoten sei sichergestellt, dass der europäische Markt zumindest nicht überschwemmt werden wird. Bei der Produktion von Wein und Milchprodukten hätten die europäischen Landwirte zudem die Nase vorn und könnten von den neuen Exportmöglichkeiten profitieren.
Über das Abkommen könne die EU zudem als sehr großer Markt immerhin ein Stück weit auch Einfluss auf die Umweltverträglichkeit in den Mercosur-Staaten nehmen. Wenn die EU keine Handelsabkommen abschließt, so das Argument, dann treten andere Staaten an ihre Stelle, und die legen vermutlich weniger Wert auf Umweltschutz. China ist schon heute der wichtigste Abnehmer für südamerikanische Agrarprodukte. Und die chinesische Nachfrage wächst.
pto / ema / bth











