Der Minister ist weg. Das Buch zu ihm ist da. So kurz kann man das erstaunliche Zusammentreffen des Rücktritts von Karl-Theodor zu Guttenbergs und des fast gleichzeitigen Erscheinens seiner Biografie beschreiben. In aller Eile haben die Autoren versucht, wenigstens noch die Affäre um die Gorch Fock und die heftigen Diskussionen über seine Doktorarbeit aufzugreifen - doch der Rücktritt des Verteidigungsministers, der hat es dann doch nicht mehr in dieses Buch geschafft.
Gleichwohl ist es eine Fundgrube, um das Phänomen Guttenberg zu erklären. Die Autoren Eckart Lohse und Markus Wehner haben den gerade zurückgetretenen Minister über zwei Jahre begleitet - sie sind Hauptstadtkorrespondenten für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Zur Doktorarbeit selbst, die zum Rücktritt Guttenbergs führte, sind nur ein paar dürre Sätze enthalten, das Faktum selbst und die Umstände dieser Arbeit hat man mittlerweile überall ausführlicher gelesen.
Doch die Biografie hat das Zeug, zur Argumentensammlung zu werden, dass es mit der Lichtgestalt Guttenberg dann doch nicht so weit her ist wie viele immer noch hoffen. Lohse und Wehner kommen zu einem bitteren Urteil: Es handele sich bei Deutschlands prominentestem Politiker um einen "begabten Blender, ja einen Betrüger":
"Der Mann hat erst erfolgreich die Universität Bayreuth hinters Licht geführt und anschließend versucht, selbiges mit der deutschen Öffentlichkeit zu tun. Erst als er restlos überführt ist, tritt er mit allerlei Ausweichmanövern den Rückzug an. Einsicht oder gar die von ihm so gern zitierte Demut sehen anders aus. Hier tritt ein Charakterfehler offen zutage."
Gerade bei denjenigen, die bereits am Heiligenschein Guttenbergs polieren, wird dieses Buch als Hetzschrift verstanden werden. Doch die Autoren bringen Belege für ihre Kritik. Und sie zitieren aus einem Briefwechsel. Einem Briefwechsel zwischen Guttenberg und dem von ihm geschassten Staatssekretär Peter Wichert.
Den hatte der junge Verteidigungsminister nach der Kunduz-Affäre im Herbst 2009 kurzerhand gefeuert, den Generalinspekteur der Bundeswehr gleich mit dazu. Tief verletzt schreibt der Staatssekretär an den Minister, triefend freundlich schreibt der zurück. Doch dann kommt heraus, dass es wohl Guttenberg selbst war, der die Medien mit den Anschuldigungen gegen Wichert spickte. Und seine Zeilen lesen sich nicht mehr herzlich, sondern hämisch.
Gerade dieser Briefwechsel lässt die gedrechselte Sprache Guttenbergs nicht als Höflichkeitsritual, sondern als Verschleierung erscheinen. Freundlichst schreibt der Minister:
"Sehr geehrter, lieber Herr Dr. Wichert, offenbar gibt es interessierte Kreise, die mit Setzen von vermeintlichen Zitaten und gezielten Unwahrheiten Unfrieden, ja Zwietracht säen wollen."
Am Ende des Briefes kann sich der geschasste Staatssekretär geradezu umarmt fühlen von seinem Minister:
"Diese Zeilen machen den Artikel nicht ungeschrieben, mir war es gleichwohl ein Bedürfnis, Ihnen diesbezüglich zu schreiben."
Das Buch seziert auch die Methode Guttenberg - von dem Moment an, da er sich 2002 das Direktmandat im Wahlkreis Kulmbach erobert, über die handstreichartige Übernahme des CSU-Bezirksvorsitzes nur fünf Jahre später, bis hin zur rekordverdächtigen Abschaffung der Wehrpflicht als Verteidigungsminister. Diese Methode Guttenberg, so schreiben die Autoren, hat mehrere Zutaten:
"Ein bekannter Name, die Fähigkeit zu begeistern, der Instinkt für entscheidungsreife Situationen und die Kaltblütigkeit, sie mit einem kurzen Kraftakt zu nutzen."
Diese Methode funktionierte nur, weil Guttenberg seine Feldzüge generalstabsmäßig plante - begleitet von Ehefrau, Bild und Bunte. Der Feldzug zeigte Wirkung:
"Nach nicht einmal zwei Jahren hat der bis dahin einmalige Hype um einen deutschen Spitzenpolitiker ein Ausmaß angenommen, das nur noch eingeschränkt kontrollierbar ist. Die Hauptperson in diesem wundersamen Stück aus dem Politiktheater behauptet zwar, die ganze Aufregung um seine Person nicht verstehen zu können und immer nur demütig den Aufgaben eines Ministers nachzugehen. Tatsächlich findet er aber immer wieder einen neuen Dreh, um von sich reden zu machen."
In fünf Kapiteln widmen sich die Autoren dem Bild von einem Mann - wie es von ihm und wie es von den Medien gezeichnet wird. Dazu fügen sie das Bild von einer Frau, denn Ehefrau Stephanie ist unverzichtbarer Teil dieses politischen Paarlaufs. Einen großen Teil des Buches nimmt allerdings die Vergangenheit ein - und die reicht bei der Familie Guttenberg bis ins 12. Jahrhundert.
Am Ende kennt man jede Verästelung derer zu Guttenberg und derer von Eltz mit denen zu Stauffenberg oder von Ribbentrop. Ein Adelsalmanach, der in seiner Detailverliebtheit ermüdet. Doch immer wieder kehrt das Buch zur Doppelbödigkeit zurück, mit der Guttenberg agiert. Egal, ob es um Staatssekretär und Generalinspekteur geht oder um den Kommandanten der Gorch Fock. Immer handelt er schnell, schneidig, mit Risiko.
"Bei all seinen unbestreitbaren und herausragenden Talenten ist Guttenberg ein Politiker, der sein impulsives Naturell nur schwer im Zaum halten kann. Und der, sobald es eng wird, Entscheidungen trifft, die den Regeln des politischen Geschäfts, aber auch jenen eines zivilisierten Umgangs widersprechen."
Dieses Verdikt ist umso problematischer für Guttenberg und seine Partei, da es sich bei den Autoren eben nicht um linke, dauerkritische Autoren handelt, sondern um konservative Journalisten. Allerdings welche mit Beobachtungsgabe und Analysekraft.
Sie erklären auch, warum große Teile des Volkes so sehr an ihm hängen. Viele Menschen hätten sich frustriert von der Politik abgewandt und warteten nun auf einen Retter. Und so habe sich Guttenberg als Erlöser präsentiert, der junge Adlige aus Oberfranken, der mit seiner Frau vom Schloss herabsteigt, dem Volk zuzwinkert und die Botschaft aussendet: Ich bin der, auf den ihr gewartet habt. Selbst als er nach seinem Rücktritt wieder auf sein Schloss zurückkehrte, demonstrierten unten seine Anhänger und wünschten sich ihn zurück. Für Lohse und Wehner ganz folgerichtig:
"Viele Bürger wollen sich das Bild von Guttenberg nicht kaputt machen lassen. Das Bild eines ganz neuen Politikertyps. Ob Guttenberg diesem gerecht werden kann, ist dann beinahe egal - Hauptsache, das Idol bleibt bestehen."
Eckart Lohse/Markus Wehner: "Guttenberg. Biographie". Droemer Verlag, 384 Seiten, 19,99 Euro. ISBN 978-3-426-27554-2
Gleichwohl ist es eine Fundgrube, um das Phänomen Guttenberg zu erklären. Die Autoren Eckart Lohse und Markus Wehner haben den gerade zurückgetretenen Minister über zwei Jahre begleitet - sie sind Hauptstadtkorrespondenten für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Zur Doktorarbeit selbst, die zum Rücktritt Guttenbergs führte, sind nur ein paar dürre Sätze enthalten, das Faktum selbst und die Umstände dieser Arbeit hat man mittlerweile überall ausführlicher gelesen.
Doch die Biografie hat das Zeug, zur Argumentensammlung zu werden, dass es mit der Lichtgestalt Guttenberg dann doch nicht so weit her ist wie viele immer noch hoffen. Lohse und Wehner kommen zu einem bitteren Urteil: Es handele sich bei Deutschlands prominentestem Politiker um einen "begabten Blender, ja einen Betrüger":
"Der Mann hat erst erfolgreich die Universität Bayreuth hinters Licht geführt und anschließend versucht, selbiges mit der deutschen Öffentlichkeit zu tun. Erst als er restlos überführt ist, tritt er mit allerlei Ausweichmanövern den Rückzug an. Einsicht oder gar die von ihm so gern zitierte Demut sehen anders aus. Hier tritt ein Charakterfehler offen zutage."
Gerade bei denjenigen, die bereits am Heiligenschein Guttenbergs polieren, wird dieses Buch als Hetzschrift verstanden werden. Doch die Autoren bringen Belege für ihre Kritik. Und sie zitieren aus einem Briefwechsel. Einem Briefwechsel zwischen Guttenberg und dem von ihm geschassten Staatssekretär Peter Wichert.
Den hatte der junge Verteidigungsminister nach der Kunduz-Affäre im Herbst 2009 kurzerhand gefeuert, den Generalinspekteur der Bundeswehr gleich mit dazu. Tief verletzt schreibt der Staatssekretär an den Minister, triefend freundlich schreibt der zurück. Doch dann kommt heraus, dass es wohl Guttenberg selbst war, der die Medien mit den Anschuldigungen gegen Wichert spickte. Und seine Zeilen lesen sich nicht mehr herzlich, sondern hämisch.
Gerade dieser Briefwechsel lässt die gedrechselte Sprache Guttenbergs nicht als Höflichkeitsritual, sondern als Verschleierung erscheinen. Freundlichst schreibt der Minister:
"Sehr geehrter, lieber Herr Dr. Wichert, offenbar gibt es interessierte Kreise, die mit Setzen von vermeintlichen Zitaten und gezielten Unwahrheiten Unfrieden, ja Zwietracht säen wollen."
Am Ende des Briefes kann sich der geschasste Staatssekretär geradezu umarmt fühlen von seinem Minister:
"Diese Zeilen machen den Artikel nicht ungeschrieben, mir war es gleichwohl ein Bedürfnis, Ihnen diesbezüglich zu schreiben."
Das Buch seziert auch die Methode Guttenberg - von dem Moment an, da er sich 2002 das Direktmandat im Wahlkreis Kulmbach erobert, über die handstreichartige Übernahme des CSU-Bezirksvorsitzes nur fünf Jahre später, bis hin zur rekordverdächtigen Abschaffung der Wehrpflicht als Verteidigungsminister. Diese Methode Guttenberg, so schreiben die Autoren, hat mehrere Zutaten:
"Ein bekannter Name, die Fähigkeit zu begeistern, der Instinkt für entscheidungsreife Situationen und die Kaltblütigkeit, sie mit einem kurzen Kraftakt zu nutzen."
Diese Methode funktionierte nur, weil Guttenberg seine Feldzüge generalstabsmäßig plante - begleitet von Ehefrau, Bild und Bunte. Der Feldzug zeigte Wirkung:
"Nach nicht einmal zwei Jahren hat der bis dahin einmalige Hype um einen deutschen Spitzenpolitiker ein Ausmaß angenommen, das nur noch eingeschränkt kontrollierbar ist. Die Hauptperson in diesem wundersamen Stück aus dem Politiktheater behauptet zwar, die ganze Aufregung um seine Person nicht verstehen zu können und immer nur demütig den Aufgaben eines Ministers nachzugehen. Tatsächlich findet er aber immer wieder einen neuen Dreh, um von sich reden zu machen."
In fünf Kapiteln widmen sich die Autoren dem Bild von einem Mann - wie es von ihm und wie es von den Medien gezeichnet wird. Dazu fügen sie das Bild von einer Frau, denn Ehefrau Stephanie ist unverzichtbarer Teil dieses politischen Paarlaufs. Einen großen Teil des Buches nimmt allerdings die Vergangenheit ein - und die reicht bei der Familie Guttenberg bis ins 12. Jahrhundert.
Am Ende kennt man jede Verästelung derer zu Guttenberg und derer von Eltz mit denen zu Stauffenberg oder von Ribbentrop. Ein Adelsalmanach, der in seiner Detailverliebtheit ermüdet. Doch immer wieder kehrt das Buch zur Doppelbödigkeit zurück, mit der Guttenberg agiert. Egal, ob es um Staatssekretär und Generalinspekteur geht oder um den Kommandanten der Gorch Fock. Immer handelt er schnell, schneidig, mit Risiko.
"Bei all seinen unbestreitbaren und herausragenden Talenten ist Guttenberg ein Politiker, der sein impulsives Naturell nur schwer im Zaum halten kann. Und der, sobald es eng wird, Entscheidungen trifft, die den Regeln des politischen Geschäfts, aber auch jenen eines zivilisierten Umgangs widersprechen."
Dieses Verdikt ist umso problematischer für Guttenberg und seine Partei, da es sich bei den Autoren eben nicht um linke, dauerkritische Autoren handelt, sondern um konservative Journalisten. Allerdings welche mit Beobachtungsgabe und Analysekraft.
Sie erklären auch, warum große Teile des Volkes so sehr an ihm hängen. Viele Menschen hätten sich frustriert von der Politik abgewandt und warteten nun auf einen Retter. Und so habe sich Guttenberg als Erlöser präsentiert, der junge Adlige aus Oberfranken, der mit seiner Frau vom Schloss herabsteigt, dem Volk zuzwinkert und die Botschaft aussendet: Ich bin der, auf den ihr gewartet habt. Selbst als er nach seinem Rücktritt wieder auf sein Schloss zurückkehrte, demonstrierten unten seine Anhänger und wünschten sich ihn zurück. Für Lohse und Wehner ganz folgerichtig:
"Viele Bürger wollen sich das Bild von Guttenberg nicht kaputt machen lassen. Das Bild eines ganz neuen Politikertyps. Ob Guttenberg diesem gerecht werden kann, ist dann beinahe egal - Hauptsache, das Idol bleibt bestehen."
Eckart Lohse/Markus Wehner: "Guttenberg. Biographie". Droemer Verlag, 384 Seiten, 19,99 Euro. ISBN 978-3-426-27554-2