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Ministerpräsident im Wartestand

Erst Umweltminister, dann CDU-Fraktionsvorsitzender und nun auch noch CDU-Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein. Christian von Boetticher auf dem Weg zum Ministerpräsidentenamt.

Von Matthias Günther | 06.01.2011
    Christian von Boetticher ist 40 Jahre jung, erst seit einem guten Jahr Vorsitzender der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag und seit kurzem auch CDU-Landesvorsitzender.

    "Sie müssen in der Politik manches Mal auch ein Ziel haben."

    Wer hätte das gedacht. Christian von Boetticher selbst hat auch ein Ziel: Er will Ministerpräsident von Schleswig-Holstein werden. Na und? Bei dem Ziehvater kann das doch nicht so schwer sein:

    "Peter Harry Carstensen hat mich zurück in die Politik geholt. Und er weiß, dass er sich auf mich jederzeit verlassen kann."

    Christian von Boetticher war nämlich schon fast weg: Nach seinem Ausscheiden aus dem Europa-Parlament wartete ein Job in Amerika auf ihn - da machte Peter Harry Carstensen den jungen Politiker erst zum Umweltminister, dann zum CDU-Fraktionsvorsitzenden und nun auch noch zum CDU-Landesvorsitzenden.

    "Ich mache den Weg frei für einen neuen Landesvorsitzenden der CDU Schleswig-Holstein, und bei der Wahl für einen neuen Ministerpräsidenten."

    Aha! Erst bei der Wahl, der vorgezogenen Landtagswahl 2012 also, wenn die CDU gewinnt, dann kann der Kronprinz Ministerpräsident werden. Und nicht etwa schon vorher. Einen Wahlkampf mit dem Bonus des Amtsinhabers kann Christian von Boetticher da also vergessen. Oder sollte der Alte auch hier den Weg schon früher freimachen?

    "Mein Ministerpräsident hat meine Solidarität als Fraktionsvorsitzender über die gesamte Wahlperiode."

    Wer will schon seinen Ziehvater verärgern? Der schleswig-holsteinische CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende will oder muss den Wählern also ohne den Amtsinhaber-Bonus beweisen, dass er der richtige Ministerpräsident wäre. Aber wie?

    "Wer sich nicht hinstellen kann und am Ende diesen Rücken gerade machen kann, der kann auch in einer schweren Zeit dieses Land nicht regieren."

    Ein gerader Rücken also soll es bringen. Eines ist mit Christian von Boetticher jedenfalls nicht zu machen:

    "Immer dann, wenn es noch bequem ist, die Entscheidungen mittragen, und dann, wenn die ersten Menschen auf der Straße stehen, sich schnell umdrehen und aus dem Staube machen."

    Nein, das kann die SPD machen, erst die Schuldenbremse in der Landesverfassung mit beschließen und dann nicht sparen wollen, meint der CDU-Spitzenkandidat in spe, sein Rücken bleibt gerade. Auch wenn eigene Leute etwas dagegen haben sollten:

    "Wenn Ihnen hier der Parteifreund ins Kreuz springt, das muss Ihnen irgendwann auch mal egal sein."

    Da ist Standfestigkeit gefragt. Im Fall des beispiellosen Sparhaushalts der schwarz-gelben Koalition hat er die bewiesen. Und Erfolg gehabt. Auch die Abweichler in der CDU-Fraktion stimmten schließlich für den Haushalt. Christian von Boetticher hatte es vorhergesagt:

    "Ich gehe davon aus, dass wir am Ende dann geschlossen stehen."

    Sicher?

    "Da bin ich hundertprozentig sicher."

    Die hauchdünne Mehrheit der schwarz-gelben Koalition von nur einer Stimme hat tatsächlich gehalten. Nach diesem Erfolg gibt es neue Spekulationen. Wird Christian von Boetticher wirklich bis zur Wahl warten? Oder wird er sich nun doch vorzeitig zum Ministerpräsidenten wählen lassen? Seine Geradlinigkeit könnte ihm hier im Wege stehen:

    "Wenn man versucht, gradlinig zu sein, dann hat man auch Ecken und Kanten. Und daran mögen sich einige reiben. Ich finde ganz schlimm, wenn man versucht, von allen immer nur Beifall zu bekommen. Das werden Sie bei mir nie erleben."

    Aber genau den braucht er - den Beifall von allen Mitgliedern der Koalitionsfraktionen. Denn bei einer geheimen Ministerpräsidenten-Wahl kann diese Mehrheit von nur einer Stimme zum dünnen Eis werden. Heide Simonis ist damals eingebrochen. Was, wenn es wieder schief geht und das Land dann ohne Regierungschef dasteht? Es ist ja nicht einmal wie in Hamburg eine schnelle Neuwahl möglich, weiß Noch-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen:

    "Das wäre natürlich ein Treppenwitz, das wäre ein Paradoxon, ein schleswig-holsteinisches Paradoxon, wenn wir wählen müssten mit dem nicht verfassungsgemäßen Wahlgesetz, um dann anschließend dieses Parlament wieder aufzulösen. Das geht nicht."

    Christian von Boetticher muss wohl warten: auf die vorgezogene Landtagswahl gemäß einem vom Verfassungsgericht verlangten neuen Wahlgesetz. Und dann? Angesichts der Umfrageergebnisse für CDU und FDP kann ihm aus heutiger Sicht nur ein kleines Wunder helfen. Aber er muss ja auch nicht unbedingt Ministerpräsident werden.

    "Ich werde in meinem Leben bestimmt auch noch mal wieder etwas anderes außer Politik machen."

    Das hat Christian von Boetticher vor 14 Monaten gesagt - aber wie es aussieht, hat er inzwischen doch sehr viel Spaß an der Politik bekommen.