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Monets Garten

Es war im Jahr 1918 als Monet für ein paar Besucher seines Ateliers in Giverny dutzende von Leinwänden auf den Boden zu einem Kreis gelegt hat. Was dabei entstand war ein Panorama aus Wasser und Lilien, aus Himmel und Licht, das schier endlos schien. Und genau das wollte Monet: die Illusion eines Ganzen hervorrufen, ohne Horizont und ohne Ufer. Gerade die Seerosenteiche wirken ja wie ein eigenes Universum. Monet hat sich dieses Universum zum Teil selbst geschaffen, er agierte auch als Landschaftsarchitekt. Das - unter anderem - macht die große Ausstellung im Kunsthaus Zürich deutlich, die unter dem Titel "Monets Garten" 71 Ölgemälde versammelt.

    Karin Fischer: Mein Kollege Stefan Koldehoff hat die Ausstellung gesehen. Herr Koldehoff ist das nun ein Sinnenfest oder eher ein Werkstattbericht, der hier präsentiert wird?

    Stefan Koldehoff: Es ist beides und das macht den Reiz und die Faszination dieser Ausstellung aus, denn das ist etwas, was eigentlich selten gelingt, dass eine Ausstellung eine These hat und diese These zum einen wissenschaftlich akkurat und nachvollziehbar präsentiert und das Ganze dann aber auch so schafft, dass das Ganze tatsächlich ein Sinnenfest wird. Sie haben es gerade schon beschrieben, diese Ausstellung "Montes Garten" gipfelt in den Seerosenbildern; in vier riesengroßen Paneelen, zum Teil aus zwei oder drei Einzelstücken bestehend, die hoch modern sind. Man muss einfach sagen, dass Monet in diesen Bildern ausprobiert, was in seiner Zeit die Malerei überhaupt leisten konnte. Er spielt mit den optischen Wahrnehmungen. Es ist wenn man vor diesen großen Gemälden steht überhaupt nicht klar, was man da eigentlich sieht, die Wasseroberfläche oder den Himmel darüber oder den Himmel, der sich im Wasser spiegelt. Also ein hochmodernes Vexierspiel und das, was davor liegt, die rund 67 Bilder davor, die zeigen den Weg, den Monet nehmen musste, um zu diesen Bildfindungen zu kommen. Das beginnt also mit fast grau-braunen Bildern, in denen er ganz behutsam erst in Paris versucht, Parkdarstellungen wiederzugeben, ganz langsam wagt er sich dann erst an die Farbe heran. Das gelingt ihm eigentlich erst, als er 1871 Paris verlässt und nach Argenteuil an der Seine zieht, dort ein Haus mit Obst und Gemüsegarten hat, wo er zum ersten Mal auch tatsächlich die Farbe im Original erleben kann, die er dann hinterher auf die Leinwand bringt. Und das Spannende, was ich nicht wusste - deswegen ist so eine Ausstellung durchaus berechtigt - ist, dass er egal wohin er zog, überall Gärten angelegt hat. Er hat die Gärten so angelegt, wie er sie gerne haben wollte, wie sie nämlich damals dem Geschmack der Zeit entsprachen, orientiert an den Parks, die er aus Paris kannte, also alles hoch artifiziell geplant und akribisch angelegt. Das, was er da dann zunächst mal in Blumen sozusagen gemalt hat, das hat er dann hinterher auch auf der Leinwand gemalt.

    Fischer: Vielleicht können Sie noch mal sagen, wie Monet mit dem Garten, der nicht Teich ist, umgegangen ist, und wie das in dieser Ausstellung dokumentiert wird in dieser Ausstellung, seine Leidenschaft auch für das Gärtnern?

    Koldehoff: Die Ausstellung ist chronologisch gehängt. Das heißt man sieht zunächst diese ersten Versuche in Paris, sieht dann, wie er sich langsam auf dem Land an eine etwas farbigere Palette herantraut, wie der rot-grün Kontrast für ihn zunächst mal ganz dominierend wird, später dann der blaue Himmel dazukommt. Das nette ist, dass es mitten in dieser Ausstellung eine Art Bruch gibt. Ein Kabinett, in dem plötzlich keine Bilder mehr zu sehen sind, sondern Dokumente in Vitrinen. Aber nicht langweilend, sondern sehr gut eingebaut und da sieht man dann die Bücher, die Monet über Gärtnerei gelesen hat. Man sieht die Studien über neue Pflanzen, die in der damaligen Zeit entwickelt wurden, dann gibt es Korrespondenzen mit Lieferanten für Wasserpflanzen, unter anderem auch aus Deutschland. Also man erfährt in doppelter Hinsicht, welche Bedeutung der Garten für Monet hatte, zum einen als Freizeitbeschäftigung, zum anderen aber auch immer als Mittel zum Zweck. Die allerletzten Bilder die dann zu sehen sind in der Ausstellung sind Bilder von einem rosenüberrankten Durchgang in diesem Garten und da erkennt man eigentlich schon überhaupt nichts Gegenständliches mehr. Das sind Bilder die sehen aus wie Werke von Jackson Pollock, da ist nur noch Farbe an Farbe gesetzt und da merkt man, was das Ziel dieser ganzen Gärtnerei war: die Farbe zu erleben, um sie aus dem Erleben raus dann malen zu können.

    Fischer: Die Entwicklung eines Künstlers wie Monet an Gartenbildern zu zeigen, das hat ja nun auch etwas sehr populistisches. Wenn ich Sie richtig verstehe, wird hier aber nicht die Stilisierung des Malers zum berühmten französischen Impressionisten mit gefeiert, sondern auch als Prozess und als gemacht deutlich gemacht.

    Koldehoff: Ja, ich bin auch sehr skeptisch gewesen, als ich nach Zürich gefahren bin, weil ich gedacht habe, das ist schon wieder Monet, das ist schon wieder ein populärer Name, auf den man setzt, ähnlich wie bei dieser Ausstellung über Cezanne und die moderne Kunst, die merkwürdigerweise von den deutschen Kunstkritikern gerade zur Ausstellung des Jahres gewählt worden ist. Da macht man genau das, da setzt man auf den großen Namen und hat keine wirklich neue überraschende These zu präsentieren. Das ist in Zürich anders. In Zürich hat man sich wirklich einen überzeugenden Aspekt herausgegriffen, der noch nicht bearbeitet worden ist, nämlich die Frage, wie weit wirkt sich der Garten ästhetisch auf das Werk dieses großen Künstlers Claude Monet aus. Das hat man in einer Ausstellung mit den relevanten Werken aus aller Welt geschafft zu dokumentieren. Schöner kann man sich eine Ausstellung eigentlich kaum wünschen.

    Fischer: Vielen Dank an Stefan Koldehoff, er berichtete über "Monets Garten" im Kunsthaus Zürich.