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Missbrauchsskandal im englischen Fußball
Eine Mauer des Schweigens

Nach den Enthüllungen über Missbrauchsfälle im englischen Fußball gerät auch der Verband FA unter Druck. Brisant ist zudem Bericht des "Daily Telegraph", der den FC Chelsea in die Schusslinie bringt.

Von Friedbert Meurer | 01.12.2016
    Klubemblem des englischen Fußballklubs FC Chelsea London vor dem Stadion an der Stamford Bridge
    Der FC Chelsea hat offenbar Schweigegeld an einen ehemaligen Spieler gezahlt. (picture alliance / dpa / Thomas Eisenhuth)
    2001 hatte der englische Fußballverband noch eine löbliche Initiative gestartet. Barry Bennell, der Jugendtrainer von Crewe Alexandra, war zu neun Jahren verurteilt worden, weil er junge Fußballspieler missbraucht hatte. Der Verband führte flächendeckend Sicherheitsmaßnahmen ein: alle Vereine mussten einen Missbrauchsbeauftragten benennen, Jugendtrainer brauchten ein Führungszeugnis. Doch dann erlahmte das Interesse: der Verband strich 2003 alle Gelder für ein Projekt, das die Neuerungen überprüfen sollte.
    "Das ist sehr bedenklich"
    Einige Mitarbeiter des Verbands FA seien unter Druck gesetzt worden, nicht mit den Autoren der Studie zu reden, berichtet die BBC. Überhaupt sei man teilweise auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Dass die Studie vorübergehend gestoppt wurde, begründete der englische Fußballverband damals damit, dass dafür kein Geld mehr vorhanden sein.
    "Das ist sehr bedenklich und nährt den Eindruck, dass viele im Bereich des Fußballs ahnten oder wussten, es gibt da ein Problem", kritisiert der Vorsitzende des Sportausschusses im Unterhaus, Damian Collins. "Es gab Berichte und denen wurde nicht so nachgegangen, wie das hätte der Fall sein müssen."
    Zuvor hatte der Chef des englischen Fußballverbands, Greg Clarke, beteuert, man tue alles, um die Vorwürfe aufzuklären. "Das ist der größte Skandal in unserem Verband, an den ich mich erinnern kann. Wir müssen dem nachgehen, was die moralische Konsequenz wäre, wenn wir nicht rechtzeitig und adäquat reagiert haben sollten. Wir haben eine Untersuchung durch einen Gutachter eingeleitet. Wir nehmen das auf jeden Fall sehr ernst."
    Sportausschusschef Collins hält dagegen der FA vor, der genannte Gutachter sei vom Verband finanziell abhängig und deswegen befangen.
    Schweigegeld für ehemaligen Jugendspieler
    Neben dem englischen Verband gerät auch der Premier League-Topclub FC Chelsea in die Schusslinie. Der "Daily Telegraph" meldet, Chelsea habe vor drei Jahren einem ehemaligen Jugendspieler Schweigegeld bezahlt, damit er nicht öffentlich einen früheren Jugendscout des Missbrauchs bezichtigt. Der Club dementierte die Meldung nicht, sondern teilte mit, die Vorwürfe gegen den Jugendbetreuer zu überprüfen – sie reichen in die 70er Jahre zurück.
    In dieser Zeit will auch der ehemalige Profi von Newcastle United, Derek Bell, missbraucht worden sein. Er schilderte heute, wie er sich später – mit einem Messer bewaffnet – an seinem Peiniger von damals rächen wollte. "Ich ging zu seinem Haus mit einem 30 cm langen Messer in meiner Tasche. Ich habe seine Eingangstür eingetreten. Zu seinem Glück war er aber nicht da."
    Für Empörung sorgt auf der Insel ein Tweet des früheren Dart-Weltmeisters Eric Bristow. Mit Blick auf die Missbrauchsopfers meint er, Fußballer seien anders als Dart-Spieler "Schwächlinge" und keine richtigen Männer. Er hätte es, so wörtlich, "später als Erwachsener der Schwuchtel gezeigt". Bristow hat sich für den Tweet entschuldigt, wurde aber schon vom Sender Sky als TV-Experte suspendiert.