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Misslungene Neuordnung

Weniger Zentralismus und mehr Kompetenzen vor Ort soll die Föderalismusreform der Bundesregierung bringen. Im Bereich Umwelt könnte diese Neuverteilung von Aufgaben jedoch nach hinten losgehen, befürchtet der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen. Das Gremium hat die Reform heute als unsystematisch, unklar, zu lückenhaft und konfliktanfällig kritisiert.

Von Dieter Nürnberger |
    Konkret gesagt der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der ja vom Gründungsauftrag her die Bundesregierung unabhängig beraten soll, hält von der Föderalismusreform in Bezug auf das Themengebiet Umweltpolitik so gut wie gar nichts. Und dies wird man heute auch im Bundestagsausschuss so formulieren. Im Schwarz-Roten Koalitionsvertrag steht ja - so wörtlich - dass das Umweltrecht Bundessache sei, die Länder aber bis auf einige Kernbereiche Abweichungsrechte erhalten. Und hier stecke der Teufel im Detail, sagen der Sachverständigenrat und auch andere Umweltorganisationen. Das Ganze sei zu unsystematisch und unklar, zu lückenhaft und konfliktanfällig. Denn diese Abweichungsrechte für die Bundesländer betreffen die Bereiche Naturschutz, Gewässerschutz und Raumordnung - und dies werde dann zu sehr unterschiedlichen Regelungen durch die Bundesländer führen, befürchtet der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Hans-Joachim Koch:

    " Ob die Länder dann homogen umsetzen, inwieweit es ihnen gelingen wird, die europarechtlichen Vorgaben wirklich gleichmäßig umsetzen, das ist die Frage. Da sind meine Erwartungen nicht so hoch. Wenn ich auf die Staatspraxis der vergangenen 20 oder 30 Jahre blicke, dann stelle ich schon fest, dass dort, wo die Länder Abweichungsmöglichkeiten hatten - im Polizeirecht oder auch im Baurecht - sie diese auch gründlich genutzt haben."

    Es ist ja so, dass vieles inzwischen auf EU-Ebene in Brüssel zurechtgezimmert wird, den Mitgliedsstaaten aber stets auch etwas Spielraum bleibt. Wenn dann aber auch 16 Bundesländer aktiv gestalten, dann werde es kompliziert - und für eine gute Umweltpolitik zu uneffektiv. Der Kompromiss der Bundesregierung zur Föderalismusreform sei deshalb nicht der große Durchbruch, ganz im Gegenteil, sagt auch Olaf Tschimpke, er ist der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland:

    " Wir wollten ein einheitliches Umweltgesetzbuch schaffen - das ist faktisch mit dieser Regelung nicht möglich. Bisher gab es ja auch schon 16 Naturschutzgesetze, 16 Wassergesetze, aber es gab wenigstens ein Rahmengesetz, welches gewisse Bereiche geregelt hat. Doch das Rahmengesetz wird ja nun aufgehoben. Es kommt zu einer konkurrierenden Gesetzgebung. Aber nur mit ganz wenigen Teilen, die dann bundeseinheitlich geregelt sind. In allen anderen Bereichen können die Länder Abweichungen vornehmen. Das wird zu ziemlich chaotischen Rechtsverhältnissen und ständigen Streitereien zwischen Bund und Ländern führen."

    Man befürchtet vermehrt einen Gang nach Karlsruhe, also die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in Streitfällen. Und daran könne nun eigentlich niemand Gefallen dran finden, so Nabu-Präsident Tschimpke, der für ein Wiederaufschnüren des Reformpakets plädiert:

    " Es gibt ja viele Bereiche, beispielsweise bei der Umsetzung im Naturschutzrecht - Nationalparke und Schutzgebiete ausweisen - da haben die Länder Handlungsmöglichkeiten. Hatten sie übrigens bisher auch schon. Aber dies muss in Deutschland nach einheitlichem Recht geschehen. Weil wir das EU-Recht nicht vernünftig umsetzen können, beispielsweise die Wasserrahmen- oder Vogelschutzrichtlinie und Ähnliches. Und um auch den Investoren in Deutschland Rechtssicherheit zu geben. Die müssen doch nach gleichen Regeln in Mecklenburg-Vorpommern wie in Bayern investieren können."

    Im politischen Berlin fragen sich nun viele, wie überhaupt dieser Kompromiss, damals Ende 2005, zustande gekommen sei. Kritik gibt es ja unter anderem vom Wirtschafts- wie auch vom Umweltminister. Auch von den Grünen. Und der Sachverständigenrat fordert heute nun eine andere Grundlage. Noch einmal Hans-Joachim Koch:

    " Nämlich die Einführung einer Bundeskompetenz für das Recht des Umweltschutzes. Solche allgemeinen Kompetenzen gibt es seit langem. Beispielsweise gibt es den Kompetenztitel "Recht der Wirtschaft". Man sollte auf die zersplitterten Kompetenzbereiche wie Luft-, Lärm-, Abfall-, Naturschutz- und Gewässerschutz verzichten. Wir sind der Meinung, dass es Abweichungsregelungen eigentlich nicht geben sollte. Und wenn, dann müssen diese ganz präzise aufgezählt werden. Das ist im gegenwärtigen Vorschlag gerade nicht der Fall. Sondern da wird alles den Ländern eröffnet, mit Ausnahme weniger aufgezählter Aspekte zugunsten des Bundes."

    Transparenz und Rechtssicherheit - diese beiden Schlagwörter für die Reform, würden sich also mit den derzeitigen Neuordnungsplänen nicht einstellen. Der Sachverständigenrat hofft nun auf Bewegung bei den Parteien in dieser Frage.