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Mit Polymeren geschützt

Biologie. - Diatomeen sind für die Maßstäbe von Einzellern riesig, die größten messen einen halben Millimeter im Durchmesser. Daher sind die gepanzerten Wasserbewohner dankbare Objekte für das Mikroskop. Regensburger Wissenschaftler haben jetzt entdeckt, wie die Organismen ihren Kieselsäurepanzer aufbauen.

    Ein genauer Blick durchs Elektronenmikroskop enthüllt für Manfred Sumper, Professor am Lehrstuhl für Biochemie I der Universität Regensburg, das Geheimnis der Diatomeenpanzer: "Diese Struktur ist aus hexagonalen Substrukturen aufgebaut, sie ist geradezu aus hexagonalen Strukturen mit immer kleineren Maßstäben zusammengesetzt." Damit gleicht die Feinstruktur eines Diatomeenpanzers einer Bienenwabe, mit der Ausnahme, dass jede Wabenzelle wieder aus kleineren Zellen mit dem gleichen Querschnitt aufgebaut ist. Die Regensburger haben Diatomeen mit bis zu vier Strukturebenen gefunden. Das Phänomen nennt man in der Mathematik "Selbstähnlichkeit". Dieser Aufbau bietet den Diatomeen ein Maximum an Stabilität für die eingesetzte Kieselsäuremenge und ist überdies porös und damit durchlässig für Nährstoffe und Sonnenlicht. Das ist wichtig, weil die Diatomeen Photosynthese betreiben und so als erstes Glied der ozeanischen Nahrungskette fungieren.

    Auf der Suche nach der Ursache für diesen Aufbau stießen die Regensburger Forscher auf Eiweiße, die zur Gruppe der Polyamine gehören. Allerdings wiesen diese organischen Makromoleküle eine Besonderheit in ihrer Struktur auf. Sumper: "Sie bilden eine lineare Kette, deren Glieder aus drei Kohlenstoffatome und einem Stickstoffatom bestehen, die bis zu zwanzigmal aneinandergekoppelt sind. Solche riesigen Polyamid-Strukturen waren in der Natur bisher nicht bekannt. Mittlerweile haben die Regensburger Biochemiker diese Proteine auch gentechnisch hergestellt und in Kieselsäurelösungen ausprobiert. Sie wirken dort ähnlich wie bei Diatomeen. Sie bilden wunderschöne Nanokügelchen aus Siliziumdioxid, die ganz regelmäßige Durchmesser haben. Durch Veränderung der Bedingungen kann man sogar steuern, wie groß die Kügelchen werden sollen. Nach der Vorstellung von Sumper fügen sich zunächst in einer mit Kieselsäure angereicherten wässrigen Lösung Tröpfchen aus Polyaminen ganz zwanglos zu einem hexagonalen Muster zusammen, denn das entspricht einem Zustand minimaler Energie. Bei Diatomeen ist das Reaktionsgebiet allerdings so begrenzt, dass diese Tröpfchen eine einlagige Schicht bilden. An den Grenzflächen der Tröpfchen fällt Kieselsäure aus und das erste Bienenwabenmuster bildet sich. Weil bei dem Prozess auch Polyamine verbraucht werden, schrumpfen die Polyamintröpfchen, werden dabei unstabil und zerlegen sich in wiederum hexagonal angeordnete Muster kleinerer Tröpfchen und so fort - ein rein physikalisch-chemischer Musterbildungsprozess, der möglicherweise auch für technische Anwendungen taugt. Sumper: "Man kann kleine Strukturen herstellen, und dabei denkt man natürlich immer an optische Effekte, wie zum Beispiel Lichtleitung, photonische Kristalle, das sind so die vermuteten Anwendungen solcher kleinen nanostrukturierten Materialien."

    [Quelle: Mathias Schulenburg]