" Die Hitze kroch die Straßen lang. "
Der Sommer stieg so heiß vom Asphalt herauf, dass man meinte, man würde knöcheltief im Schwarz versinken, wenn man versuchen würde, die Straße zu überqueren.
" Es war der Sommer, den Beckenbauer uns geschenkt hatte. Jener Sommer der größer war als alle anderen. "
Die Damen trugen stolz ihre knappsten Kleider, obwohl uns Italien den Sieg aber nicht den Stolz genommen hatte.
" Jubel und Flaggen allenthalben. "
Keiner wollte da von Morden und Töten und Kriegen und Bestechungen hören.
Doch dafür gibt's die Krimikolumne!
" Denn es war der Sommer in dem - abgesehen von Kinky Friedman - alle Säulenheiligen der Krimikolumne neue Bücher geschrieben hatten. Es gab einen neuen Steinfest, einen neuen Padura, die Verlage schenken uns die alljährliche Modesty Blaise und sogar einen neuen Roman vom lange hier nicht mehr gelobten Michel Dibdin. "
Allein es war fast zu heiß, all das zu lesen.
" Dafür allerdings halten wir uns einen Krimi-Rezensenten. Soll der sich doch durch all seine Lieblingsbücher quälen in dieser Hitze. "
Aber noch schlimmer als ein Buch zu lesen, wäre es in diesem Sommer, ein dickes Fell zu haben.
"Ein dickes Fell" heißt der neueste Kriminalroman von Heinrich Steinfest, erschienen als noch viel dickeres Piper-Taschenbuch. Es ist das Buch in dem sich die schönsten Sätze dieses Sommer finden: "
Zum Beispiel?
Bitte ein Zitat:
" "Gedanken sind natürlich das, was allgemein von Insekten behauptet wird: lästig"
Danke! Ein schöner Satz.
... behauptet unser lästiger Rezensent. Steinfest ist derjenige unter den deutschen Autoren, seiner Neigung zu überbordenden Absurditäten am ehesten entgegenkommt. Eine Art Lawrence Sterne des Krimis. Ein an Thomas Pynchons Einfallsreichtum zu messender Entwurf einer wilden literarischen Welt. Es fängt an mit dem Personal des Romans:
" Als Detektiv: Cheng, ein einarmiger Chinesen mit Wiener Seele. "
Als Sympathieträgerin: Gemini, eine gutmütige Auftragskillerinnen, die immer ihr geistig behindertes Kind zur Arbeit mitnimmt.
" Ferner: Kleine graue Götter im Stadtarchiv "
und moderne Komponisten, die sich im Raum-Zeit-Diskontinuum verirrt haben.
Unser Rezensent ist hingerissen.
Ich habe im Raum-Zeit-Diskontinuum die Zukunft des Krimis gelesen ... ihr Name ist Steinfest.
" 600 prall gefüllte Seiten mit derart barock, verrückten Handlungsstrang-Verknotungen wie in Steinfests "Dickem Fell" hat man lange nicht gelesen. Allein 133 Seiten, also durchaus die Länge eines kleinen Krimis, braucht es, bis Markus Cheng, der einarmige Detektiv überhaupt in Erscheinung tritt. "
Bis dahin wurde so elegant gemordet wie lange nicht mehr und vor allem: raffiniert geschrieben. Zwar erwischt man sich hin und wieder bei dem Gedanken, ob der Roman nicht wirklich ein bisschen zu dick und opulent geraten ist.
" Dann aber ist man von jeder einzelnen Wendung so hingerissen, dass man keinen einzigen Satz, keine einzige Verirrung der Geschichte missen möchte. "
Ein Krimi für die Ewigkeit der Literatur. Ein Krimi, der auch noch in 100 Jahren als großer pikaresker Roman bestand haben wird:
" Ein Krimi, der - jetzt mitten im Sommer - schon die Zukunft vorhersehen kann. Heißt es doch auf Seite 100: "
"Der Sommer, der sich in diesem Jahr wie eine getrocknete Frucht gehalten hatte und dieses ganze Europa in eine schwitzende, stöhnende, sich selbst permanent in Wetterdiskussionen und Wetterklagen verstrickende Land- und Menschenmasse verwandelt hatte, dieser Sommer also mit seinem Flair des Ewigen war nun vorüber. Die Menschen taten, als sei das ein Wunder ..."
Ein wirkliches Wunder hingegen ist der Krimi dieses allzu großen Sommers: Heinrich Steinfests ""Ein dickes Fell",
... in dem sich - lassen sie sich von der Inhaltsangabe bitte nicht abhalten! - ein wilder Haufen von Menschen auf die Jagd nach dem geheimen Originalrezept von 4711 macht. Es soll Steine zum Leben erwecken, weshalb folgerichtig bei der Jagd zahllose Menschen sterben müssen.
" Leider hat Heinrich Steinfest angekündigt, das dieser dritte der letzte Roman mit dem köstlichen Detektiv Markus Cheng sein wird. "
Das einzige was ihn von dieser Freveltat abhalten kann, ist wahrscheinlich ein unerwartet großer Publikumserfolg!
" Und deshalb liebe Radiogemeinde kaufen sie nicht eines, sondern zwei, drei oder sieben Exemplare von Heinrich Steinfests Opus Magnum "Ein dickes Fell" erschienen für günstige 15 Euro als Taschenbuch bei Piper. "
" Wir bleiben in der Hitze. Diesmal brütet sie über Havanna. "
Havanna im Krimi, das heißt Leonardo Padura, der mit seinem Kommissar Mario Conde so etwas wie den "Ein Mann Buena Vista Social Club" der Literatur geschaffen hat: Conde ist ein zutiefst menschlicher Charakter, der gleichermaßen in der sozialen Wirklichkeit Kubas verwurzelt ist, wie er ständig nach den höheren Weihen der Kunst und Literatur schielt.
" Mit dem letztes Jahr abgeschlossenen, im Unionsverlag erschienenen "Havanna-Quartett" hatte Padura einen Meilenstein der Krimiliteratur geschaffen. Am Ende der vier Bände quittierte Mario Conde seinen Polizeidienst. Er beschloss, stattdessen Schriftsteller zu werden und man musste befürchten, dass er nie mehr auf die Krimi-Bühne zurückkehren würde. "
Die Angst war unbegründet.
... weiß unser Rezensent jetzt glücklich zu vermelden: "Adios Hemingway" heißt der fünfte Krimi um Mario Conde, der wiederum im Unionsverlag erschienen ist.
" "Adios Hemingway" ist leider - wie der Titel schon befürchten lässt - erst in zweiter Linie ein Krimi. Zunächst einmal ist es eine Auseinandersetzung mit dem übermächtigen Macho-Erzähler Ernest Hemingway, der seine letzten Jahre bekanntermaßen auf einer kubanischen Finca verbrachte. Zumeist volltrunken und zunehmend unter Verfolgungswahn leidend. "
Paduras Gedankenspiel geht so: Im Garten der Finca Vigia, Hemingways herrschaftlicher Villa auf Cuba wird 40 Jahre nach dem Tod des Nobelpreisträgers eine Leiche gefunden. Erschossen! -
" Das ist - soweit wir wissen - eine poetische Erfindung. Mario Conte wird aus seiner Schriftstelleridylle gerissen, um in diesem Fall zu ermitteln. "
" Wahr ist indessen, dass Hemingway im Krieg als Spion für den FBI arbeitete, nach dem Krieg aber zusehends vom FBI Hemingway überwacht wurde und unter Verfolgungswahn litt. "
Der allerdings durchaus berechtigt war: Noch als sich Hemingway wenige Monate vor seinem Selbstmord wegen schwerer Depressionen in eine Klinik begab und sich dort unter falschem Namen anmeldete, folgte ihm ein Spezialagent des FBI auf dem Fuße und meldete es nach Washington. Soweit die Wahrheit.
" Die 124 Seiten der Hemingway-Akte wurden bereits in den achtziger Jahren veröffentlicht. Allerdings werden 15 Seiten aus Gründen der nationalen Sicherheit weiter geheim gehalten. "
Das Schwarz des Zensors ist eine Lücke in der wahren Welt und deshalb ein das Aphrodisiakum der Poesie: In den 15 fehlenden Seiten des FBI-Berichtes siedelt Padura seinen neuen Krimi an. In "Adios Hemingway" wird viel über den Nobelpreisträger philosophiert, und manches interessante Detail aus seiner kubanischen Zeit erzählt. Sofort bekam unser Rezensent Lust, den aus der Mode geratenen Kraftschriftsteller Hemingway erneut aus dem Regal zu nehmen.
" Ein durchaus positiver Effekt, "
na ja, so gut ist Hemingway trotzdem immer noch nicht
" Ein positiver Effekt unter dem die aktuelle Krimihandlung leider etwas leiden muss. "Adios Hemingway" ist bei weitem nicht mit der poetischen Intensität der anderen Padura-Bücher zu vergleichen. "
Für uns Padura-Süchtige trotzdem ein Labsal.
... behauptet unser Rezensent über "Adios Hemingway" von Leonardo Padura, erschienen im Unionsverlag.
" Aber ein wenig enttäuschte Liebe schwingt in diesen Worten mit. "
" Weit weniger der Poesie und der Vergangenheit zugewandt ist da Michael Dibdin, der dunkle Bruder der Donna Leon. Wie seine amerikanische Kollegin hat der in Schottland geborene Michael Dibdin mit seinem Helden Aurelio Zen einen italienischen Kommissar erschaffen, der seit nunmehr seit fast 20 Jahren in Italien ermittelt. Aber anders als der mittlerweile in seinen liebenswerten Manierismen und seiner allzu liebenswerten Familie fast erstickte Commissario Brunetti entwickelt Dibdin seinen Kommissar Aurelio Zen immer weiter. "
Im Dibdins neuestem Fall dem mittlerweile zehntem Aurelio Zen Krimi "Tod auf der Piazza", erschienen als Taschenbuch bei Goldmann, hat es den Kommissar, der sich schon im unverdienten, den italienischen Verhältnissen geschuldeten Ruhestand sah, nach Bologna verschlagen.
" Anders als Comissario Brunetti hat Zen keine allerliebste Familie. Zwar hat ihn in den letzten Romanen die göttliche Gemma aus den Fängen seiner übermächtigen Mutter erlöst, aber auch mit Gemma wechselt mittlerweile mit Zen kaum mehr ein Wort. "
Ähnlich wie bei Donna Leon siedelt auch Dibdin seine Fälle gern mitten in der korrupten italienischen Gesellschaft an. Diesmal ist - was für ein historischer Zufall - der skrupellose Eigentümer des Fußballclubs von Bologna ermordet worden.
" Kurz darauf ... und auch das ist ein Witz, den unsere liebe Donna nie wagen würde ... wird der weltbekannte Semiotikprofessor Edgardo Ugo, der höchst vergnüglich natürlich Umberto Eco vergegenwärtigen soll .... mit der gleichen Waffe erschossen. "
Darf ich schon mal schnell ein Resümee ziehen?
Bitte, Herr Rezensent, dafür werden sie bezahlt:
Michel Dibdins Bücher verhalten sich zu denen der Donna Leon wie das Spiel der italienischen Fußball Nationalmannschaft zu dem der amerikanischen.
Wie meinen?
" Bei der WM ging das Duell Italien USA 1:1 zwar aus. Trotzdem ist Dibdin 3:0 mal fieser 11:0 mal besser und 7:0 mal witziger ist als Donna Leon. Aber die Deutschen mögen ihn nicht. "
Die Parole lautet: Den neuen Donna Leon boykottieren. Stattdessen alle 10 Aurelio Zen Romane von Michael Dibdin noch einmal lesen.
" Und sonst? Nichts Neues von Kinky Friedman oder Modesty Blaise? "
Kinky, das weiß ich, bereitet sich auf die Gouverneurswahl in Texas vor.
Zur Zeit reist Kinky Friedman auf einer Welle der Sympathie von Pizzashop zu Pizzashop um durch ganz Texas, um Stimmen für seine Kandidatur zu sammeln. Leider hat er deshalb zwischenzeitlich seinen Beruf als Autor an den Nagel gehängt. Mit dem Wahlslogan: "May the God of Your Choice Bless You!".
" Möge der Gott deinen Wahl dich segnen! "
... und dem ihm eigenen herben Charme hat er trotzdem das Wahlvolk hinter sich versammelt. Am Anfang als politischer Clown verschrien, traute ihm niemand zu, die für eine Kandidatur nötigen 45.540 Stimmen zu erreichen. Inzwischen besitzt er die Unterschriften von 170.245 Supportern,. Er wird von Berühmtheiten wie Willie Nelson unterstützt und in Umfragen wichtiger Zeitungen wie der "Washington Post" werden Kinky inzwischen echte Chancen auf den Sieg im November zugetraut.
Eine wahre Geschichte, eine schöne Geschichte, so was gibt es sonst nur in Bayern!
" Alles über den Wahlkampf von Kinky inklusive Blog und "Wanted Kinky Friedman"-T-Shirt-Verkauf unter: www.kinkyfriedman.com. "
Die schöne, starke Modesty Blaise, hingegen ist - nicht zuletzt durch die hündische Hingabe, die ihr unser Rezensent angedeihen lässt - neuerdings wieder zu einer festen Größe auf dem deutschen Krimimarkt geworden. Mit "Der Xanadu-Talisman" ist gerade der vierte Modesty Blaise-Krimi von Peter O'Donnell im Unionsverlag neu veröffentlicht worden. Diesmal verschlägt es die wunderhübsche, bärenstarke Modesty mit ihrem Gefährten Willie Garvin nach Marokko.
" Unseren Rezensenten müssen wir zu "Der Xanadu-Talisman" gar nicht erst befragen. der ist Modesty völlig verfallen. Wir zitieren seinen ewig gültigen Satz aus dem Klappentext, der hier in der Krimikolumne zuerst fiel: : "
"Es gibt niemanden, der nicht sein Haus und seinen Hof, sein Boot und seinen Rentenanspruch für ein Leben in Gefahr an Modestys Seite eintauschen würde."
Dem ist nichts hinzuzufügen.
In der Tat nicht.
" Kein Rezensent kann tiefer fallen. "
Aber unserer ist ja auch noch stolz darauf.
" Verliebt ist er, sonst nix. "
Vielleicht sollte man doch auf übergeordnete Jurys vertrauen: die "Krimiwelt-Jury" von arte empfahl in den letzten Monaten "Im Sommer der Mörder", erschienen im Scherz-Verlag, den zweiten Krimi des Shootingstars der deutschen Krimi-Szene Oliver Bottini.
" Oliver Bottini hat mit Louise Boni eine wunderbar fragile Kommissarin erschaffen. "Im Sommer der Mörder" kommt Louise gerade von einer Entziehungskur zurück, nur um mit ansehen zu müssen, wie sich aus einem einfachen Brand eines Holzschuppens eine internationale Affäre um Waffenschmuggler entwickelt. Und Louise ganz ohne Alkohol mittendrin in einem internationalen Komplott. "
Die jeden Monat erscheinende Krimiwelt-Bestenliste hängt in jeder guten Buchhandlung aus oder ist zu finden unter: http://www.arte-tv.com/krimiwelt. Aus Rezensentenkreisen munkelt man, im August würde dort Leonardo Padura auf dem ersten Platz stehen.
Von mir wisst ihr das nicht!
Der Sommer stieg so heiß vom Asphalt herauf, dass man meinte, man würde knöcheltief im Schwarz versinken, wenn man versuchen würde, die Straße zu überqueren.
" Es war der Sommer, den Beckenbauer uns geschenkt hatte. Jener Sommer der größer war als alle anderen. "
Die Damen trugen stolz ihre knappsten Kleider, obwohl uns Italien den Sieg aber nicht den Stolz genommen hatte.
" Jubel und Flaggen allenthalben. "
Keiner wollte da von Morden und Töten und Kriegen und Bestechungen hören.
Doch dafür gibt's die Krimikolumne!
" Denn es war der Sommer in dem - abgesehen von Kinky Friedman - alle Säulenheiligen der Krimikolumne neue Bücher geschrieben hatten. Es gab einen neuen Steinfest, einen neuen Padura, die Verlage schenken uns die alljährliche Modesty Blaise und sogar einen neuen Roman vom lange hier nicht mehr gelobten Michel Dibdin. "
Allein es war fast zu heiß, all das zu lesen.
" Dafür allerdings halten wir uns einen Krimi-Rezensenten. Soll der sich doch durch all seine Lieblingsbücher quälen in dieser Hitze. "
Aber noch schlimmer als ein Buch zu lesen, wäre es in diesem Sommer, ein dickes Fell zu haben.
"Ein dickes Fell" heißt der neueste Kriminalroman von Heinrich Steinfest, erschienen als noch viel dickeres Piper-Taschenbuch. Es ist das Buch in dem sich die schönsten Sätze dieses Sommer finden: "
Zum Beispiel?
Bitte ein Zitat:
" "Gedanken sind natürlich das, was allgemein von Insekten behauptet wird: lästig"
Danke! Ein schöner Satz.
... behauptet unser lästiger Rezensent. Steinfest ist derjenige unter den deutschen Autoren, seiner Neigung zu überbordenden Absurditäten am ehesten entgegenkommt. Eine Art Lawrence Sterne des Krimis. Ein an Thomas Pynchons Einfallsreichtum zu messender Entwurf einer wilden literarischen Welt. Es fängt an mit dem Personal des Romans:
" Als Detektiv: Cheng, ein einarmiger Chinesen mit Wiener Seele. "
Als Sympathieträgerin: Gemini, eine gutmütige Auftragskillerinnen, die immer ihr geistig behindertes Kind zur Arbeit mitnimmt.
" Ferner: Kleine graue Götter im Stadtarchiv "
und moderne Komponisten, die sich im Raum-Zeit-Diskontinuum verirrt haben.
Unser Rezensent ist hingerissen.
Ich habe im Raum-Zeit-Diskontinuum die Zukunft des Krimis gelesen ... ihr Name ist Steinfest.
" 600 prall gefüllte Seiten mit derart barock, verrückten Handlungsstrang-Verknotungen wie in Steinfests "Dickem Fell" hat man lange nicht gelesen. Allein 133 Seiten, also durchaus die Länge eines kleinen Krimis, braucht es, bis Markus Cheng, der einarmige Detektiv überhaupt in Erscheinung tritt. "
Bis dahin wurde so elegant gemordet wie lange nicht mehr und vor allem: raffiniert geschrieben. Zwar erwischt man sich hin und wieder bei dem Gedanken, ob der Roman nicht wirklich ein bisschen zu dick und opulent geraten ist.
" Dann aber ist man von jeder einzelnen Wendung so hingerissen, dass man keinen einzigen Satz, keine einzige Verirrung der Geschichte missen möchte. "
Ein Krimi für die Ewigkeit der Literatur. Ein Krimi, der auch noch in 100 Jahren als großer pikaresker Roman bestand haben wird:
" Ein Krimi, der - jetzt mitten im Sommer - schon die Zukunft vorhersehen kann. Heißt es doch auf Seite 100: "
"Der Sommer, der sich in diesem Jahr wie eine getrocknete Frucht gehalten hatte und dieses ganze Europa in eine schwitzende, stöhnende, sich selbst permanent in Wetterdiskussionen und Wetterklagen verstrickende Land- und Menschenmasse verwandelt hatte, dieser Sommer also mit seinem Flair des Ewigen war nun vorüber. Die Menschen taten, als sei das ein Wunder ..."
Ein wirkliches Wunder hingegen ist der Krimi dieses allzu großen Sommers: Heinrich Steinfests ""Ein dickes Fell",
... in dem sich - lassen sie sich von der Inhaltsangabe bitte nicht abhalten! - ein wilder Haufen von Menschen auf die Jagd nach dem geheimen Originalrezept von 4711 macht. Es soll Steine zum Leben erwecken, weshalb folgerichtig bei der Jagd zahllose Menschen sterben müssen.
" Leider hat Heinrich Steinfest angekündigt, das dieser dritte der letzte Roman mit dem köstlichen Detektiv Markus Cheng sein wird. "
Das einzige was ihn von dieser Freveltat abhalten kann, ist wahrscheinlich ein unerwartet großer Publikumserfolg!
" Und deshalb liebe Radiogemeinde kaufen sie nicht eines, sondern zwei, drei oder sieben Exemplare von Heinrich Steinfests Opus Magnum "Ein dickes Fell" erschienen für günstige 15 Euro als Taschenbuch bei Piper. "
" Wir bleiben in der Hitze. Diesmal brütet sie über Havanna. "
Havanna im Krimi, das heißt Leonardo Padura, der mit seinem Kommissar Mario Conde so etwas wie den "Ein Mann Buena Vista Social Club" der Literatur geschaffen hat: Conde ist ein zutiefst menschlicher Charakter, der gleichermaßen in der sozialen Wirklichkeit Kubas verwurzelt ist, wie er ständig nach den höheren Weihen der Kunst und Literatur schielt.
" Mit dem letztes Jahr abgeschlossenen, im Unionsverlag erschienenen "Havanna-Quartett" hatte Padura einen Meilenstein der Krimiliteratur geschaffen. Am Ende der vier Bände quittierte Mario Conde seinen Polizeidienst. Er beschloss, stattdessen Schriftsteller zu werden und man musste befürchten, dass er nie mehr auf die Krimi-Bühne zurückkehren würde. "
Die Angst war unbegründet.
... weiß unser Rezensent jetzt glücklich zu vermelden: "Adios Hemingway" heißt der fünfte Krimi um Mario Conde, der wiederum im Unionsverlag erschienen ist.
" "Adios Hemingway" ist leider - wie der Titel schon befürchten lässt - erst in zweiter Linie ein Krimi. Zunächst einmal ist es eine Auseinandersetzung mit dem übermächtigen Macho-Erzähler Ernest Hemingway, der seine letzten Jahre bekanntermaßen auf einer kubanischen Finca verbrachte. Zumeist volltrunken und zunehmend unter Verfolgungswahn leidend. "
Paduras Gedankenspiel geht so: Im Garten der Finca Vigia, Hemingways herrschaftlicher Villa auf Cuba wird 40 Jahre nach dem Tod des Nobelpreisträgers eine Leiche gefunden. Erschossen! -
" Das ist - soweit wir wissen - eine poetische Erfindung. Mario Conte wird aus seiner Schriftstelleridylle gerissen, um in diesem Fall zu ermitteln. "
" Wahr ist indessen, dass Hemingway im Krieg als Spion für den FBI arbeitete, nach dem Krieg aber zusehends vom FBI Hemingway überwacht wurde und unter Verfolgungswahn litt. "
Der allerdings durchaus berechtigt war: Noch als sich Hemingway wenige Monate vor seinem Selbstmord wegen schwerer Depressionen in eine Klinik begab und sich dort unter falschem Namen anmeldete, folgte ihm ein Spezialagent des FBI auf dem Fuße und meldete es nach Washington. Soweit die Wahrheit.
" Die 124 Seiten der Hemingway-Akte wurden bereits in den achtziger Jahren veröffentlicht. Allerdings werden 15 Seiten aus Gründen der nationalen Sicherheit weiter geheim gehalten. "
Das Schwarz des Zensors ist eine Lücke in der wahren Welt und deshalb ein das Aphrodisiakum der Poesie: In den 15 fehlenden Seiten des FBI-Berichtes siedelt Padura seinen neuen Krimi an. In "Adios Hemingway" wird viel über den Nobelpreisträger philosophiert, und manches interessante Detail aus seiner kubanischen Zeit erzählt. Sofort bekam unser Rezensent Lust, den aus der Mode geratenen Kraftschriftsteller Hemingway erneut aus dem Regal zu nehmen.
" Ein durchaus positiver Effekt, "
na ja, so gut ist Hemingway trotzdem immer noch nicht
" Ein positiver Effekt unter dem die aktuelle Krimihandlung leider etwas leiden muss. "Adios Hemingway" ist bei weitem nicht mit der poetischen Intensität der anderen Padura-Bücher zu vergleichen. "
Für uns Padura-Süchtige trotzdem ein Labsal.
... behauptet unser Rezensent über "Adios Hemingway" von Leonardo Padura, erschienen im Unionsverlag.
" Aber ein wenig enttäuschte Liebe schwingt in diesen Worten mit. "
" Weit weniger der Poesie und der Vergangenheit zugewandt ist da Michael Dibdin, der dunkle Bruder der Donna Leon. Wie seine amerikanische Kollegin hat der in Schottland geborene Michael Dibdin mit seinem Helden Aurelio Zen einen italienischen Kommissar erschaffen, der seit nunmehr seit fast 20 Jahren in Italien ermittelt. Aber anders als der mittlerweile in seinen liebenswerten Manierismen und seiner allzu liebenswerten Familie fast erstickte Commissario Brunetti entwickelt Dibdin seinen Kommissar Aurelio Zen immer weiter. "
Im Dibdins neuestem Fall dem mittlerweile zehntem Aurelio Zen Krimi "Tod auf der Piazza", erschienen als Taschenbuch bei Goldmann, hat es den Kommissar, der sich schon im unverdienten, den italienischen Verhältnissen geschuldeten Ruhestand sah, nach Bologna verschlagen.
" Anders als Comissario Brunetti hat Zen keine allerliebste Familie. Zwar hat ihn in den letzten Romanen die göttliche Gemma aus den Fängen seiner übermächtigen Mutter erlöst, aber auch mit Gemma wechselt mittlerweile mit Zen kaum mehr ein Wort. "
Ähnlich wie bei Donna Leon siedelt auch Dibdin seine Fälle gern mitten in der korrupten italienischen Gesellschaft an. Diesmal ist - was für ein historischer Zufall - der skrupellose Eigentümer des Fußballclubs von Bologna ermordet worden.
" Kurz darauf ... und auch das ist ein Witz, den unsere liebe Donna nie wagen würde ... wird der weltbekannte Semiotikprofessor Edgardo Ugo, der höchst vergnüglich natürlich Umberto Eco vergegenwärtigen soll .... mit der gleichen Waffe erschossen. "
Darf ich schon mal schnell ein Resümee ziehen?
Bitte, Herr Rezensent, dafür werden sie bezahlt:
Michel Dibdins Bücher verhalten sich zu denen der Donna Leon wie das Spiel der italienischen Fußball Nationalmannschaft zu dem der amerikanischen.
Wie meinen?
" Bei der WM ging das Duell Italien USA 1:1 zwar aus. Trotzdem ist Dibdin 3:0 mal fieser 11:0 mal besser und 7:0 mal witziger ist als Donna Leon. Aber die Deutschen mögen ihn nicht. "
Die Parole lautet: Den neuen Donna Leon boykottieren. Stattdessen alle 10 Aurelio Zen Romane von Michael Dibdin noch einmal lesen.
" Und sonst? Nichts Neues von Kinky Friedman oder Modesty Blaise? "
Kinky, das weiß ich, bereitet sich auf die Gouverneurswahl in Texas vor.
Zur Zeit reist Kinky Friedman auf einer Welle der Sympathie von Pizzashop zu Pizzashop um durch ganz Texas, um Stimmen für seine Kandidatur zu sammeln. Leider hat er deshalb zwischenzeitlich seinen Beruf als Autor an den Nagel gehängt. Mit dem Wahlslogan: "May the God of Your Choice Bless You!".
" Möge der Gott deinen Wahl dich segnen! "
... und dem ihm eigenen herben Charme hat er trotzdem das Wahlvolk hinter sich versammelt. Am Anfang als politischer Clown verschrien, traute ihm niemand zu, die für eine Kandidatur nötigen 45.540 Stimmen zu erreichen. Inzwischen besitzt er die Unterschriften von 170.245 Supportern,. Er wird von Berühmtheiten wie Willie Nelson unterstützt und in Umfragen wichtiger Zeitungen wie der "Washington Post" werden Kinky inzwischen echte Chancen auf den Sieg im November zugetraut.
Eine wahre Geschichte, eine schöne Geschichte, so was gibt es sonst nur in Bayern!
" Alles über den Wahlkampf von Kinky inklusive Blog und "Wanted Kinky Friedman"-T-Shirt-Verkauf unter: www.kinkyfriedman.com. "
Die schöne, starke Modesty Blaise, hingegen ist - nicht zuletzt durch die hündische Hingabe, die ihr unser Rezensent angedeihen lässt - neuerdings wieder zu einer festen Größe auf dem deutschen Krimimarkt geworden. Mit "Der Xanadu-Talisman" ist gerade der vierte Modesty Blaise-Krimi von Peter O'Donnell im Unionsverlag neu veröffentlicht worden. Diesmal verschlägt es die wunderhübsche, bärenstarke Modesty mit ihrem Gefährten Willie Garvin nach Marokko.
" Unseren Rezensenten müssen wir zu "Der Xanadu-Talisman" gar nicht erst befragen. der ist Modesty völlig verfallen. Wir zitieren seinen ewig gültigen Satz aus dem Klappentext, der hier in der Krimikolumne zuerst fiel: : "
"Es gibt niemanden, der nicht sein Haus und seinen Hof, sein Boot und seinen Rentenanspruch für ein Leben in Gefahr an Modestys Seite eintauschen würde."
Dem ist nichts hinzuzufügen.
In der Tat nicht.
" Kein Rezensent kann tiefer fallen. "
Aber unserer ist ja auch noch stolz darauf.
" Verliebt ist er, sonst nix. "
Vielleicht sollte man doch auf übergeordnete Jurys vertrauen: die "Krimiwelt-Jury" von arte empfahl in den letzten Monaten "Im Sommer der Mörder", erschienen im Scherz-Verlag, den zweiten Krimi des Shootingstars der deutschen Krimi-Szene Oliver Bottini.
" Oliver Bottini hat mit Louise Boni eine wunderbar fragile Kommissarin erschaffen. "Im Sommer der Mörder" kommt Louise gerade von einer Entziehungskur zurück, nur um mit ansehen zu müssen, wie sich aus einem einfachen Brand eines Holzschuppens eine internationale Affäre um Waffenschmuggler entwickelt. Und Louise ganz ohne Alkohol mittendrin in einem internationalen Komplott. "
Die jeden Monat erscheinende Krimiwelt-Bestenliste hängt in jeder guten Buchhandlung aus oder ist zu finden unter: http://www.arte-tv.com/krimiwelt. Aus Rezensentenkreisen munkelt man, im August würde dort Leonardo Padura auf dem ersten Platz stehen.
Von mir wisst ihr das nicht!
Besprochene Bücher
Oliver Bottini, Im Sommer der Mörder, Scherz
Michael Dibdin, Tod auf der Piazza, Goldmann TB 46090
Peter O'Donnell, Modesty Blaise. Der Xanado-Talisman,
Unionsverlag UT 366
Leonardo Padura, Leonardo Padura, Unionsverlag
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Peter O'Donnell, Modesty Blaise. Der Xanado-Talisman,
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Leonardo Padura, Leonardo Padura, Unionsverlag
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