Gute Voraussetzungen also für milestones. Claude Debussys Sonate für Violoncello und Klavier aus dem Jahr 1915 gewinnt eine geradezu befreiende Modernität.
* Musikbeispiel: Claude Debussy - 2. Satz: Sérénade aus der Sonate für Violoncello und Klavier
Claudio Bohórquez und Markus Groh mit der Serenade aus der Cellosonate von Claude Debussy. Benjamin Brittens Sonate in C op. 65 wird von diesen beiden als eine Folge von scharf pointierten Charakterstücken gedeutet, wobei die Struktur der Musik prägnanter zutage tritt als beim großen Vorbild und Widmungsträger Rostropowitsch. An dem kommt freilich keiner vorbei, der sich mit der großen Sonate C-dur op. 119 von Sergei Prokofiev einläßt. Bohórquez und Groh haben hier einen sehr, sehr weiten Atem. Fast möchte man von gelassenem Überblick reden, von Souveränität. Zugleich sind sie rascher in ihren Reflexen als die verehrten Altvorderen vor mehr als einem halben Jahrhundert. Der Eindruck des scheinbar Mühelosen bekommt dem Werk ausgezeichnet und nimmt dem unleugbaren Ernst viel von der Schwere der 50er Jahre. Ein Ausschnitt aus dem Finale.
* Musikbeispiel: S. Prokofiev - 3. Satz (Ausschnitt) aus der Sonate C-dur für Violoncello und Klavier op.119
Kein Zweifel, dass die Cellosonate von Sergei Prokofiev im Mittelpunkt der neuen CD steht, die der Cellist Claudio Bohórquez und der Pianist Marks Groh jetzt unter dem Titel "modern milestones" bei Berlin Classics veröffentlicht haben.
Das Mandelring Quartett zeichnet mit seiner ersten CD der geplanten Anthologie sämtlicher Streichquartette Schostakowitschs hingegen einen langsamen und konsequenten Prozess nach. Es ist ein Prozess der emotionalen Verdichtung und zugleich der inneren Befreiung. Die CD, die bei audite erschienen ist, umfasst die Streichquartette Nr. 1 C-dur, Nr. 2 A-dur und Nr. 4 D-dur, also ein Werk aus der Vorkriegszeit, jedoch nach der ersten Maßregelung des Komponisten durch die "Prawda", ein Werk aus dem Kriegsjahr 1944 und ein Quartett aus der Zeit nach der zweiten Maßregelung. Natürlich wissen die Mandelrings um die biografischen Zusammenhänge. Aber sie tun das einzige Richtige: sie vertrauen der Musik. Sie spielen Schostakowitsch mit einer Noblesse der Tongebung und einer Delikatesse der harmonischen Beziehungen, als habe sich dieser Komponist in Wahrheit auf der Suche nach der verlorenen Zeit befunden. Und plötzlich atmet diese Musik eine innere Freiheit, gewinnen die Dissonanzen eine klangliche Schönheit, als seien diese Quartette nicht mehr von dieser Welt. Allenfalls ein leiser Grundton von tiefer Trauer zieht sich hindurch.
* Musikbeispiel: D. Schostakowitsch - 3.Satz: Allegro molto aus dem Streichquartett Nr.1 C-dur op. 49
Klingt der dritte Satz aus dem ersten Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch in der Neuaufnahme mit dem Mandelring Quartett noch vergleichsweise verbindlich, so setzt die äußerst differenzierte Tongebung bei den Variationen im Finale des zweiten Streichquartetts jene untergründigen und bedrohlichen Energien frei, die sich überall im späteren œuvre dieses Komponisten finden. Auch hier freilich sorgt die ungewöhnlich sensibel ausgehörte Polyphonie für harmonische Beziehungen, die immer wieder von geradezu archaischer Schönheit sind.
* Musikbeispiel: D. Schostakowitsch - 4. Satz (Ausschnitt) aus dem Streichquartett Nr. 2 a-dur, op. 68
So vollendet das Mandelring das 2. Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch spielt - am eindrucksvollsten gelingt ihm eben doch das vierte Quartett op. 83. Aus der kühneren, drängenden Harmonik entwickelt das Ensemble Klangfarben, die lichter erscheinen als in den Aufnahmen anderer Quartettformationen, reiner und klarer auch, und denen doch nichts an Prägnanz der Aussage, an konsequenter Haltung abgeht. Ein wenig spürt man den historischen Abstand. Aber das hat, wenn die Auseinandersetzung mit Vergangenheit auf einem so hohen instrumentalen und konzeptuellen Niveau erfolgt, durchaus seine Legitimation.
* Musikbeispiel: D. Schostakowitsch: - 3. Satz (Ausschnitt) aus dem Streichquartett Nr. 4 D-dur, op. 83
Das war die neue Platte im Deutschlandfunk. Zum Schluss hörten Sie das Mandelring Quartett mit dem dritten Satz, Allegretto, aus dem vierten Streichquartett D-dur, op. 83 von Dmitri Schostakowitsch. Die CD ist bei audite erschienen. Außerdem ging es heute um neue Aufnahmen mit dem Cellisten Claudio Bohórquez und dem Pianisten Markus Groh, die bei Berlin Classics herausgekommen sind. Am Mikrofon bedankt sich Norbert Ely für Ihre Aufmerksamkeit.
"modern milestones"
Claudio Bohórquez, Violoncello
Markus Groh, Klavier
Label: BERLIN CLASSICS
Labelcode: LC 6203
Bestell-Nr.: CD 0017832BC
"Shostakovich - Complete String Quartets Vol I."
Mandelring Quartett
Label: audite
Labelcode: 04480
Bestell-Nr.: 95.526