Der erste Leseeindruck ist nicht gerade positiv. Dieser süffisante, ironische, fast polemische Tonfall des Autors Hans Jansen nervt.
Zitat S. 57:
Wieder gibt es ziemlich viele Wunder zu berichten. Die Tendenz aller wundersamen Ereignisse ist, dass Mohammed bereits in der vorislamischen Zeit als außergewöhnlicher Mann anerkannt war, mit dem Gott zweifellos Großes vorhatte. Nun, wenn die Heiden in der Zeit der Unwissenheit, die dem Islam vorausging, das bereits sehen konnten, dann sollten doch erst recht wir in der Lage sein, zu erkennen, welch einen besonderen Platz Mohammed in der Geschichte von Gott und Menschheit einnimmt.
Dieser Ton mag im Niederländischen anders klingen und vielleicht verfährt man in der niederländischen Wissenschaftstradition so. Im Deutschen jedenfalls ist er völlig fehl am Platz. Und erinnert fatal an eine Art der Polemik innerhalb der Islamwissenschaft gegenüber dem Islam, die eigentlich der Vergangenheit angehört. Ähnliche Assoziationen wecken auch die permanenten Anspielungen, dass der westliche Leser dieses und jenes schon einmal gehört haben müsse:
Zitat: S. 69
Bibelfeste Leser werden sich, damals wie heute, außerdem gewiss an Jesaja 40,6 erinnern:...
Es ist eine Tatsache, dass es im Koran zahlreiche so genannte Israiliyat gibt. Damit werden die Teststellen des Korans bezeichnet, die eine Ähnlichkeit zur Bibel aufweisen: Die jüdischen Propheten einschließlich Jesus spielen im Koran eine wichtige Rolle, und Maria kommt im Koran häufiger vor als im neuen Testament. Dies war seit jeher Anlass für die von Christen und Juden vertretene These, dass der Koran jüdisches und christliches Material übernommen habe; es sich beim Koran also nur um eine Abschrift handle. Aus muslimischer Perspektive stellt sich das anders dar: Der Islam versteht sich als die Wiederherstellung des Urmonotheismus von Abraham, dem Stammvater der Juden, Christen und auch der Muslime. Und das ist für Muslime der Grund, warum sich der Koran auf Teile der Bibel bezieht. Etwas Erklärendes in dieser Art hätte dem Buch von Jansen gut zu Gesicht gestanden - nicht die Polemik, mit der er spielt.
Interessant allerdings wird es, wenn Jansen seine These darlegt, dass wir vieles über die Anfänge des Islam schlicht nicht wissen. Denn dies widerspricht der allgemein vertretenen These, dass der Islam "im hellem Licht der dokumentierten Geschichte entstand" - wie Tilman Nagel, dessen Mohammed-Biographie mit dem Titel "Mohammed. Leben und Legende" gleichfalls vor kurzem erschienen ist, schreibt. Doch Jansen stützt sich im Gegensatz zu Tilman Nagel fast nur auf die Prophetenvita des Ibn Ishaq, der von 704 bis 767 lebte. Die so genannte Sira des Ibn Ishaq ist um 750 im Irak entstanden. Jansen gibt sich große Mühe, nachzuweisen, dass Ibn Ishaq als historische Quelle unbrauchbar ist, indem er zum Beispiel zeigt, dass bestimmte Aussagen von einem Wissen zeugen, dass erst ein Jahrhundert später im Umlauf war. Und macht sich deshalb mit durchaus vergnüglich zu lesender Häme über mehrere Generationen von Islamwissenschaftlern her, die Ibn Ishaq für eine zuverlässige Quelle hielten.
Zitat S. 262
Bei einigen Fragmenten in Ibn Ishaqs Mohammed-Biographie, stellt sich die Frage, wie es möglich war, dass westliche Forscher mehr als ein Jahrhundert lang diese Sammlung von Erzählungen als historische Quelle betrachten konnten, gab es an den Universitäten im selben Zeitraum doch völligen Konsens in Bezug auf Rotkäppchen, die Odyssee und das Neue Testament.
Und doch wird Ibn Ishaq heute nicht als Quelle ad acta gelegt, wie auch die intensive Beschäftigung Tilman Nagels mit dieser Biographie belegt. Allerdings dient sie Nagel nicht als einzige Quelle. Indem er zahlreiche weitere hinzuzieht, gelingt es ihm, ein Bild vom historischen Mohammed zu erstellen und das Leben des Propheten von der Legende, die sich um ihn rankt, zu trennen. Nagel arbeitet die belastbaren Tatsachen heraus und kommt zu dem Schluss, den Jansen hartnäckig leugnet. Denn für Nagel steht zweifelsfrei fest, dass es Mohammed gegeben hat. Dies belegt er auch mit dem Koran. Laut Nagel entwickelt sich der Koran so authentisch aus seiner Zeit und den in dieser Zeit üblichen Formen und Inhalten heraus, dass es sich bei ihm auf keinen Fall um einen über Jahrhunderte hinweg gewachsenen Textkorpus handeln kann. Aber ungeachtet aller Kritik an Jansen: Der Utrechter Arabist legt den Finger auf manche Wunde und wirft manche Frage auf. Spannend sind seine Ausführungen darüber, dass die im Koran und auch in der Propheten-Biographie erzählte Geschichte der Vertreibung der Juden aus Medina in keiner anderen und in vor allem keiner jüdischen Quelle vorkommt. Jansen:
Zitat S. 278
Merkwürdig ist vor allem das vollständige Fehlen jüdischer Quellen, weder über Verbannung (im Falle von al-Nadir und Qainuqa) noch über Ausrottung (Quraiza). Es existiert nichts, keine Inschrift, kein Papyrus, keine Bemerkung in gleich welchem Buch. Zumindest ist bis heute nichts aufgetaucht. Diese Tatsache ist deshalb so befremdlich, weil es zur jüdischen Tradition gehört, die Erinnerung an die Ermordeten wach zu halten. In der prägenden Anfangsphase einer erfolgreichen Weltreligion wurden, so berichten zumindest die Führer dieser neuen religiösen Bewegung, Hunderte von Juden ermordet - und auf jüdischer Seite gibt es keinerlei Berichte über dieses Blutbad.
Jansen bietet als Erklärung an, dass mit der Erzählung die Christen im Mittleren Osten abgeschreckt werden sollten. Gegen sie richteten sich die Expansionskriege der Muslime. Und die Botschaft der Morde an den Juden lautete: Wer - wie die Juden - mit den Feinden der Muslime verhandelt, dem droht schreckliche Rache seitens der Muslime. Hinzu kommt laut Jansen ein weiteres Motiv:
Zitat S. 317
Könnte es zudem von Bedeutung sein, dass Jesus von Nazareth von seinem Jünger Petrus dreimal verleugnet wurde? Wenn man alle drei Geschichten über die Juden Medinas zusammennimmt, wird auch Mohammed, der Prophet des Islam, dreimal von ihnen verleugnet. Mohammed ist also nicht nur ein neuer Mose, er ist auch ein neuer Jesus, denn genau wie dieser wurde er dreimal von den Menschen verleugnet, die eigentlich seine Jünger hätten sein müssen.
Jansen stellt insgesamt so ziemlich alles in Frage, was Muslime zu wissen meinen. Denn natürlich bedeutet auch diese Geschichte und vor allem Jansens Deutung, dass an der muslimischen Überlieferung so gut wie nichts stimmt; dass so gut wie alles aus politischen Gründen später hinzu erfunden wurde. Dazu passt auch, dass Jansen den Thesen des Arabisten Christoph Luxenbergs, die dieser unter seinem Pseudonym in dem Buch "Die Syro Aramäische Lesart des Koran" veröffentlichte, weit mehr zugetan ist als der Großteil der deutschen Islamwissenschaft. Luxenberg hat die These aufgestellt bzw. wiederholt, dass große Teile des Korans gar nicht Arabisch seien, sondern arabisiertes Syro-Aramäisch. Das würde dem Anspruch des Koran entgegen stehen, das arabischste aller arabischen Bücher zu sein. Und es würden sich eine Reihe neuer Deutungsmöglichkeiten ergeben: Dass den Märtyrer statt Jungfrauen im Paradies Trauben erwarten, ist nur die populärwissenschaftlich bekannteste von ihnen. Wer gegen Luxenberg argumentiert, führt meist an, dass es zu nichts führe, den Koran und das Umfeld des Propheten Mohammed sprachlich und historisch-kritisch zu zerpflücken. Man müsse den Islam als die Religion der Muslime nun einmal so hinzunehmen, wie die Muslime ihn sehen - unwichtig sei dabei, was wirklich geschehen ist. Doch andererseits ist Mohammed nun einmal Vorbild für alle Muslime:
Zitat S. 443
Hin und wieder lassen sich Muslime von der Kampfeslust und dem Expansionsdrang Mohammeds inspirieren. Das Nacheifern von Mohammeds Beispiel und dem seiner ersten Anhänger kann dazu führen, das zeigen Ibn Ishaqs Geschichten nur zu gut, dass Menschen bereit sind, für den Islam zu morden und zu sterben.
Während für Jansen deshalb der Frage, was genau sich ereignet hat, eine umso größere Dringlichkeit zukommt, beantworten Denker wie beispielsweise der Ägypter Nasr Hamid Abu Zayd sie mit der Forderung nach einer humanistischen Hermeneutik. Er fordert dazu auf, den Koran neu zu denken und seinen Propheten in den Kontext seiner Zeit zu stellen. Abu Zayd, der als einer der größten zeitgenössischen arabischen Philosophen gilt, hat zusammen mit der Journalistin Hilal Sezgin das dritte Buch vorgelegt, das in diesen Tagen erschienen ist und den Namen Mohammed im Titel führt. Er schreibt:
Zitat S. 53
Natürlich steht es jedem kundigen Historiker frei, Mohammeds Entscheidungen im Einzelnen zu diskutieren. Wenn man aber das moderne Empfinden als Maßstab heranzieht, insbesondere das christliche Bild davon, was einen Propheten ausmacht, tut man ihm unrecht. Wenn man ihn dafür kritisiert, dass er weltliche Leidenschaften hatte, dass er auch materielle Interessen verfolgte und für die Existenz seiner Gemeinschaft kämpfte, verkennt man den historischen Kontext dieses spezifischen Propheten.
Abu Zaid hält es daher für unfair, eine aus der christlichen Theologie abgeleitete Vorstellung dessen, wie sich ein Prophet verhalten sollte, auf Mohammed anzuwenden. Stets sei er am christlichen Maßstab gemessen worden. Und genau dies ist das Verdienst des Buches von Abu Zaid und Hilal Sezgin: Dass es uns den Propheten Mohammed in der Rolle nahe bringt, die er für die Muslime gespielt hat und spielt. Dabei wird nichts beschönigt - dazu ist auch Abu Zaid zu sehr Historiker -, aber der nicht-neutrale Standpunkt Abu Zaids vermittelt einen Einblick, den eine westliche Analyse nicht zu geben vermag.
Hans Jansen: Mohammed. Eine Biographie,
C.H. Beck Verlag München 2008, 24,90 Euro.
Nagel, Tilman: Mohammed. Leben und Legende,
R. Oldenbourg Verlag München 2008, 179 Euro.
Abu Zaid, Nasr Hamid (mit Hilal Sezgin): Mohammed und die Zeichen Gottes. Der Koran und die Zukunft des Islam,
Herder Verlag Freiburg 2008. 19,95 Euro
Zitat S. 57:
Wieder gibt es ziemlich viele Wunder zu berichten. Die Tendenz aller wundersamen Ereignisse ist, dass Mohammed bereits in der vorislamischen Zeit als außergewöhnlicher Mann anerkannt war, mit dem Gott zweifellos Großes vorhatte. Nun, wenn die Heiden in der Zeit der Unwissenheit, die dem Islam vorausging, das bereits sehen konnten, dann sollten doch erst recht wir in der Lage sein, zu erkennen, welch einen besonderen Platz Mohammed in der Geschichte von Gott und Menschheit einnimmt.
Dieser Ton mag im Niederländischen anders klingen und vielleicht verfährt man in der niederländischen Wissenschaftstradition so. Im Deutschen jedenfalls ist er völlig fehl am Platz. Und erinnert fatal an eine Art der Polemik innerhalb der Islamwissenschaft gegenüber dem Islam, die eigentlich der Vergangenheit angehört. Ähnliche Assoziationen wecken auch die permanenten Anspielungen, dass der westliche Leser dieses und jenes schon einmal gehört haben müsse:
Zitat: S. 69
Bibelfeste Leser werden sich, damals wie heute, außerdem gewiss an Jesaja 40,6 erinnern:...
Es ist eine Tatsache, dass es im Koran zahlreiche so genannte Israiliyat gibt. Damit werden die Teststellen des Korans bezeichnet, die eine Ähnlichkeit zur Bibel aufweisen: Die jüdischen Propheten einschließlich Jesus spielen im Koran eine wichtige Rolle, und Maria kommt im Koran häufiger vor als im neuen Testament. Dies war seit jeher Anlass für die von Christen und Juden vertretene These, dass der Koran jüdisches und christliches Material übernommen habe; es sich beim Koran also nur um eine Abschrift handle. Aus muslimischer Perspektive stellt sich das anders dar: Der Islam versteht sich als die Wiederherstellung des Urmonotheismus von Abraham, dem Stammvater der Juden, Christen und auch der Muslime. Und das ist für Muslime der Grund, warum sich der Koran auf Teile der Bibel bezieht. Etwas Erklärendes in dieser Art hätte dem Buch von Jansen gut zu Gesicht gestanden - nicht die Polemik, mit der er spielt.
Interessant allerdings wird es, wenn Jansen seine These darlegt, dass wir vieles über die Anfänge des Islam schlicht nicht wissen. Denn dies widerspricht der allgemein vertretenen These, dass der Islam "im hellem Licht der dokumentierten Geschichte entstand" - wie Tilman Nagel, dessen Mohammed-Biographie mit dem Titel "Mohammed. Leben und Legende" gleichfalls vor kurzem erschienen ist, schreibt. Doch Jansen stützt sich im Gegensatz zu Tilman Nagel fast nur auf die Prophetenvita des Ibn Ishaq, der von 704 bis 767 lebte. Die so genannte Sira des Ibn Ishaq ist um 750 im Irak entstanden. Jansen gibt sich große Mühe, nachzuweisen, dass Ibn Ishaq als historische Quelle unbrauchbar ist, indem er zum Beispiel zeigt, dass bestimmte Aussagen von einem Wissen zeugen, dass erst ein Jahrhundert später im Umlauf war. Und macht sich deshalb mit durchaus vergnüglich zu lesender Häme über mehrere Generationen von Islamwissenschaftlern her, die Ibn Ishaq für eine zuverlässige Quelle hielten.
Zitat S. 262
Bei einigen Fragmenten in Ibn Ishaqs Mohammed-Biographie, stellt sich die Frage, wie es möglich war, dass westliche Forscher mehr als ein Jahrhundert lang diese Sammlung von Erzählungen als historische Quelle betrachten konnten, gab es an den Universitäten im selben Zeitraum doch völligen Konsens in Bezug auf Rotkäppchen, die Odyssee und das Neue Testament.
Und doch wird Ibn Ishaq heute nicht als Quelle ad acta gelegt, wie auch die intensive Beschäftigung Tilman Nagels mit dieser Biographie belegt. Allerdings dient sie Nagel nicht als einzige Quelle. Indem er zahlreiche weitere hinzuzieht, gelingt es ihm, ein Bild vom historischen Mohammed zu erstellen und das Leben des Propheten von der Legende, die sich um ihn rankt, zu trennen. Nagel arbeitet die belastbaren Tatsachen heraus und kommt zu dem Schluss, den Jansen hartnäckig leugnet. Denn für Nagel steht zweifelsfrei fest, dass es Mohammed gegeben hat. Dies belegt er auch mit dem Koran. Laut Nagel entwickelt sich der Koran so authentisch aus seiner Zeit und den in dieser Zeit üblichen Formen und Inhalten heraus, dass es sich bei ihm auf keinen Fall um einen über Jahrhunderte hinweg gewachsenen Textkorpus handeln kann. Aber ungeachtet aller Kritik an Jansen: Der Utrechter Arabist legt den Finger auf manche Wunde und wirft manche Frage auf. Spannend sind seine Ausführungen darüber, dass die im Koran und auch in der Propheten-Biographie erzählte Geschichte der Vertreibung der Juden aus Medina in keiner anderen und in vor allem keiner jüdischen Quelle vorkommt. Jansen:
Zitat S. 278
Merkwürdig ist vor allem das vollständige Fehlen jüdischer Quellen, weder über Verbannung (im Falle von al-Nadir und Qainuqa) noch über Ausrottung (Quraiza). Es existiert nichts, keine Inschrift, kein Papyrus, keine Bemerkung in gleich welchem Buch. Zumindest ist bis heute nichts aufgetaucht. Diese Tatsache ist deshalb so befremdlich, weil es zur jüdischen Tradition gehört, die Erinnerung an die Ermordeten wach zu halten. In der prägenden Anfangsphase einer erfolgreichen Weltreligion wurden, so berichten zumindest die Führer dieser neuen religiösen Bewegung, Hunderte von Juden ermordet - und auf jüdischer Seite gibt es keinerlei Berichte über dieses Blutbad.
Jansen bietet als Erklärung an, dass mit der Erzählung die Christen im Mittleren Osten abgeschreckt werden sollten. Gegen sie richteten sich die Expansionskriege der Muslime. Und die Botschaft der Morde an den Juden lautete: Wer - wie die Juden - mit den Feinden der Muslime verhandelt, dem droht schreckliche Rache seitens der Muslime. Hinzu kommt laut Jansen ein weiteres Motiv:
Zitat S. 317
Könnte es zudem von Bedeutung sein, dass Jesus von Nazareth von seinem Jünger Petrus dreimal verleugnet wurde? Wenn man alle drei Geschichten über die Juden Medinas zusammennimmt, wird auch Mohammed, der Prophet des Islam, dreimal von ihnen verleugnet. Mohammed ist also nicht nur ein neuer Mose, er ist auch ein neuer Jesus, denn genau wie dieser wurde er dreimal von den Menschen verleugnet, die eigentlich seine Jünger hätten sein müssen.
Jansen stellt insgesamt so ziemlich alles in Frage, was Muslime zu wissen meinen. Denn natürlich bedeutet auch diese Geschichte und vor allem Jansens Deutung, dass an der muslimischen Überlieferung so gut wie nichts stimmt; dass so gut wie alles aus politischen Gründen später hinzu erfunden wurde. Dazu passt auch, dass Jansen den Thesen des Arabisten Christoph Luxenbergs, die dieser unter seinem Pseudonym in dem Buch "Die Syro Aramäische Lesart des Koran" veröffentlichte, weit mehr zugetan ist als der Großteil der deutschen Islamwissenschaft. Luxenberg hat die These aufgestellt bzw. wiederholt, dass große Teile des Korans gar nicht Arabisch seien, sondern arabisiertes Syro-Aramäisch. Das würde dem Anspruch des Koran entgegen stehen, das arabischste aller arabischen Bücher zu sein. Und es würden sich eine Reihe neuer Deutungsmöglichkeiten ergeben: Dass den Märtyrer statt Jungfrauen im Paradies Trauben erwarten, ist nur die populärwissenschaftlich bekannteste von ihnen. Wer gegen Luxenberg argumentiert, führt meist an, dass es zu nichts führe, den Koran und das Umfeld des Propheten Mohammed sprachlich und historisch-kritisch zu zerpflücken. Man müsse den Islam als die Religion der Muslime nun einmal so hinzunehmen, wie die Muslime ihn sehen - unwichtig sei dabei, was wirklich geschehen ist. Doch andererseits ist Mohammed nun einmal Vorbild für alle Muslime:
Zitat S. 443
Hin und wieder lassen sich Muslime von der Kampfeslust und dem Expansionsdrang Mohammeds inspirieren. Das Nacheifern von Mohammeds Beispiel und dem seiner ersten Anhänger kann dazu führen, das zeigen Ibn Ishaqs Geschichten nur zu gut, dass Menschen bereit sind, für den Islam zu morden und zu sterben.
Während für Jansen deshalb der Frage, was genau sich ereignet hat, eine umso größere Dringlichkeit zukommt, beantworten Denker wie beispielsweise der Ägypter Nasr Hamid Abu Zayd sie mit der Forderung nach einer humanistischen Hermeneutik. Er fordert dazu auf, den Koran neu zu denken und seinen Propheten in den Kontext seiner Zeit zu stellen. Abu Zayd, der als einer der größten zeitgenössischen arabischen Philosophen gilt, hat zusammen mit der Journalistin Hilal Sezgin das dritte Buch vorgelegt, das in diesen Tagen erschienen ist und den Namen Mohammed im Titel führt. Er schreibt:
Zitat S. 53
Natürlich steht es jedem kundigen Historiker frei, Mohammeds Entscheidungen im Einzelnen zu diskutieren. Wenn man aber das moderne Empfinden als Maßstab heranzieht, insbesondere das christliche Bild davon, was einen Propheten ausmacht, tut man ihm unrecht. Wenn man ihn dafür kritisiert, dass er weltliche Leidenschaften hatte, dass er auch materielle Interessen verfolgte und für die Existenz seiner Gemeinschaft kämpfte, verkennt man den historischen Kontext dieses spezifischen Propheten.
Abu Zaid hält es daher für unfair, eine aus der christlichen Theologie abgeleitete Vorstellung dessen, wie sich ein Prophet verhalten sollte, auf Mohammed anzuwenden. Stets sei er am christlichen Maßstab gemessen worden. Und genau dies ist das Verdienst des Buches von Abu Zaid und Hilal Sezgin: Dass es uns den Propheten Mohammed in der Rolle nahe bringt, die er für die Muslime gespielt hat und spielt. Dabei wird nichts beschönigt - dazu ist auch Abu Zaid zu sehr Historiker -, aber der nicht-neutrale Standpunkt Abu Zaids vermittelt einen Einblick, den eine westliche Analyse nicht zu geben vermag.
Hans Jansen: Mohammed. Eine Biographie,
C.H. Beck Verlag München 2008, 24,90 Euro.
Nagel, Tilman: Mohammed. Leben und Legende,
R. Oldenbourg Verlag München 2008, 179 Euro.
Abu Zaid, Nasr Hamid (mit Hilal Sezgin): Mohammed und die Zeichen Gottes. Der Koran und die Zukunft des Islam,
Herder Verlag Freiburg 2008. 19,95 Euro