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Mit alten Sorgen in die neue Saison

Manipulationsvorwürfe, Finanzprobleme und Anklagen - in der vergangenen Saison ließ der deutsche Handball im Repertoire möglicher Skandale so gut wie nichts aus. Das Image hat dadurch gelitten. In der an diesem Wochenende offiziell beginnenden neuen Spielzeit, soll nun alles besser werden. Doch schon ist von Finanzsorgen die Rede.

Von Jens Mickler |
    Die vergangene Saison in der Handball-Bundesliga begann mit einem Paukenschlag. Aufsteiger TSV Dormagen trotzte dem Branchenprimus und Deutschem Meister THW Kiel in der Festung Ostsee-Halle einen Punkt ab. Auf solche Sensationen hoffen die Fans auch in dieser Spielzeit, doch es könnte schwieriger werden.

    Die Schere zwischen Arm und Reich geht im deutschen Handball – so scheint es – immer weiter auseinander. Das zeigt ein Blick auf die Saisonbudgets der Vereine. Während die vier Topklubs aus Kiel, Mannheim, Hamburg und Lemgo ihre Etats hielten oder teilweise deutlich erhöhten, haben andere wesentlich weniger Geld zur Verfügung. Dormagens Trainer Kai Wandschneider glaubt dennoch an Husarenstücke der Außenseiter.

    "Ich glaube, dass das noch schwieriger wird, wobei man immer eine Chance hat, weil sich Teams wie Hamburg, Kiel, die Rhein-Neckar Löwen oder Lemgo immer auch auf das internationale Geschäft konzentrieren werden. Die Nationalspieler, und diese Mannschaften bestehen ja ausschließlich aus Nationalspielern, sind sehr stark belastet, und da hat man als Kleiner, als Underdog, eine Chance, weil die eigenen Spieler davon nicht betroffen sind.""
    Der Attraktivität der Liga würde mehr Chancengleichheit gut tun. Gleichzeitig drohen in Deutschland aber Verhältnisse wie in Spanien oder Frankreich, wo einige wenige Top-Klubs die Ligen schon seit Jahren mehr oder weniger alleine dominieren. Mit Verpflichtungen von großen Stars wie Daniel Narcisse zum THW Kiel, Igor Vori zum HSV Hamburg oder Olafur Steffanson zu den Rhein-Neckar Löwen festigte das Spitzentrio den Ruf der Bundesliga als stärkste Liga der Welt. Der Glanz der Weltstars hat aber seinen Preis. Daniel Narcisse etwa soll in Kiel 32.000 Euro monatlich verdienen. Frank Bohmann, dem Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, treibt das Sorgenfalten auf die Stirn.

    "Es liegt an der Gefahr, dass man nicht vorsichtig genug kalkuliert. Das hat der wesentliche Teil der Klubs gemacht. Da braucht man sich keine Sorgen zu machen. Sorgen muss man sich machen, wenn tatsächlich irgendwo etwas weg bricht und es dann zu Liquiditätsengpässen kommt."

    So geschehen in der vergangenen Saison, die wegen Finanzskandalen und Manipulationsvorwürfen als die schwärzeste Spielzeit in die Annalen des deutschen Handballs eingegangen ist. In Nordhorn, Essen und Stralsund meldeten gleich drei Klubs Insolvenz an. Die Schreckensmeldungen setzten sich im Vorfeld der neuen Serie fort. Traditionsvereine wie SG Flensburg-Handewitt und VfL Gummersbach sahen sich gezwungen, die Spielergehälter um bis zu 20 Prozent zu kürzen. Geschäftsführer Frank Bohmann mahnte kürzlich, dass die Turbulenzen längst nicht ausgestanden und eine Reihe Vereine aus Liga eins und zwei überschuldet seien.

    "Der Handball lebt vom Sponsoring. Das sind Größen, die schwer vorhersehbar sind, das heißt, man muss damit rechnen, dass der eine oder andere Sponsor seinen Leistungen nicht nachkommt, und darauf müssen sich die Klubs einstellen."

    Knackpunkt sind die Spielergehälter. Siebzig Prozent machen sie vom Gesamtetat der Klubs aus. Zuviel meint Frank Bohmann, zu viel meint auch Dormagen-Trainer Kai Wandschneider, dessen Klub mit einer Millionen Euro zum Armenhaus der Liga zählt.

    "Es geht hier nicht um die Spitzengehälter wie eines Karabatic oder jetzt Narcisse oder Vori, die sind einfach jeden Cent wert, weil dieses Geld auch immer wieder erwirtschaftet wird. Es geht um eine Grauzone im Bereich von 4000 bis 8000 Euro. Das ist einfach nicht finanzierbar für Spieler, die überbezahlt sind, weil sie nicht entscheidend dazu beitragen, dass die Mannschaft 1. Liga spielt oder in der 1. Liga bleibt."

    Die Handball-Bundesliga hat bereits reagiert und verschärfte die Lizensierungsrichtlinien. Künftig müssen alle Klubs ihre Kosten statt jährlich nun quartalsweise offen legen – ein Kontrollpuffer, der seine Tauglichkeit erst noch beweisen muss, wie Frank Bohmann erklärt. Kai Wandschneider begrüßt die neue Sicherheitsmaßnahme, appelliert aber gleichzeitig an die Besonnenheit der Kluboberen.

    "Wir brauchen vor allem Führungsleute, die nicht um jeden Preis Erfolg haben wollen, sondern die immer ein genaues Auge auf die wirtschaftliche Situation werfen und dann eben zur Not auf die erste Liga verzichten. Eine gewisse Genügsamkeit muss da auch immer bei den Entscheidungen eine Rolle spielen. Und dieses um jeden Preis im Konzert der Großen mitmischen, dieser Schuss kann auch nach hinten losgehen."