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Migration und Entwicklung

Die Bedeutung von Migranten für die Entwicklung ihres Herkunftslandes steht im Mittelpunkt eines Kongresses an der Uni Mainz, dessen Programm ausschließlich von akademischen Nachwuchskräften bestritten wird. Ein Hintergedanke der Organisatoren: Schon der Alltag der jungen Wissenschaftsgeneration sei stärker internationalisiert also bei den etablierten Akademikern.

Von Christoph Gehring | 16.11.2007
    " In den USA, da ist das viel häufiger gegeben, dass Studenten eine Konferenz organisieren und in Deutschland gibt es da schon eine Lücke und wir hoffen auch, dass wir diese Lücke schließen können mit dieser Konferenz. "

    Silke Oppermann studiert in Mainz Politikwissenschaften und sie gehört zum Team, das diese Konferenz organisiert hat - eine wissenschaftliche Tagung, bei der als Vortragende ausschließlich akademische Nachwuchskräfte erwartet werden - Studierende und Doktoranden, die sich dem Themenkomplex von Migration und Entwicklung wissenschaftlich genähert haben. Kompetenztransfer und Kapitaltransfer zwischen Herkunfts- und Zielländern von Migranten, Migrationspolitik und die durch Migration entstehenden transnationalen Netzwerke werden bis morgen Abend in Mainz diskutiert, wobei eine Erkenntnis schon vor Beginn der Tagung fest steht:

    " Migration wurde bisher eher unter dem Aspekt von Brain Drain, also dem Verlust von Kompetenzen, und auch Integrationsproblemen betrachtet. Heute aber erkennt man, dass Migration auch positive Aspekte haben kann, "

    sagt Silke Oppermann. Da ist zum Beispiel die stabilisierende Wirkung der Geldüberweisungen von Migranten in ihre Herkunftsländer. Diese sogenannten "Remittances", Zahlungen zumeist an die Familie, übersteigen weltweit inzwischen den Wert der zwischenstaatlichen Entwicklungshilfeleistungen. Und auch der Kompetenztransfer, also die Weitergabe dessen, was Migranten im Ausland erfahren oder gelernt haben, an die Menschen im Herkunftsland trägt zur Weiterentwicklung der dortigen Gesellschaften bei. Silke Oppermann:

    " Wir glauben, dass durch Arbeitsmigration und studentische Migration Kompetenztransfer stattfinden kann, wenn das zirkular passiert, das heißt wenn die Migranten sich zwischen den Ländern hin und her bewegen können. "

    Gaspard Ngarembe kann das: Der gebürtige Ruander besitzt auch die deutsche Staatsangehörigkeit und kann ohne Einschränkungen zwischen Deutschland und Ruanda reisen. Und er ist willens, das an der Mainzer Uni gelernte in einigen Jahren als Professor für Politische Wissenschaften in seinem Geburtsland weiterzugeben:

    " Ich promoviere hier an der Uni und danach möchte ich als Hochschullehrer in Ruanda tätig sein. "

    Gaspard Ngarembe untersucht für seine Dissertation das Entstehen transnationaler Netze durch Migration an den Beispielen Ruanda und Sri Lanka. Und er kommt zu dem Ergebnis, dass die Wanderung zwischen den Staaten jedem einzelnen Migranten einen Erfahrungs- und damit Kompetenzvorsprung verschafft:

    " Durch meine Studie habe ich festgestellt, dass Menschen in der Migration oder Menschen in der Diaspora transnationaler denken und handeln. "

    Zumal Studenten gewinnen durch den Aufenthalt in einem Gastland einen Blick auf die Dinge, der über staatliche Grenzen hinausgeht. Deutschland allerdings nutzt diese Internationalität seiner ausländischen Studenten kaum: Junge Wissenschaftler aus Nicht-EU-Staaten haben Schwierigkeiten, nach ihrem Studium eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu bekommen und ziehen mit ihrem Wissen und ihren Kompetenzen weiter - bevorzugt nach Kanada und in die USA. Ein klassischer Fall von staatlich gefördertem Brain Drain statt Brain Gain. Allerdings, so die Veranstalter der Studentenkonferenz, sei Internationalität auch eine Frage des Alters, nicht nur der Herkunft:

    " In der jungen Generation, jetzt in unserem Alter, ist die Gesellschaft ja schon viel internationaler als in der Altersriege von etablierten Akademikern. Ich glaube, dass aus dem Grund halt junge Menschen wie wir, Studenten gerade, in diesem neuen Forschungsfeld "Migration und Entwicklung" ganz entscheidende Impulse setzen können, weil unser Alltag ist schon viel internationaler und weil wir vielleicht mit Interkulturalität auch anders umgehen können als die Generation 60 plus, "

    glaubt Silke Oppermann. Doch der Gedanke, dass junge Wissenschaftler der akademischen Diskussion über Migration und Entwicklung einen neuen Weg weisen können, hat sich noch nicht richtig durchgesetzt:

    " Als wir versucht haben, Gelder für den Kongress aufzutreiben, sind wir sehr unterstützt worden, zum Beispiel von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, aber hingegen das rheinland-pfälzische Forschungsministerium hat uns Gelder verweigert mit der Begründung, dass wenn Kongresse gefördert werden, dann nur solche, bei denen sich Professoren austauschen. "