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Mit der Flüster-Flunder in den Urlaub

Technik. - Immer rasanter wächst der Luftverkehr und damit die Umweltbelastung durch Abgase und Lärm. Abhilfe könnte das seit dem Zweiten Weltkrieg bekannte Konzept des Nurflüglers schaffen, der größere Lasten leiser und effizienter transportiert.

Von Tobias Armbrüster |
    So hört es sich heute an, wenn man am Rande eines Flughafens steht und ein Flugzeug bei der Landung beobachtet. Die Forscher der Silent Aircraft Initiative wollen, dass es künftig sehr viel leiser klingt. Wer neben einem Flughafen wohnt, der soll nur noch ein leises Summen hören, wenn ein Flugzeug landet. Einen Prototypen für ein solches Flugzeug gibt es nicht, dafür aber eine 1,50 Meter großes Standmodell, das die Ingenieure in den vergangenen drei Jahren entwickelt haben. Dieser Modell-Flieger erinnert stark an die so genannten "Stealth Bomber" der amerikanischen Luftwaffe. Von vorne betrachtet wirkt das Flugzeug flach wie eine Flunder, es besteht sozusagen aus einem einzigen geschwungenen Flügel. Die Konstruktion hat eine völlig glatte Oberfläche – keine Seiten-Ruder, keine Leitungsrohre und keine anderen Bauteile, die herausragen. Zolti Spakovsky vom Massachusetts Institute of Technology, MIT:

    "Schlechte Aerodynamik verursacht eine Menge Lärm beim Fliegen. Jede Schraube und jedes abstehende Bauteil sorgt für Turbulenzen in der Luft rund um das Flugzeug - und diese Turbulenzen nehmen wir als Lärm wahr. Wenn sie diese ganzen Bauteile unter die Flugzeughaut verlegen, dann bleiben als letzte Lärmquelle die Turbulenzen an den hinteren scharfen Kanten der Flügel. Bei unserem Modell befinden sich dort deshalb winzige Bürsten, die sorgen dafür, dass die Luftströme abgefedert werden."

    Neben dem Design des Flugzeugkörpers mussten die Ingenieure sich vor allem mit den Düsentriebwerken beschäftigen, denn die verursachen einen Großteil des Lärms. Bislang hängen die Triebwerke unter den Flügeln eines Flugzeugs. In diesem Modell sind sie nun ans Heck verlegt. Sie befinden sich auch nicht unter dem Boden, sondern oben drauf - sie saugen die Luft sozusagen über dem Dach des Flugzeugs an. Dadurch wird ein Grossteil der Düsengeräusche nach oben abgegeben, in den Himmel, und nicht nach unten, dort wo der Lärm andere Leute stören würde. Am hinteren Teil der Triebwerke, wird die Luft beim Austritt durch einen Schall-Kanal geleitet, darin wird der Lärm weiter reduziert. Cesare Hall von der Universität Cambridge hat das Modell für die Düsen entwickelt.

    "In diesen Kanälen befinden sich Schalldämpfer. Das sind perforierte Scheiben, die den Lärm beim Austritt aus der Düse abschwächen. Man kann diesen Schallkanal in unserem Modell der Motorleistung anpassen. Das heißt, wenn das Triebwerk lauter wird, wird der Schallkanal um einen weiteren Meter ausgefahren, so wird der Lärm weiter abgeschwächt."

    Dieses Projekt zur Entwicklung eines Flugzeugs, das man nicht hören kann, war eine Initiative der englischen Universität Cambridge und des MIT. 40 Doktoranden haben drei Jahre lang daran gearbeitet. Das Ergebnis ist ein Flugzeugmodell mit der Bezeichnung SAX 40. Ein Flugzeug für 250 Passagiere, das sich – nach Angaben der Beteiligten - bis zum Jahr 2030 verwirklichen ließe. Zu den Organisationen, die das Projekt unterstützt haben, gehört auch die amerikanische Weltraum-Behörde NASA. Fayette Collier ist dort zuständig für die Flugzeug-Entwicklung.

    "Es gibt sicher einige Hürden, die Sie vor der Realisierung dieses Fliegers überwinden müssen. Sie haben es ja hier mit einem einzigen flach gestreckten Flugzeugkörper zu tun, den müssen Sie erst mal stabil genug machen. Auch bei den Triebwerken gibt es einige Fragezeichen. Aber Lärmreduzierung wird in den nächsten Jahren ein immer größeres Thema, genauso wie die Emission von Kohlendioxid. Ich glaube deshalb, dass dieses Projekt durchaus zeigt, wie ein Flugzeug in Zukunft aussehen könnte."

    Tatsächlich hieß es in mehreren Vorträgen gestern, dass ein solches stilles Flugzeug, auch den Treibstoff-Verbrauch und damit die Kohlendioxid-Emissionen reduzieren könnte, allerdings war das nicht Teil der Aufgabenstellung. Die Frage bleibt, ob der Flug-Lärm tatsächlich die größte Herausforderung für die Luftfahrt-Industrie ist. Gut möglich, dass sich die Forscher in Cambridge und Massachussets in den nächsten Jahren eher um Kohlendioxid als um Dezibel kümmern werden.