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Mit der Dunklen Energie zur Weltformel?

Physik. – Heute ging am Genfer Teilchenbeschleuniger CERN die Tagung ''Kosmologie und Teilchenphysik'' zu Ende. Fünf Tage lang diskutierten 250 Astronomen und Physiker aus aller Welt über die Welt im ganz Großen und über die Welt im ganz Kleinen. Die Forscher sind nicht etwa orientierungslos - nein, denn im Universum haben das ganze Große und das ganz Kleine direkt miteinander zu tun.

    Von Dirk Lorenzen

    Ob ein Astronom in die Tiefen des Kosmos blickt oder ein Teilchenphysiker das Innere der Materie erforscht - beide sehen nicht alles: Das Universum besteht nur zu etwa 5 Prozent aus "unserer" Materie, also aus dem Stoff, aus dem wir und alle Dinge um uns herum aufgebaut sind. 25 Prozent des Kosmos sind Dunkle Materie - eine rätselhafte Form der Materie, die sich zu unsichtbaren Strukturen verklumpt und mit ihrer Anziehung verrät. Mit den restlichen 70 Prozent "Dunkle Energie" im Kosmos haben die Physiker ihre liebe Müh, räumt anlässlich der Genfer Tagung "Cosmology and Particle Physics 2003" Christof Wetterich ein, Professor am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg:

    Dunkle Energie ist noch mysteriöser. Denn sie klumpt noch nicht einmal. Sie ist völlig uniform, völlig homogen über das ganze Universum verteilt. Daher können wir nicht irgendwo lokal sehen, da ist ein bisschen mehr, da ein bisschen weniger, sondern die ist einfach da.

    Das, was da ist, hat es wahrlich in sich: Denn die Dunkle Energie treibt, wie die Astronomen im Kosmos sehen, das Universum immer schneller auseinander. Aber was genau ist diese Dunkle Energie? Die Experten diskutieren im wesentlichen zwei Modelle mit sperrigen Namen, die die Mühe mit dieser Thematik schon andeuten: Kosmologische Konstante und Quintessenz.

    Der hauptsächliche Unterschied ist, dass die Quintessenz zeitlich variabel ist. Das heißt, diese Dunkle Energie ist zwar gleichförmig verteilt, ändert sich aber mit der Zeit. Das kann man mit präzisionskosmologischen Messungen wirklich feststellen.

    Im Quintessenz-Modell hat die Dunkle Energie schon ganz zu Beginn des Universums eine Rolle gespielt. Dagegen kommt sie im Modell der Kosmologischen Konstanten erst recht spät zu Geltung - nämlich erst dann, als sich die normale, klumpende Materie im Kosmos sehr weit verdünnt hatte. Christof Wetterich erklärt, dass Kosmologische Konstante oder Quintessenz im Weltall verräterische Spuren hinterlassen:

    Man sähe es zum Beispiel an der Bildung der großräumigen Strukturen. Der Effekt ist zwar nicht riesig, aber wenn Dunkle Energie schon zu einem frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Universums vorhanden war, selbst wenn es nur ein paar Prozent waren, dann verlangsamt das die Bildung der Strukturen. Und da wir wissen, wie viel Ungleichmäßigkeiten zu sehr frühen Zeiten vorhanden waren, das haben wir durch die Hintergrundstrahlung festgestellt, können wir in jedem Modell rechnen, wie viel Struktur soll es später geben, sollen die Galaxien stärker oder weniger stark geklumpt sein, soll es mehr oder weniger Galaxienhaufen geben und das kann man am Himmel beobachten und wenn man die beiden Dinge vergleicht, kommt man vermutlich doch zu einem detaillierten Ergebnis, was am Schluss die Natur der Dunklen Energie ist.

    Doch die Forscher erfassen auf diese Weise nur, wie sich die abstoßende Dunkle Energie verhält - was physikalisch genau dahinter steckt, bleibt erst einmal offen; denn Kosmologische Konstante oder Quintessenz sind bisher ein so genanntes "Feld" in einem rein mathematischen Modell.

    Die wirkliche Theorie ist sehr kompliziert, denn dieses Feld ist vermutlich das Bindeglied in einer vereinheitlichten Theorie von der Gravitation und den anderen Wechselwirkungen. Und um die zu verstehen müssen wir wirklich diese vereinheitliche Theorie verstehen und das ist nun einmal eine komplizierte Geschichte. Vor allem da die relevanten Längenskalen winzige Längen sind, die wir nicht mit Beschleunigern erforschen können.

    Es geht also um nichts anderes als eine Art "Weltformel", die erklärt, wie die Schwerkraft und die anderen drei Kräfte in der Natur wirken und welche Teilchen es mit welchen Eigenschaften und in welchen Mengen gibt. Diese vereinheitlichte Theorie soll die Welt des ganz Kleinen und des ganz Großen zusammenführen und beschreiben, welche Rolle Materie, Dunkle Materie und Dunkle Energie im Weltall spielen. Wie Christof Wetterich einräumt, hakt es bei dieser Theorie - noch...

    Auf der anderen Seite werden die Beobachtungen sehr schnell große Fortschritte machen. Da sind eine Reihe von Satelliten bereits im Orbit, andere sind geplant. Wenn man dies alles zusammensitzt, denke ich, wird sich in den nächsten fünf Jahren hoffentlich doch ein sehr konsistentes Bild ergeben und wir werden einfach mal wissen, was Sache ist. Dann müssen natürlich die Theoretiker ran und das ordentlich erklären, aber denen muss man ja auch ein bisschen Arbeit lassen.