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Minsker Friedensgespräche
Hoffnung auf eine Waffenruhe in der Ukraine

Militärische Hilfe wird die Ukraine von der NATO wohl nicht erhalten. Derweil rücken prorussische Separatisten weiter auf die Hafenstadt Mariupol vor. Die Hoffnung liegt nun auf der Vereinbarung einer Waffenruhe am Nachmittag.

Von Sabine Adler | 05.09.2014
    Ukrainische Soldaten vor einem Schild Mariupol.
    Heftige Kämpfe um Mariupol (AFP / PHILIPPE DESMAZES)
    Der ukrainische Politologe Juri Ruban hält jeden für kindisch oder milder ausgedrückt, für einen Träumer. Jeden, der glaubt, dass die NATO der Ukraine mit Waffen oder gar einer Intervention hilft:
    "Die NATO wird kaum eine Entscheidung über militärische Hilfe für die Ukraine treffen. Aber sie lässt ihre einzelnen Mitgliedern selbst entscheiden, in welcher Form sie der Ukraine helfen wollen."
    Polen schickt keine Waffen, wurde auch nicht darum gebeten, teilten die Präsidenten Komorowski und Poroschenko mit. Dass der Ukrainer ein- und Wladimir Putin dagegen ausgeladen war, feiert man in Kiew als Erfolg, vor allem aber als Solidaritätsbekundung. Die über eines dennoch nicht hinwegtäusche, sagt der Experte Ruban: Militärisch stehe die Ukraine allein auf weiter Flur.
    "Es zeigt sich, dass wir keinerlei militärische Verbündete haben. So wichtig und wertvoll die Solidarität ist."
    Vormarsch der prorussischen Milizen geht weiter
    Trotz des Treffens der OSZE-Kontaktgruppe heute in Minsk, das zweite in dieser Woche, trotz der Friedenspläne, geht der Vormarsch der prorussischen Milizen weiter, zum Beispiel auf die Hafenstadt Mariupol. Eine ukrainische Einheit ist zudem bei Debazowo eingekesselt und fürchtet ein ähnliches Schicksal wie die Männer in Ilowaisk. Weit über 100, die genaue Zahl ist nicht bekannt, fielen dort, wo ein angeblicher Korridor den freien Abzug gewähren sollte.
    Drei Friedenspläne werden in Minsk heute auf dem Tisch liegen. Putins 7-Punkte-Plan, der auf die Rolle Russlands in dem Konflikt mit keinem Wort eingeht. Der Plan der Separatisten, die eine Sicherheitszone unter OSZE-Aufsicht haben wollen. Am Montag war noch von der Integration ihrer Volksrepubliken in die russisch-eurasische Zollunion die Rede. Und der Poroschenko-Plan, der auf den Abzug ausländischer, sprich russischer Truppen drängt. Verläuft das Treffen heute erfolgreich, schwiegen ab 14 Uhr die Waffen, waren sich die prorussischen Anführer und der ukrainische Präsident ausnahmsweise einig.
    "Um 14 Uhr soll die Kontaktgruppe zusammenkommen, um den etappenweise umzusetzende Friedensplan zu unterzeichnen. Der wichtigste Schritt ist die Einstellung des Feuers. Sofern sich bestätigt, dass das Treffen stattfindet, werde ich dem Generalstab die Erlaubnis erteilen, die Einstellung des Feuers anzuordnen. Hoffen wir, dass dann die Umsetzung des Friedensplans morgen beginnt. Sollte es nicht gelingen, treten wir weiter entschieden für die Deeskalation ein."
    Schätzungsweise 3000 Opfer durch den Konflikt
    Regierungsberater Anton Geraschenko hat Zweifel, dass es zu einem Friedensschluss kommt.
    "Putin möchte die Kontrolle über den Donbass als ein dauerhaftes Konfliktgebiet behalten, damit die Ukraine nicht in die EU kann. Er will die Parlamentswahlen verhindern, denn wo Krieg ist, gibt es keinen Wahlkampf. Das Territorium selbst ist uninteressant, alle Bergwerke wurden schon in den 90er-Jahren geschlossen, nicht die Ukraine wird vom Donbass ernährt, sondern der Donbass von der Ukraine."
    Die UNO schätzt die Zahl der Opfer auf 3000, es dürften weit mehr sein. Inzwischen kehren auch russische Soldaten in Zinksärgen in die Heimat zurück. Der Kiewer Politologe Ruban ist überzeugt davon, dass Putin den Preis für seine Interventionspolitik kennt.
    "Der ehemalige russische Verteidigungsminister Gratschow sicherte dem damaligen Präsidenten Jelzin zu, innerhalb von Stunden in Tschetschenien Ordnung zu schaffen. Putin sprich jetzt von zwei Wochen, die er bis zur Einnahme von Kiew braucht. Die Frage ist, welchen Preis er zu zahlen bereit ist. Siege werden von der Bevölkerung natürlich immer bejubelt. Das Blatt wendet sich, wenn die Menschen Angehörige verlieren. Wenn man nur die Armeen vergleicht, verliert die ukrainische natürlich gegen die russische. Sinnvoller wäre es, zu fragen, ob die ukrainische Armee der russischen solche Verluste zufügen kann, dass Putin zu einem Umdenken gezwungen wird und eine politische Lösung sucht."