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Mit alter Handwerkskunst in neue Zukunft

Viele kleine Dörfer in Ungarn erleben derzeit einen Niedergang: Die Landwirtschaft wird aufgegeben und viele junge Leute ziehen weg. Nicht so in Fedémes, einem abgelegenem 400 Seelen Dorf im Nordosten Ungarns. Hier zeigt ein Unternehmer, dass man mit uralter Technik und Handarbeit einen internationalen Markt erobern kann. In Fedémes wird Papier geschöpft, das auf der ganzen Welt gefragt ist. Jan-Uwe Stahr berichtet.

    Herr Molnar hat sich eine Gummischürze umgebunden. Vorsichtig nimmt er nun ein Gefäß mit einer breiigen weißen Masse aus der elektrischen Rührmaschine. Kippt den Inhalt dann in einen großen, stählernen Wasserbottich. Greift einen riesigen Holzlöffel, der an dem Bottich lehnt und verrührt das Ganze bedächtig und sorgsam zu einer dicken, weißen Suppe. "Pulpe" heißt das eigenartige Gemisch. Aus ihr wird Herr Molnar gleich das wertvolle Papier schöpfen. Das hier, in einer Kellerwerkstatt in dem kleinen ungarischen Dorfes Fedémes hergestellt, wird.

    "Ja, so geht das" sagt Herr Molnar. Er mag die Arbeit, des Papiermachens. Weil sie so ruhig ist und man gut nachdenken kann dabei.

    Seit über fünf Jahren arbeitet der 48jährige Bela Molnar jetzt in der Fedémeser Papierwerkstatt. Zuvor war er Traktorist auf einem ehemals staatlichen und nach der Wende privatisierten Landwirtschaftsbetrieb. Doch der Betrieb musste aufgeben. War nach Ungarns EU-Beitritt nicht mehr konkurrenzfähig. Bela Molnar wurde arbeitslos. Doch weggehen aus dem 400 Seelendorf Fedémes, das kam für ihn nicht in Frage. Und jeden morgen zig Kilometer fahren für einen anderen Job? Wie denn ohne Auto, dass sich hier auf dem Land fast keiner leisten kann? Aber zum Glück löste sich das Problem von selbst. Dank der kleinen Papierwerkstatt von Laszlo Vincze, die nach der Wende einen ungeahnten Aufstieg erlebte. Und nun bereits sieben Familien im Dorf ernährt.

    In einem kleinen Ausstellungsraum, zeigt Lazlo Vince, Gründer und Chef der Fedemeser Papierwerkstatt, sein Angebot. Urkunden, Glückwunschkarten und Designerpapier in den unterschiedlichsten Größen und alles handgeschöpft in der kleinen Kellerwerkstatt. Viele Künstler nutzen unser handgemachtes Papier, sagt der 45 jährige Unternehmer und lächelt ein wenig schüchtern.

    "Sie mögen die Struktur. Wir können es individuell nach Kundenwunsch anfertigen. Und es hält ein paar hundert Jahre lang". "

    Aber nicht nur Künstler wissen die Schönheit und Haltbarkeit von des handgemachten Papiers aus Fedémes zu schätzen. Auch Staatskanzleien und Museen.. Eigentlich ist es gar nicht so schwierig das Papier herzustellen, räumt Laszlo Vince ein.

    " "Man kann alles in alten Büchern und heute sogar im Internet nachlesen. Aber es schadet nicht, wenn man einen professionellen Hintergrund hat". "

    So wie eben Lazlo Vince. Als Diplom-Ingenieur in einer großen Papierfabrik entdeckte er dann die Faszination des Handwerks. Probierte jahrelang mit alten Rezepten herum. Nach Feierabend:

    ""Auf meinem Arbeitsplatz durfte ich nachmittags in einer Ecke ein bisschen herumexperimentieren. Ich kaufte eine alte Waschmaschine, baute mit eine einfache Presse. Und meine Kollegen lächelten hinter meinem Rücken. Sie haben das nicht ernst genommen."

    Doch der junge Vince hatte ein klares Ziel: Neues Papier nach altem Rezept herzustellen und mit dem Handwerk seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Noch vor dem Ende des Kommunismus machte er sich selbstständig. Verkaufte sein Papier zunächst auf kleinen Kunstmärkten und an heimische Museums-Restauratoren. Der Boom kam nach der Wende. Heute sind die handgeschöpften Papierbögen aus Fedémes eine geschützte Marke. Die inzwischen auch auf der bedeutenden Papiermesse "Paper-World" in Frankfurt am Main vertreten ist.

    Vor zwei Jahren wurde Lazlo Vince in Ungarn zum Unternehmer des Jahres gekürt. Eine Auszeichnung auch für sein unternehmerisches Engagement im vernachlässigten ländlichen Raum. Inzwischen hat der Papiermacher schon wieder neue Idee rund um das alte Handwerk. Lazlo Vincze zeigt auf das alte Haus, das hinter seiner Papierwerkstatt steht:

    "Hier richten wir gerade ein kleines Papiermuseum und eine neue Werkstatt ein. Künstler und andere Interessierte können dann zu uns kommen. Sie können hier lernen, Papier selber herzustellen. Und sie können gleichzeitig Urlaub machen hier in Fedémes."

    Altes Handwerk erlebt zur Zeit einen Boom in Europa, sagt Laszlo Vincze. Und es kann eine neue Chance sein für kleine Dörfer, wie das ungarische Fedémes.