Gabriel Orozco verwirrt unser Auge. Gleich im ersten Raum der Ausstellung steht dieser zusammengefaltete Citroën DS: Das mächtige, schaukelnde Straßenschiff, Signet eines protzenden, gutgepolsterten französischen Oberklassen-Lebensgefühls der 60er-, 70er- Jahre, ist so auseinandergesägt und wieder zusammengesetzt worden, dass auf jeder Sitzbank nur noch ein (dünner) Mensch Platz findet – eine Art Citroën-Kabinenroller, die Luxuskarosse im Zerrspiegel, geschrumpft auf eine Schmalspur-Version – der Mercedes für Arme.
Gleich daneben eine Skulptur aus vier Fahrrädern, die an Sattelstangen und Lenker ineinander geschweißt sind zu einem Quartett siamesischer Zwillinge, eine Eschersche Fahrrad-Treppe ins Nirgendwo. Später gibt es noch (an den Sohlen miteinander verklebte) Zwillingsschuhe.
Was passiert hier? Gabriel Orozco, mexikanischer Künstler mit Nebenwohnsitzen in Paris und New York, mittlerweile weltweit erfolgreich, wird unter dem Label des Nomaden vermarktet, der einsam durch die Welt streunt und die globalisierte Entfremdung in Foto und Skulptur bannt. Bei näherem Hinsehen bedient er sich aber der durchaus gängigen Techniken von Surrealismus und Konzeptkunst. Was er macht, macht er allerdings gut, und beeindruckend ist die Fülle an Ausdrucksmöglichkeiten, die er beherrscht.
Natürlich ist Orozcos Fotografie eines teilweise feucht beschlagenen Klavierflügels ein Bild der Vergänglichkeit: Jemand muss ihn angehaucht haben, und der kondensierte Odem wird wieder verfliegen. Ob das aber eine Metapher für das flüchtige Lebensgefühl der Globalisierung ist, wie eilige (und im Bedarfsfall ebenfalls flüchtige) Interpreten behaupten, sei dahingestellt. Orozco hat jedenfalls einen Blick für das Skurrile und Absurde, das bisweilen sozial aussagekräftig ist: der verschrumpelte Fußball, der zum Regenfänger wird, Spielzeugautos, die zu einem gigantischen Verkehrsstau arrangiert sind, dazwischen Fingerkuppen aus Knetmasse – solche Fotografien weisen durchaus auf Armut, Überbevölkerung und Ausgeliefertsein hin, aber eben sehr zart.
Orozco scheint mehr seine eigenen, sehr privaten Obsessionen zu verarbeiten. Im Zentrum der Ausstellung steht nämlich ein weitflächiger Tisch, auf dem verschiedenste Fundstücke und bearbeitete Materialien wie ein persönliches planetarisches System angeordnet sind: Tierknochen, Verpackungsstoffe, Autoteile, wieder ein Fußball, Lebensmittelattrappen, Zahnräder, eine Schreibtischlampe, die mexikanischen Nationalfarben auf Pappe. Eine Art Lebenslauf. Natürlich kann man von Marcel Duchamp bis Daniel Spoerri die Referenzen bemühen. Wichtig ist aber, dass diese 1991 begonnene Objektsammlung den Ausgangspunkt für viele weitere Arbeiten bildet.
Die eine Richtung in Orozcos Werk weist in die morbide Komik. Dafür steht etwa, ebenso wie der verschmälerte Citroën, eine muffig riechende Aufzug-Kabine; innen wie eine Grabkammer, der Normalgroße stößt sich den Kopf, und an der Bedienungs-Armatur sieht man, dass der Fahrstuhl nur vom ersten bis zu zum wiederum ersten Stock fährt, kein Witz. Außen ist das Ganze eine korrodierte Stahlwand, die einst durch den Schacht schwebte und nun skulptural stille steht.
Die zweite Tendenz in Orozcos Werk ist das Dekadent-Biomorphe. Ständig werden organische, tierische, menschliche Formen beschworen – zum Beispiel eine Kreuzung aus Arm und Wirbelsäule mit integrierter Ohrmuschel, darauf eine Kugel, darunter zarter Verbandsmull. Das wirkt wie Giacometti in der surrealen Phase. Aber auch die Starfighter-artig von der Decke hängende Schaumstoff-Vögel, die sich gleich wie Geier auf uns stürzen werden, sind ideelle Biomasse.
Wenig überzeugend sind Orozcos Arbeiten, die vorhandenes Bildmaterial (vor allem aus dem Sport) mit geometrischen Formen kommentieren, oder seine dekorativen japanoiden Blattgoldmalereien. Der Kurator Bernhard Mendes-Bürgi hat den Parcours allerdings wunderbar inszeniert. Er stellt Orozcos modrigen Riesenpilz, aus dem uns 1000 Augen vorwurfsvoll anblicken, prominent in eine Sichtachse. Dahinter, in einem kahlen weißen Raum, hat Orozco Wäscheleinen gespannt, an denen einige wenige graue Hemdfetzen hängen, Existenzflusen, fast schon zerfallen und verwest. Ein Bühnenbild, eine Leichenhalle. Gabriel Orozco stellt uns keine guten Prognosen.
Infos:
Kunstmuseum Basel
Gleich daneben eine Skulptur aus vier Fahrrädern, die an Sattelstangen und Lenker ineinander geschweißt sind zu einem Quartett siamesischer Zwillinge, eine Eschersche Fahrrad-Treppe ins Nirgendwo. Später gibt es noch (an den Sohlen miteinander verklebte) Zwillingsschuhe.
Was passiert hier? Gabriel Orozco, mexikanischer Künstler mit Nebenwohnsitzen in Paris und New York, mittlerweile weltweit erfolgreich, wird unter dem Label des Nomaden vermarktet, der einsam durch die Welt streunt und die globalisierte Entfremdung in Foto und Skulptur bannt. Bei näherem Hinsehen bedient er sich aber der durchaus gängigen Techniken von Surrealismus und Konzeptkunst. Was er macht, macht er allerdings gut, und beeindruckend ist die Fülle an Ausdrucksmöglichkeiten, die er beherrscht.
Natürlich ist Orozcos Fotografie eines teilweise feucht beschlagenen Klavierflügels ein Bild der Vergänglichkeit: Jemand muss ihn angehaucht haben, und der kondensierte Odem wird wieder verfliegen. Ob das aber eine Metapher für das flüchtige Lebensgefühl der Globalisierung ist, wie eilige (und im Bedarfsfall ebenfalls flüchtige) Interpreten behaupten, sei dahingestellt. Orozco hat jedenfalls einen Blick für das Skurrile und Absurde, das bisweilen sozial aussagekräftig ist: der verschrumpelte Fußball, der zum Regenfänger wird, Spielzeugautos, die zu einem gigantischen Verkehrsstau arrangiert sind, dazwischen Fingerkuppen aus Knetmasse – solche Fotografien weisen durchaus auf Armut, Überbevölkerung und Ausgeliefertsein hin, aber eben sehr zart.
Orozco scheint mehr seine eigenen, sehr privaten Obsessionen zu verarbeiten. Im Zentrum der Ausstellung steht nämlich ein weitflächiger Tisch, auf dem verschiedenste Fundstücke und bearbeitete Materialien wie ein persönliches planetarisches System angeordnet sind: Tierknochen, Verpackungsstoffe, Autoteile, wieder ein Fußball, Lebensmittelattrappen, Zahnräder, eine Schreibtischlampe, die mexikanischen Nationalfarben auf Pappe. Eine Art Lebenslauf. Natürlich kann man von Marcel Duchamp bis Daniel Spoerri die Referenzen bemühen. Wichtig ist aber, dass diese 1991 begonnene Objektsammlung den Ausgangspunkt für viele weitere Arbeiten bildet.
Die eine Richtung in Orozcos Werk weist in die morbide Komik. Dafür steht etwa, ebenso wie der verschmälerte Citroën, eine muffig riechende Aufzug-Kabine; innen wie eine Grabkammer, der Normalgroße stößt sich den Kopf, und an der Bedienungs-Armatur sieht man, dass der Fahrstuhl nur vom ersten bis zu zum wiederum ersten Stock fährt, kein Witz. Außen ist das Ganze eine korrodierte Stahlwand, die einst durch den Schacht schwebte und nun skulptural stille steht.
Die zweite Tendenz in Orozcos Werk ist das Dekadent-Biomorphe. Ständig werden organische, tierische, menschliche Formen beschworen – zum Beispiel eine Kreuzung aus Arm und Wirbelsäule mit integrierter Ohrmuschel, darauf eine Kugel, darunter zarter Verbandsmull. Das wirkt wie Giacometti in der surrealen Phase. Aber auch die Starfighter-artig von der Decke hängende Schaumstoff-Vögel, die sich gleich wie Geier auf uns stürzen werden, sind ideelle Biomasse.
Wenig überzeugend sind Orozcos Arbeiten, die vorhandenes Bildmaterial (vor allem aus dem Sport) mit geometrischen Formen kommentieren, oder seine dekorativen japanoiden Blattgoldmalereien. Der Kurator Bernhard Mendes-Bürgi hat den Parcours allerdings wunderbar inszeniert. Er stellt Orozcos modrigen Riesenpilz, aus dem uns 1000 Augen vorwurfsvoll anblicken, prominent in eine Sichtachse. Dahinter, in einem kahlen weißen Raum, hat Orozco Wäscheleinen gespannt, an denen einige wenige graue Hemdfetzen hängen, Existenzflusen, fast schon zerfallen und verwest. Ein Bühnenbild, eine Leichenhalle. Gabriel Orozco stellt uns keine guten Prognosen.
Infos:
Kunstmuseum Basel