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Mobbingvorwürfe am Kölner Schauspiel
Intendant Bachmann betont die "respektvolle Atmosphäre"

Ein Klima der Angst herrsche am Schauspielhaus Köln, klagen frühere und aktuelle Ensemble-Mitglieder und Regisseure. Im Zentrum der Kritik steht die Frau des Chefs, Regisseurin und Schauspielerin Melanie Kretschmann. Intendant Stefan Bachmann weist die Vorwürfe zurück und spricht von "Zerrbildern".

Von Dorothea Marcus | 28.05.2018
    Stefan Bachmann, Intendant des Schauspiel Köln, bei der Jahrespressekonferenz des Schauspiels, Mai 2018
    Stefan Bachmann, Intendant des Schauspiel Köln, bei der Jahrespressekonferenz des Schauspiels (dpa / Henning Kaiser)
    "Der Artikel im Spiegel hat uns ziemlich ratlos gemacht. Wir verstehen nicht, worin der Grund liegt, warum wir, warum unsere Arbeit derart beschädigt werden sollen. Warum werden mit viel Aufwand Zerrbilder produziert, die nicht die offene, kreative, respektvolle Arbeitsatmosphäre am Haus wiedergeben."
    Stefan Bachmann ist sichtlich angespannt bei der Pressekonferenz des Kölner Schauspiels, zwischendurch muss er sich hinsetzen. Das Depot 1, die Ausweichspielstätte, ist bis auf den letzten Platz besetzt: Flächendeckend hat sich die lokale und überregionale Presse angekündigt, seitdem von der vermeintlichen Schreckensherrschaft und Schattenintendanz seiner Ehefrau Melanie Kretschmann die Rede ist, von Mobbing und Verleumdungen, von übler Nachrede und toxischem Psychoterror.
    "Man bräuchte ein Korrektiv"
    Über 20 Personen haben sich anonym oder mit Namen geäußert. Stellvertretend soll hier Angela Richter sprechen, einstige Hausregisseurin, deren Name in der letzten Spielzeit überraschend nicht mehr im Spielplan auftauchte.
    "Ich habe mich geäußert, um etwas anzustoßen und zu verändern. Das Statement von Stefan Bachmann weist leider darauf hin, dass das nicht so ist. Und so ist es eben am Kölner Schauspiel auch abgelaufen: Auf konkrete Probleme wurde eben nicht eingegangen. Es bräuchte an so großen Institutionen letztlich ein Korrektiv, eine unabhängige Instanz, in der man als Künstler dieser quasi-feudalen Struktur nicht mehr so ausgeliefert ist."
    Angela Richter ist ein Name von vielen. Tatsächlich ist die Fluktuation seit Beginn der Amtszeit von Bachmann am Schauspiel Köln ungewöhnlich hoch: Zwei Chefdramaturgen, eine Pressesprecherin, zwei Betriebsdirektoren sind gegangen. Allein zur nächsten Spielzeit werden acht Schauspielerinnen das Haus verlassen. Kein Geheimnis ist auch, dass Intendanten-Gattin Melanie Kretschmann stets Hauptrollen spielt und selbst inszenieren darf und auch ihre Schwester Dramaturgin am Haus ist.
    "Noch nie so glücklich wie hier"
    Doch Bachmann hat heute auch die Mitarbeiter seines Hauses versammelt, die laut und langanhaltend Applaus spenden. Immer wieder betont er die langjährige künstlerische Zusammenarbeit mit ihnen: Seine ehemaligen Assistentinnen Charlotte Sprenger und Pinar Karabulut sind nun gefeierte Regisseurinnen und kehren doch immer wieder zurück. Mit Raphael Sanchez arbeitet er seit 1997. Einer seiner Wegbegleiter, der Starschauspieler Bruno Cathomas, lässt sich sogar zu einem persönlichen Statement hinreißen:
    "Ich war noch nie in einem Haus so glücklich wie hier, weil es alles andere ist, als was in der Zeitung steht. Weil es für mich faires und völlig angstloses Arbeiten ermöglicht hat!"
    Was nun wahr ist oder nicht, ist hier eher zweitrangig: Auch an Königshöfen gibt es Günstlinge und jene, die willkürlich von der Gunst abfallen. Ganz gewiss haben Intendanten in Deutschland die künstlerische Freiheit, zu arbeiten, mit wem sie wollen. Und am Schauspiel Köln, das legt die Pressekonferenz glaubwürdig dar, will man in Zukunft mit ganz großen Namen arbeiten - Frank Castorf, Oliver Frljić und Ersan Mondtag sind nur einige von ihnen.
    Steile Hierarchie und immense Machtfülle
    Ganz gewiss auch hat der Vorgang, ein künstlerisch zurzeit nicht eben herausragendes, aber doch grundsolide und erfolgreich arbeitendes Haus in Verruf zu bringen, auch etwas von einer mutwilligen Beschädigung, deren schmutzige Details den allgemeinen Voyeurismus bedienen. Zweifellos steckt im Bild der im Hintergrund intrigierenden Intendantengatten manches fragwürdige und frauenfeindliche Klischee.
    Und doch offenbaren die Vorwürfe ein grundsätzliches, massives Strukturproblem in deutschen Theatern: Ein Intendant vereint auf sich eine immense Machtfülle und kann beschäftigen oder absägen, wen er will. Die Hierarchien sind so steil, wie kaum woanders. Der in Deutschland herrschende Glaube an den Geniekult verhindert, dass gleichberechtigte Kollektive – die vermutlich auch viel frauen- und familienverträglicher wären – als Leitungsteams eingesetzt werden. Insofern ist die Kölner Schmutzwäsche momentan vor allem eins: das Symptom einer schwelenden Stadttheater-Krise.