Doch die Gründe, derentwegen Ben und Garri vor Wochen das Schulfest in der Turnhalle mit Pistolen gestürmt und, weil der Amoklauf behindert wurde, immerhin einen Jungen zum Krückstock-Krüppel geschossen haben, worauf sich einer der Amokläufer selbst erschoss und der andere von Mitschülern ins Koma geprügelt wurde, die Gründe für das gewalttätige Ausflippen zweier Schüler will keiner wirklich wissen. Weder die Lehrer, die, das die einzige Schwäche dieses sensibel-aggressiven Stückes, nur als naive oder dumm-quälerisch mit den stärkeren Schülern mitlaufende Klischee-Figuren gezeigt werden, noch die Schüler, von denen einige mit ihrem gewalttätigen Mobbing an der Katastrophe mit Schuld sind. Hinter der Glastürenfront erscheinen die beiden "Amokläufer" und versuchen, sich zu erklären:
Regisseur Walter Meierjohann hat den reportageartigen Text, der in filmisch knappen Rückblende-Bildern versucht, Ursachen, Haltungen, Irritationen und Klischees auszustellen, in eine rhythmisch drängende, spannend konzentrierte Inszenierung übersetzt. Der Popsong "Bäng, bäng, he shot me down" durchzieht eine Inszenierung, in der zwei Schauspieler des Rostocker Volkstheater-Ensembles die Rollen einer Mutter und eines Lehrers geben. Alle anderen, vor allem Schüler-Rollen, sind mit jungen Schauspielstudenten des 2.Studienjahres der Rostocker Hochschule für Musik und Theater besetzt.
Die sehr kräftige und direkte, manchmal aggressiv coole, aber auch emotional berührende Darstellung durch die Schauspielstudenten gibt der Inszenierung Authentizität und Lebendigkeit, ohne sich in falsches Abbild- oder Einfühlungstheater zu verlieren. Oft wird die Gestik bewusst übertrieben, und die Figuren sind deutlich typisiert. Vor allem aber fließen die kurzen, prägnanten Dialoge in dieser Inszenierung wunderbar durch die Körper der Darsteller. Ob Aggression oder Angst, Zweifel oder Wut: alles wird bildhaft sinnlich und wirkt nicht nur aufgesagt.
Die Freundin des einen Täters, der sich als drangsaliertes Opfer einer gewalttätigen Clique nur den Ausweg in die Gewalt fand, versucht weitgehend vergeblich, Lehrer und Mitschüler zur Wahrnehmung oder zum Eingeständnis der wahren Ursachen der Ereignisse zu bringen. "Die Zukunft wächst aus der Erinnerung", meint sie, doch die anderen machen weiter mit mobbing Andersdenkender oder -seiender, mit Machoverhalten und Gewalt. Und der Lehrer, der die drangsalierten unter seinen Schülern beim Turnunterricht nie unterstützt, sondern eher auch nur zusätzlich gequält hat, er schwafelt von einer Schule, die wie ein Unternehmen geführt werden müsse, bei dem die Schüler die Produkte seien.
Mit dem Trick, zwei als DJ´s für die Schulfeier kommende Mädchen zu weißbeflügelten Engelchen zu machen, die die Handlung kommentierend und agierend vorantreiben, bekommt die Aufführung einen wunderschön direkten wie zugleich distanzierten Witz. Die Szenen zwischen den Jugendlichen, in denen die Aggression und Ausgrenzung einiger durch eine gewalttätige Clique deutlich wird, besitzen drängenden Schwung.
Wenn zum offenen Schluss sich alle, wahre Täter wie lebendige und tote Täter-Opfer, aber auch Mutter, Lehrer und Schüler, in einem zeitlupenhaft traumverlorenen Tanz finden, ist alles gesagt, aber nichts genau und endgültig erklärt. Für den Zuschauer bleibt so noch genug zu tun. In Rostock ist mit der Uraufführung von "Ich knall Euch ab" ein rundum gelungenes Theaterprojekt zu bewundern.