Donnerstag, 28. März 2024

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Mitsch (CDU) gegen Merkel
"Ein personeller Wechsel im Kanzleramt wäre gut"

Viele CDU-Mitglieder erwarteten, dass es noch in dieser Legislatur zu einem Wechsel im Kanzleramt komme, sagte der CDU-Politiker Alexander Mitsch im Dlf. Viele verorteten Angela Merkels Kurs als zu weit links. Der Vorsitzende der "Werteunion" sprach sich für einen "geordneten Rücktritt" Merkels aus.

Alexander Mitsch im Gespräch mit Dirk Müller | 12.03.2019
Baden-Württemberg, Schwetzingen: Alexander Mitsch, Gründungsmitglied der "WerteUnion", steht vor der Jahrestagung des konservativen CDU-Flügels "WerteUnion" am Palais Hirsch.
Alexander Mitsch spricht sich für einen Rücktritt Angela merkels aus (picture-Alliance / dpa / Uwe Anspach)
Dirk Müller: Angela Merkel an der Spitze der Regierung könnte das Problem für die Große Koalition sein. Das findet jedenfalls Alexander Mitsch, Vorsitzender des konservativen und wirtschaftsliberalen Flügels in der CDU und CSU, der Werteunion. Von Beruf ist er Diplomkaufmann, 51 Jahre alt. Er hat jüngst die Debatte wieder eröffnet. Er fordert den Rücktritt der Kanzlerin. Viele in der Union sind jetzt reichlich sauer auf ihn. Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Keine relevanten Politiker, sagt er, würden das so sehen. – Alexander Mitsch ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen!
Alexander Mitsch: Ja, einen schönen guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Ist das relevant, was Sie fordern?
Mitsch: Na ja. Die Bemerkung von Herrn Ziemiak lässt ja zwei Rückschlüsse zu. Auf der einen Seite hat er ja betont, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt, also um ein Jetzt. Zweitens hat er ja auch sehr deutlich gesagt, dass es keine Forderungen diesbezüglich gibt. Er hat damit eigentlich ja auch impliziert, dass es viele gibt, die das erwarten, und das ist tatsächlich auch unsere Wahrnehmung. Man hält sich an der Stelle natürlich noch zurück, aber viele Mitglieder in der CDU, auch deutlich wichtigere Politiker in der CDU erwarten eigentlich, dass während dieser Legislaturperiode ein Wechsel im Kanzleramt noch kommt.
"Diese Partei sehnt sich nach einem Aufbruch"
Müller: Die Gewichtigkeit, die Positionierung von bekannten Politikern, das ist ja immer ein bisschen das Maß, ein bisschen der Barometer. Haben Sie dort in irgendeiner Form namentlich etwas zu bieten, wo wir sagen können, ach so, der sieht das auch so?
Mitsch: Na ja. Es gibt ja zum Beispiel eine Studie der Adenauer-Stiftung, wonach die Mehrheit der Mitglieder der CDU den Kurs von Frau Merkel als zu weit links verortet beziehungsweise weiter links als die eigene Meinung der Mehrheitsmitglieder der CDU ist. Das ist ja schon ein Indiz dafür, dass diese Partei, dass die Parteibasis an sich hier eine Änderung will. Und wenn Sie sich anschauen, was auf dem Bundespartei los war, wenn Sie sich anschauen, was vorher auf den Regionalkonferenzen los war, dann haben Sie gemerkt, dass diese Partei nach einem Aufbruch sich sehnt und nach Veränderung sich sehnt und nach einer Veränderung, die wieder zurückführt zu dem eigentlichen CDU-Profil. Das ist jetzt in der Partei gelungen. Wir haben eine neue Parteivorsitzende. Das hat der CDU sehr, sehr gut getan.
Müller: Da muss ich Sie noch mal rückwirkend fragen. Haben Sie Friedrich Merz gewählt, oder AKK?
Mitsch: Wir haben uns im Vorfeld für Herrn Merz ausgesprochen. Das war eine Entscheidung, die, sagen wir mal, nicht sehr offensiv ausgefallen ist, weil wir gesehen haben, dass eigentlich alle drei Kandidaten sehr gute Ansätze haben, sehr gute Positionen haben. Aber die Präferenzen lagen mehrheitlich bei Herrn Merz.
Müller: Aber AKK ist Ihnen jetzt konservativ genug?
Mitsch: Es ist schon so, dass Frau Kramp-Karrenbauer sehr gute Schritte unternommen hat. Sie hat gezeigt, dass sie die Partei weiterhin einbinden will, wie sie das als Generalsekretärin auch getan hat. Sie hat gezeigt, dass sie die Wünsche der Wirtschaftsliberalen und Konservativen durchaus ernst nimmt. Sie hat hinsichtlich Europa, aber auch vor allen Dingen hinsichtlich des wichtigen Themas der Einwanderung gezeigt, dass sie bereit ist, die ersten vorsichtigen Schritte in Richtung einer Politikwende zu gehen. Und wenn es jetzt noch gelänge, die Anhänger von Herrn Merz einzubinden, indem man auch Herrn Merz einbindet, dann wäre das eigentlich ein tolles Duo, was die CDU sehr erfolgreich führen könnte.
Müller: Ich muss Sie das jetzt fragen. Seit Karneval kommt mir jetzt in den Gedanken, finden Sie sie noch etwas besser?
Mitsch: Entschuldigung!
Müller: Seit Karneval finden Sie Frau Annegret Kramp-Karrenbauer noch etwas besser?
Mitsch: Wenn Sie jetzt auf ihre Büttenrede anspielen, dann muss ich sagen, ich hoffe doch, dass wir an Karneval weiterhin auch Scherze machen können und dass wir keine Karnevalspolizei bekommen, die uns das verleidet. Insofern finde ich, Frau Kramp-Karrenbauer hat das absolut richtig gemacht. Ich fand das klasse.
Müller: Herr Mitsch, ich möchte Sie das noch mal fragen. Gewichtige Politiker – können Sie uns da einige Namen verraten, die im Grunde Sie unterstützen, aber das vielleicht noch nicht so offen artikuliert haben, oder wir haben es nicht mitbekommen?
Mitsch: Ich würde sagen, das fragen Sie die Leute dann selbst. Ich weiß, dass es einige gibt, die sehr wohl jetzt eine Wende wollen, und diese Wende, die wird es auch geben.
Müller: Wir haben gestern gelesen, Tobias Hans, Volker Bouffier, Daniel Günther, Ministerpräsidenten, einflussreiche CDU-Politiker sind alle noch klipp und klar für Angela Merkel. Glauben Sie das?
Mitsch: Ja, das ist ja schön, dass die dafür sind. Wir sind ja eine Partei, in der man auch diskutieren darf, und dass es da Menschen gibt, die die politischen Positionen von Frau Merkel immer schon getragen haben und auch weiterhin tragen, das ist ja absolut in Ordnung.
Müller: Wenn ich Sie jetzt frage, belastet Angela Merkel die Politik der Union nach wie vor, ist das für Sie dann ein eindeutiges Ja?
Mitsch: Es gibt in der Tat sowohl Mitglieder als auch viele Bürger, die der Meinung sind, dass wir einen Politikwechsel brauchen. Für diesen Politikwechsel steht natürlich die Kanzlerin nicht, die in den letzten Jahren die politischen Geschicke sowohl der CDU als auch Deutschlands gelenkt hat. Wir glauben einfach, dass jetzt nach dieser langen Zeit es auch an der Zeit wäre, dass nicht nur ein inhaltlicher Politikwechsel stattfindet, sondern dass das auch mit Personen hinterlegt werden sollte. Frau Kramp-Karrenbauer, Herr Merz, aber auch Herr Spahn – wir haben eine tolle Truppe von Leuten in der CDU, die das könnten, und ich glaube, dass denen jetzt auch etwas mehr Verantwortung gegeben werden muss.
"SPD und Grüne sind keine natürlichen Koalitionspartner der CDU"
Müller: Immerhin hat Angela Merkel ja diese, so schwierige Große Koalition ermöglicht.
Mitsch: In der Tat! Diese Große Koalition ist schwierig. Es ist eine Koalition, die vor der Wahl niemand wollte, die eigentlich auch nicht richtig gewünscht ist nach der Wahl. Ich glaube nicht, dass die Union sich dauerhaft damit zufrieden geben kann, Koalitionspartner der SPD zu sein. Ich glaube, dass SPD und Grüne kein natürlicher Koalitionspartner der CDU sind und dass diese Große Koalition deshalb auch nur eine Notlösung ist, eine Notlösung auf Zeit.
Müller: Aber für die ganze Zeit jetzt, für die ganze Legislaturperiode. – Oder sehen Sie das anders? Wollen Sie jetzt im Grunde da rausgehen, wenn Angela Merkel zurücktreten sollte?
Mitsch: Ich glaube nicht, dass diese Große Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode halten wird. Die SPD hat ja schon verschiedentlich – das haben Sie in dem Beitrag vorher auch richtig gesagt – mit Koalitionsbruch gedroht. Wir als CDU können mit dieser Koalition nicht zufrieden sein. Inhaltlich ist sie sehr stark von der SPD geprägt und letztendlich hat sie die CDU auch einen großen Teil ihres parteipolitischen Profils gekostet. Sie ist auch politisch nicht sehr erfolgreich, wenn man daran denkt, was die Folgen sind. Beispielsweise haben wir in Deutschland die höchste Steuer- und Abgabenlast in Europa, zusammen mit Belgien. Das sind einfach keine Erfolge, die die Große Koalition hier vorzuweisen hat. Ich glaube, dass hier zurecht darüber spekuliert wird, wann diese Große Koalition endet.
Müller: Zumal die SPD auch gesagt hat, falls es zu einem Kanzlerinnenwechsel kommen sollte, Annegret Kramp-Karrenbauer, dann wird das mit uns definitiv nicht gehen. Wollen Sie das provozieren?
Mitsch: Nein! Aber das zeigt ja, dass die SPD diese Diskussion tatsächlich sehr offensiv geführt hat. Am Freitag ging es ja los damit, dass hier scheinbar ohne Grund über einen Wechsel im Kanzleramt spekuliert wurde.
Müller: Da waren Sie vielleicht der Grund. Sie haben ja gesagt, Merkel muss weg.
Mitsch: Nein! Wir waren ja später. Wir kamen danach. Die SPD hat diese Diskussion begonnen. Aber trotzdem bleibt es ja richtig, dass es gut wäre, wenn es jetzt auch einen personellen Wechsel im Kanzleramt gäbe, wenn das sauber vorbereitet wird, wenn Frau Merkel den Weg freimachen würde für eine Politikwende. Ich glaube, dass die CDU dieses Thema geordnet jetzt angehen muss und nicht sich hier von der SPD treiben lassen darf oder überraschen lassen darf, wenn dann beispielsweise nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland im Herbst diesen Jahres auf einmal die SPD panikartig die Koalition verlässt. Die CDU muss hier proaktiv agieren.
Müller: Das wär dann in der Konsequenz die Konstellation dafür, dass es Neuwahlen geben müsste? Denn mit der FDP beispielsweise würde das ja nicht reichen.
Mitsch: Es muss nicht unbedingt Neuwahlen geben. Es gibt ja auch Beispiele aus der Vergangenheit, wo beispielsweise Konrad Adenauer oder Ludwig Erhard oder auch Willy Brandt ohne Neuwahlen das Kanzleramt abgegeben haben. Es sollte schon ein geordneter Wechsel jetzt stattfinden, nicht erst am Ende der Legislaturperiode. Da gibt es unterschiedliche Modelle.
Ich glaube übrigens, dass auch die SPD derzeit eigentlich ein Interesse daran haben müsste, dass die Koalition nicht zerbricht. Das wird sich im Laufe der Zeit möglicherweise noch ändern. Aber derzeit sehe ich durchaus eine Basis, dass man so eine Lösung hinbekommt.
Müller: Herr Mitsch, wir haben nur noch 20 Sekunden. Ich habe das nicht verstanden. Noch einmal die Frage: Keine Neuwahlen, sondern ein Rücktritt aus der Regierung?
Mitsch: Ja, wie die beiden das untereinander regeln, das ist die andere Frage. Es kann durchaus über einen geordneten Rücktritt laufen. Es gibt da mehrere Optionen, wie dann eine Regierung gebildet werden kann danach.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.