Amy Zayed: Mister Marr, Sie haben nach Ihrer Zeit mit den "Smiths" so einige Metamorphosen durchgemacht, mit Bands wie den "Healers", den "Cribbs" und "Modest Mouse". Warum haben Sie sich nach so langer Zeit schließlich doch entschieden, ein Soloalbum aufzunehmen?
Johnny Marr: Es war nicht so, dass ich plötzlich gedacht habe: So, jetzt mache ich ein Soloalbum, was schreibe ich denn mal Schönes? Sondern es war so, dass ich nach meiner kurzen Zeit bei den "Cribbs" merkte, wie inspiriert und voller Energie ich war. Ich hatte einfach Lust, elf oder zwölf schnelle gitarrenlastige Songs zu schreiben, die ich irgendwann mal live spielen konnte. Und dabei fiel mir auf, wie viel Lebenserfahrung ich gesammelt hatte, über die ich noch nie geschrieben hatte, die aber mein Leben ausmacht. Ich fing also an, diese Songs zu schreiben und Demos aufzunehmen. Und irgendwann hab ich die dann ein paar Freunden vorgespielt, die darauf sofort meinten: Warum veröffentlichst du die Songs nicht und machst endlich ein Soloalbum.
Amy Zayed: Was mir an dem Album auffällt, ist, dass es einen ganz typischen Manchester-Sound hat. Hat das einen Grund?
Johnny Marr: Ich glaube, es liegt unter anderem daran, dass ich gerne so singe, wie ich spreche. Mir ist das wichtig, das macht mich aus. Alle Bands, die ich selbst mag, oder als Teenager mochte, klingen so, wie die Umwelt, in der sie aufgewachsen sind. Das hat natürlich zur Konsequenz dass die Beach Boys so eben wie eine Band aus Kalifornien klingen, und die Ramones klingen nach New York, The Smiths und Joy Division können nur aus Manchester kommen und Kraftwerk nur aus Deutschland. Das macht jede Band authentisch. Deshalb habe ich mich auch ganz bewusst entschieden, aus Amerika fortzuziehen. Ich hatte dort ein paar Jahre gelebt. Und merkte, dass ich mich veränderte. Und ich wollte einfach nicht amerikanisch klingen. Ich wollte mich nicht verstellen. Ich wollte auch der Versuchung widerstehen, mit einigen meiner amerikanischen Freunde auf dem Album zusammenzuarbeiten. Verstehen Sie mich nicht falsch, nicht alles an Amerika ist schlecht, aber ich wollte klingen wie ich. Und mich nicht verstellen.
Amy Zayed: Ihr Album heißt "The Messenger", also "Der Bote" - wer ist damit gemeint?
Johnny Marr: Der Messenger sind wir alle. Ich singe zwar auf dem Album nicht unbedingt von verschmähter Liebe und Frust und Herzschmerz, aber manchmal geht Liebe oder Freundschaft noch viel tiefer. Beim Titelsong "The Messenger" habe ich darüber nachgedacht, was man eigentlich alles bereit zu tun ist, wenn man jemanden liebt, ob nun in einer Liebesbeziehung oder einer Freundschaft. Wenn man jemanden wirklich liebt, würde man sich für die Person ins Feuer werfen. Dazu gehört auch, jemandem wirklich schlechte Nachrichten mitzuteilen. Das heißt nicht unbedingt, dass man jemandem sagt, du bist ein Arschloch. Aber wenn man jemandem wirklich schlechte Nachrichten mitteilen muss und zusehen muss, wie der andere darunter leidet, das ist schlimm. Deshalb singe ich auch in dem Song: "Meine Zeit ist ganz dein, wenn du reden willst, ich bin da." Man muss sogar die Gefahr akzeptieren, dass dieser Freund danach niemals mehr mit einem redet, aber man nimmt auch dieses Risiko auf sich, wenn man jemanden wirklich mag. Das kann einem auch mit Fans passieren. Und zwar dann, wenn man selbst auf einem ganz anderen musikalischen Trip ist, als was sie denken. Musikalisch war der Song anfangs nur eine Art Folk-Gitarrensong, der sich dann aber in dieses Elektro-Pop-Dingsda verwandelt hat. Aber mir war auf dem Album sehr wichtig, dass meine Fans merken, dass meine Stimme vor allem die Gitarre ist. Ich liebe den Elektrokram, aber ich bin ein Gitarrist und habe als solcher angefangen. Als ich das Album geschrieben habe, habe ich mir bei jedem Song vorgestellt, auf dem Album von jemand anderem zu spielen, bei dem ich aber unbedingt meinen Stempel aufdrücken wollte. Ich will mich bei meinen eigenen Projekten immer zurücknehmen, aber bei anderen Projekten will ich immer sicherstellen, dass mein Fingerabdruck drauf ist. Eigentlich müsste das ja umgekehrt sein, nur bei mir nicht.
Amy Zayed: Jeder Song auf Ihrem Album erzählt eine Geschichte. In "New Town Velocity" singen Sie: "Ich lief von zu Hause fort, ohne zu wissen, wohin, ich verließ die Schule für die Poesie" - und man nimmt Ihnen das absolut ab!
Johnny Marr: "New Town Velocity" war der letzte Song, den ich für die Platte fertig geschrieben habe. Eigentlich war das Album schon fertig und sollte in zwei Tagen bei der Plattenfirma sein. Und plötzlich wurde ich total verrückt, weil ich das Gefühl hatte, irgendwas fehlt. Irgendwie hatte ich eine Seite von mir noch nicht wirklich abgebildet. Als ich angefangen hatte, die Platte zu machen, wollte ich, dass es eine schnelle Platte wird. Musik, die man morgens bei der Arbeit oder im Auto oder sonstwo hören konnte. Ich war überhaupt nicht daran interessiert, eine Platte zu machen, die man nur bei einem Glas Wein, einem Joint oder nur dann hören konnte, wenn man total deprimiert war! Es ist viel schwieriger Musik zu machen, die fröhlich klingt und trotzdem etwas aussagt. Aber zum Schluss hatte ich das Gefühl, dass doch irgendetwas fehlte. Also habe ich angefangen, an allen Songs noch mal rumzudoktern. Und alles passte mir nicht. Und dann dachte ich mir: Warum schreibst du nicht einfach noch einen neuen Song, der dieses eine Bild, dieses eine Gefühl beschreibt, von dem du denkst, dass es fehlt? Ich hatte nur 48 Stunden, aber ich sagte mir: Nimm Deine Gitarre und spiel doch einfach dieses Gefühl, versuch es umzuwandeln in Melodie. Und das war großartig! Ich wünschte, ich könnte das immer tun!
Amy Zayed: Warum tun Sie es dann nicht?
Johnny Marr: Versuchen Sie das mal! Nein, das Problem ist, ich brauche eine Deadline! Ich wünschte, ich könnte mich hinsetzen und ganz schnell meine Gefühle in Songs übertragen. Aber Musik ist kein Rezept für einen Kuchen. Man kann nicht einfach sagen: Die und die Noten ergeben das oder jenes Gefühl. Man muss es einfach übertragen. Und dazu braucht man ein Bild. Bei "New Town Velocity" war es eine bestimmte Atmosphäre. Ein diesiger Sommermorgen, an dem man aufsteht und das Gefühl hat, alles kann nur gut werden. Wenn man das Gefühl hat, die Welt gehört nur mir und ich kann die Welt verändern. Es fühlt sich an, als hätte man das Leben in den eigenen Händen, so als könne man sein Schicksal ganz allein bestimmen. Und plötzlich hatte ich diesen Tag vor Augen. Den Tag, der mein Leben verändern sollte. Ich war 15 und wartete auf den Schulbus. Ich traf meine Freundin an der Bushaltestelle, wo wir ein bisschen rumknutschten. Dann kam der Bus, und meine Freundin fragte: Willst du nicht einsteigen? Und ich sagte: nein! Ich steige nicht ein. Ich gehe nicht in die Schule! Und sie meinte: Und was sagst du denen dann morgen? Und ich meinte: Ich gehe nie wieder zurück zur Schule! Dann nahm ich sie bei der Hand und wir gingen durch Manchester. Wir sahen die Stadt so, als würden wir sie zum ersten Mal sehen. An diesem Tag dachte ich, alles wird gut. Die Welt ist gut und deine Zukunft wird auch gut, weil du ein guter Mensch bist. Das ist für mich das wahre Gefühl der Freiheit. Meistens bekomme ich diese einzigartige Inspiration durch Musik oder Kunst im Allgemeinen. Dieses Gefühl, wenn man etwas Schönes sieht, und plötzlich bleibt die Zeit stehen. Für mich war es noch schöner, weil ich es mit jemand anderem teilen konnte, mit meiner Freundin, die heute meine Frau ist. Und genau dieses Gefühl wollte ich rüberbringen, und habe es mit dem Song "New Town Velocity" geschafft. Ja, ich lief von zuhause fort, ohne zu wissen wohin, ich verließ die Schule für die Poesie.
Amy Zayed: Vor eineinhalb Jahren haben sich die Stone Roses nach 25 Jahren wieder zusammengetan. In England ist damals eine Art Massenhysterie ausgebrochen. Und viele haben sich gefragt: ob die Smiths nun auch wieder zusammen kommen? Wie reagieren sie auf solche Fragen?
Johnny Marr: Die Situation der Stone Roses ist eine völlig andere als die der Smiths. Die haben ja nur zwei Alben gemacht, also ist da noch eine Menge Material, das einfach noch nicht geschrieben oder abgeschlossen wurde. Ich freue mich sehr für die Stone Roses. Ich habe sie kürzlich auf dem Geburtstag von Mani, dem Bassisten, getroffen, und mir ist aufgefallen, wie sehr die Reunion ihrer Freundschaft gut getan hat. Aber die haben als Kinder, als Schulfreunde zusammen angefangen Musik zu machen. Bei den Smiths ist das total anders. Wir haben fast 80 Songs zusammen geschrieben. Wir haben uns einmal sehr inspiriert, aber irgendwann gingen uns auch einfach die Ideen aus. Außerdem sind wir viel zu sehr auf unsere eigenen Karrieren konzentriert. Mein eigener Kram ist mir einfach wichtiger. Warum sollte ich plötzlich 20 Jahre alten Kram auf Gigs spielen? Das hieße doch nur, alten Kaffee aufwärmen. Ich bin sehr glücklich, dass die Leute unsere Musik mögen, und dass die Smiths ihnen so wichtig sind, aber Morrissey und ich haben einfach zu lange um unsere Solokarrieren gekämpft, als dass wir die Smiths wieder aufleben lassen würden. Ich verstehe, dass viele Leute uns gern wieder zusammen sehen würden, aber unsere Situation ist eine ganz andere, als die der Stone Roses.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Johnny Marr: Es war nicht so, dass ich plötzlich gedacht habe: So, jetzt mache ich ein Soloalbum, was schreibe ich denn mal Schönes? Sondern es war so, dass ich nach meiner kurzen Zeit bei den "Cribbs" merkte, wie inspiriert und voller Energie ich war. Ich hatte einfach Lust, elf oder zwölf schnelle gitarrenlastige Songs zu schreiben, die ich irgendwann mal live spielen konnte. Und dabei fiel mir auf, wie viel Lebenserfahrung ich gesammelt hatte, über die ich noch nie geschrieben hatte, die aber mein Leben ausmacht. Ich fing also an, diese Songs zu schreiben und Demos aufzunehmen. Und irgendwann hab ich die dann ein paar Freunden vorgespielt, die darauf sofort meinten: Warum veröffentlichst du die Songs nicht und machst endlich ein Soloalbum.
Amy Zayed: Was mir an dem Album auffällt, ist, dass es einen ganz typischen Manchester-Sound hat. Hat das einen Grund?
Johnny Marr: Ich glaube, es liegt unter anderem daran, dass ich gerne so singe, wie ich spreche. Mir ist das wichtig, das macht mich aus. Alle Bands, die ich selbst mag, oder als Teenager mochte, klingen so, wie die Umwelt, in der sie aufgewachsen sind. Das hat natürlich zur Konsequenz dass die Beach Boys so eben wie eine Band aus Kalifornien klingen, und die Ramones klingen nach New York, The Smiths und Joy Division können nur aus Manchester kommen und Kraftwerk nur aus Deutschland. Das macht jede Band authentisch. Deshalb habe ich mich auch ganz bewusst entschieden, aus Amerika fortzuziehen. Ich hatte dort ein paar Jahre gelebt. Und merkte, dass ich mich veränderte. Und ich wollte einfach nicht amerikanisch klingen. Ich wollte mich nicht verstellen. Ich wollte auch der Versuchung widerstehen, mit einigen meiner amerikanischen Freunde auf dem Album zusammenzuarbeiten. Verstehen Sie mich nicht falsch, nicht alles an Amerika ist schlecht, aber ich wollte klingen wie ich. Und mich nicht verstellen.
Amy Zayed: Ihr Album heißt "The Messenger", also "Der Bote" - wer ist damit gemeint?
Johnny Marr: Der Messenger sind wir alle. Ich singe zwar auf dem Album nicht unbedingt von verschmähter Liebe und Frust und Herzschmerz, aber manchmal geht Liebe oder Freundschaft noch viel tiefer. Beim Titelsong "The Messenger" habe ich darüber nachgedacht, was man eigentlich alles bereit zu tun ist, wenn man jemanden liebt, ob nun in einer Liebesbeziehung oder einer Freundschaft. Wenn man jemanden wirklich liebt, würde man sich für die Person ins Feuer werfen. Dazu gehört auch, jemandem wirklich schlechte Nachrichten mitzuteilen. Das heißt nicht unbedingt, dass man jemandem sagt, du bist ein Arschloch. Aber wenn man jemandem wirklich schlechte Nachrichten mitteilen muss und zusehen muss, wie der andere darunter leidet, das ist schlimm. Deshalb singe ich auch in dem Song: "Meine Zeit ist ganz dein, wenn du reden willst, ich bin da." Man muss sogar die Gefahr akzeptieren, dass dieser Freund danach niemals mehr mit einem redet, aber man nimmt auch dieses Risiko auf sich, wenn man jemanden wirklich mag. Das kann einem auch mit Fans passieren. Und zwar dann, wenn man selbst auf einem ganz anderen musikalischen Trip ist, als was sie denken. Musikalisch war der Song anfangs nur eine Art Folk-Gitarrensong, der sich dann aber in dieses Elektro-Pop-Dingsda verwandelt hat. Aber mir war auf dem Album sehr wichtig, dass meine Fans merken, dass meine Stimme vor allem die Gitarre ist. Ich liebe den Elektrokram, aber ich bin ein Gitarrist und habe als solcher angefangen. Als ich das Album geschrieben habe, habe ich mir bei jedem Song vorgestellt, auf dem Album von jemand anderem zu spielen, bei dem ich aber unbedingt meinen Stempel aufdrücken wollte. Ich will mich bei meinen eigenen Projekten immer zurücknehmen, aber bei anderen Projekten will ich immer sicherstellen, dass mein Fingerabdruck drauf ist. Eigentlich müsste das ja umgekehrt sein, nur bei mir nicht.
Amy Zayed: Jeder Song auf Ihrem Album erzählt eine Geschichte. In "New Town Velocity" singen Sie: "Ich lief von zu Hause fort, ohne zu wissen, wohin, ich verließ die Schule für die Poesie" - und man nimmt Ihnen das absolut ab!
Johnny Marr: "New Town Velocity" war der letzte Song, den ich für die Platte fertig geschrieben habe. Eigentlich war das Album schon fertig und sollte in zwei Tagen bei der Plattenfirma sein. Und plötzlich wurde ich total verrückt, weil ich das Gefühl hatte, irgendwas fehlt. Irgendwie hatte ich eine Seite von mir noch nicht wirklich abgebildet. Als ich angefangen hatte, die Platte zu machen, wollte ich, dass es eine schnelle Platte wird. Musik, die man morgens bei der Arbeit oder im Auto oder sonstwo hören konnte. Ich war überhaupt nicht daran interessiert, eine Platte zu machen, die man nur bei einem Glas Wein, einem Joint oder nur dann hören konnte, wenn man total deprimiert war! Es ist viel schwieriger Musik zu machen, die fröhlich klingt und trotzdem etwas aussagt. Aber zum Schluss hatte ich das Gefühl, dass doch irgendetwas fehlte. Also habe ich angefangen, an allen Songs noch mal rumzudoktern. Und alles passte mir nicht. Und dann dachte ich mir: Warum schreibst du nicht einfach noch einen neuen Song, der dieses eine Bild, dieses eine Gefühl beschreibt, von dem du denkst, dass es fehlt? Ich hatte nur 48 Stunden, aber ich sagte mir: Nimm Deine Gitarre und spiel doch einfach dieses Gefühl, versuch es umzuwandeln in Melodie. Und das war großartig! Ich wünschte, ich könnte das immer tun!
Amy Zayed: Warum tun Sie es dann nicht?
Johnny Marr: Versuchen Sie das mal! Nein, das Problem ist, ich brauche eine Deadline! Ich wünschte, ich könnte mich hinsetzen und ganz schnell meine Gefühle in Songs übertragen. Aber Musik ist kein Rezept für einen Kuchen. Man kann nicht einfach sagen: Die und die Noten ergeben das oder jenes Gefühl. Man muss es einfach übertragen. Und dazu braucht man ein Bild. Bei "New Town Velocity" war es eine bestimmte Atmosphäre. Ein diesiger Sommermorgen, an dem man aufsteht und das Gefühl hat, alles kann nur gut werden. Wenn man das Gefühl hat, die Welt gehört nur mir und ich kann die Welt verändern. Es fühlt sich an, als hätte man das Leben in den eigenen Händen, so als könne man sein Schicksal ganz allein bestimmen. Und plötzlich hatte ich diesen Tag vor Augen. Den Tag, der mein Leben verändern sollte. Ich war 15 und wartete auf den Schulbus. Ich traf meine Freundin an der Bushaltestelle, wo wir ein bisschen rumknutschten. Dann kam der Bus, und meine Freundin fragte: Willst du nicht einsteigen? Und ich sagte: nein! Ich steige nicht ein. Ich gehe nicht in die Schule! Und sie meinte: Und was sagst du denen dann morgen? Und ich meinte: Ich gehe nie wieder zurück zur Schule! Dann nahm ich sie bei der Hand und wir gingen durch Manchester. Wir sahen die Stadt so, als würden wir sie zum ersten Mal sehen. An diesem Tag dachte ich, alles wird gut. Die Welt ist gut und deine Zukunft wird auch gut, weil du ein guter Mensch bist. Das ist für mich das wahre Gefühl der Freiheit. Meistens bekomme ich diese einzigartige Inspiration durch Musik oder Kunst im Allgemeinen. Dieses Gefühl, wenn man etwas Schönes sieht, und plötzlich bleibt die Zeit stehen. Für mich war es noch schöner, weil ich es mit jemand anderem teilen konnte, mit meiner Freundin, die heute meine Frau ist. Und genau dieses Gefühl wollte ich rüberbringen, und habe es mit dem Song "New Town Velocity" geschafft. Ja, ich lief von zuhause fort, ohne zu wissen wohin, ich verließ die Schule für die Poesie.
Amy Zayed: Vor eineinhalb Jahren haben sich die Stone Roses nach 25 Jahren wieder zusammengetan. In England ist damals eine Art Massenhysterie ausgebrochen. Und viele haben sich gefragt: ob die Smiths nun auch wieder zusammen kommen? Wie reagieren sie auf solche Fragen?
Johnny Marr: Die Situation der Stone Roses ist eine völlig andere als die der Smiths. Die haben ja nur zwei Alben gemacht, also ist da noch eine Menge Material, das einfach noch nicht geschrieben oder abgeschlossen wurde. Ich freue mich sehr für die Stone Roses. Ich habe sie kürzlich auf dem Geburtstag von Mani, dem Bassisten, getroffen, und mir ist aufgefallen, wie sehr die Reunion ihrer Freundschaft gut getan hat. Aber die haben als Kinder, als Schulfreunde zusammen angefangen Musik zu machen. Bei den Smiths ist das total anders. Wir haben fast 80 Songs zusammen geschrieben. Wir haben uns einmal sehr inspiriert, aber irgendwann gingen uns auch einfach die Ideen aus. Außerdem sind wir viel zu sehr auf unsere eigenen Karrieren konzentriert. Mein eigener Kram ist mir einfach wichtiger. Warum sollte ich plötzlich 20 Jahre alten Kram auf Gigs spielen? Das hieße doch nur, alten Kaffee aufwärmen. Ich bin sehr glücklich, dass die Leute unsere Musik mögen, und dass die Smiths ihnen so wichtig sind, aber Morrissey und ich haben einfach zu lange um unsere Solokarrieren gekämpft, als dass wir die Smiths wieder aufleben lassen würden. Ich verstehe, dass viele Leute uns gern wieder zusammen sehen würden, aber unsere Situation ist eine ganz andere, als die der Stone Roses.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.