Archiv


Mit Vollgas zum Bachelor

Studierende der Universität Erfurt sehen sich als Trendsetter. Bereits vor drei Jahren verließen die ersten Absolventen von der philosophischen Fakultät nach nur sechs Semestern mit einem Bachelor in der Tasche die Universität. Das schnelle und zielorientierte Lernen ist heute für viele Studienanfänger ein Grund, sich in Erfurt zu immatrikulieren.

Von Susanne Arlt |
    Allein die katholisch-theologische Fakultät hinkt hinterher, weil der Vatikan erst im vergangenen Jahr entschied, dem Bologna-Prozess beizutreten. Wer sich in Erfurt nach dem Bachelor fachlich spezialisieren möchte, absolviert anschließend einen eineinhalbjährigen Magisterstudiengang. Das schnelle, zielorientierte und kontrolliertere Lernen ist für viele junge Menschen ein Grund gewesen, sich an der Universität Erfurt zu immatrikulieren.

    " Ich denke, dass die Dozenten, die hier arbeiten einfach gut sind. Die sind frisch und ambitioniert und die wissen, dass sie Teil eines neuen Programms sind...Ich würde mal sagen, ich als klassischer fauler Student , der gezwungen wird zu bestehen, um das nächste Semester zu machen, habe einfach den Druck im Nacken. Wenn ich weitermachen will, ich mir bitteschön auch den Stoff angucke....Gerade im MA sind wir kleine Seminargrößen, sechs bis acht Studierende und ein Dozent. Und jetzt ist man natürlich auch gefordert, vorher war es so, wenn man eine große Gruppe hatte, dann konnte man sich vor 30 Leuten verstecken. Wenn man sechs bis acht Personen ist, geht das natürlich nicht mehr. "

    Die Universität Erfurt ist eine der wenigen in Deutschland, die alle Fachrichtungen von ihren Studenten bewerten lässt. Nach jeder Lernveranstaltung dürfen die Hochschüler Noten vergeben, erklärt Evaluationsbeauftragte Reinhard Zöllner. Bei einer Werteskala von eins bis fünf liege die durchschnittliche Benotung derzeit bei erfolgreichen 1,8. Vielen Absolventen reicht jedoch der dreijährige akademische Bachelor nicht aus. Nur etwa ein Drittel der Jungakademiker suchen sich nach ihrem Abschluss sofort eine Arbeitsstelle. Die übrigen Studenten absolvieren Auslandspraktika oder steigen sofort in Magisterprogramme ein. Trotzdem habe die Uni Erfurt bereits erreicht, was viele Hochschulen in Deutschland noch vorbereiten würden, sagt Dagmar Demming, Vizepräsidentin der Universität Erfurt. Die Qualität von Lehren und Lernen sei verbessert worden, Studiendauer und Abbrecherquote hätten sich deutlich reduziert und die Forschung und Lehre sei mit den Magisterprogrammen internationalisiert worden. Ein Bachelorstudium bringe grundlagengeschulte Generalisten hervor, so die Vizepräsidentin. Sie erhofft sich vor allem durch die fächerübergreifenden interdisziplinären Veranstaltungen Vorteile für die Studenten.

    " Im Moment mache ich ein Seminar mit einer Literaturwissenschaftlerin, ich selber bin Künstlerin und arbeite mit Sound über das Phänomen Stimme. Und dann wird das Phänomen Stimme eben von ganz verschiedenen Seiten beleuchtet. Und die Studenten haben eben auch die Möglichkeit einmal als ein Essay zu reagieren, aber selber auch künstlerische Konzepte zu entwickeln, die sich mit diesem Phänomen beschäftigen. "

    Staatswissenschaftler und Kunststudenten würden gemeinsam Schlüsselkompetenzen erlernen wie Teamarbeit, Präsentationsfähigkeit und soziale Kompetenzen. Auch bei den Lehramtsstudiengängen geht die Uni Erfurt neue Wege. Wer Lehrer an eine Grund- oder Regelschule werden will, muss zuerst den dreijährigen Bachelor absolvieren. Wer sich dann gegen den Beruf des Lehrers entscheidet, kann mit seinen Fächern direkt in die Berufswelt einsteigen. Und wer den Beruf des Lehrers anstrebt, muss sich drei Semester lang im Magisterstudiengang fachlich spezialisieren. Doch nicht jeder Student in der Lehrerausbildung sieht darin Vorteile.

    "Dann werde ich erst mit dem Beruf Lehrer konfrontiert, bin aber schon im siebten oder achten Semester, und wenn ich dann feststelle, das ist gar nichts für mich, dann habe ich einen Berufsabschluss BA, mit dem ich mir zumindest momentan noch in der derzeitigen Arbeitswelt sehr wenig kaufen kann. "

    Zumindest in einem sind sich Studenten und Dozenten an der Universität Erfurt einig. Als einhellig positiv bewerten sie beim Bachelor die studienbegleitenden Prüfungen. Die Hochschüler müssen am Ende des Studiums keinen mündlichen und schriftlichen Prüfungsmarathon mehr durchmachen. Stattdessen bekommen die Studenten für jedes Seminar Prüfungsnoten, die dann zur Abschlussnote zusammengerechnet werden.