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Montenegro
NATO und Kreml streiten um ein kleines Land

Die NATO-Außenminister wollen Montenegro einladen, dem Militärbündnis beizutreten. Der prowestliche Kurs der Regierung in Podgorica ist Moskau allerdings ein Dorn im Auge. Ein NATO-Beitritt schade der Sicherheit Europas, heißt es aus dem Kreml.

Von Karla Engelhard | 01.12.2015
    Die Flagge Montenegros weht im Wind.
    In Montenegro polarisiert der anstehende NATO-Beitritt, Befürworter und Gegner halten sich derzeit die Waage. (imago/ITAR-TASS)
    Es gärt in Montenegro seit Wochen. In der Hauptstadt Podgorica wurde gegen den Regierungschef Milo Djukanovic mehrfach demonstriert. Der 53-Jährige beherrscht den kleinen Balkanstaat nun schon ein Vierteljahrhundert lang– als Geschäftsmann, als Staatspräsident oder Regierungschef. Der glühende Pro-Westler meinte zu den, aus seiner Sicht prorussischen Protestlern:
    "Sie wollen die Macht verändern und die NATO-Mitgliedschaft Montenegros verhindern. Außerdem wollen sie die Unabhängigkeit von Montenegro, die auf ein demokratisches Referendum von 2006 zurückgeht, annullieren."
    Djukanovic will Montenegro in die NATO und in die Europäische Union. Im Kleinstaat mit 620.000 Einwohnern hat seine Familie erheblichen Einfluss auf den Energie- und Finanzsektor, aber auch auf die gleichgeschalteten Medien. Armut und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit trieben viele Montenegriner dazu, sich dem Flüchtlingstreck auf der Balkanroute anzuschließen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres stellten mehr als 3.000 Männer und Frauen aus Montenegro einen Asylantrag in Deutschland. Das sind mehr als doppelt so viele wie im ganzen Vorjahr. Die meisten werden wohl abgewiesen, denn Armut ist kein Asylgrund und Montenegro zählt zu den sicheren Herkunftsländern. Auch wenn dort enorme Korruption, organisierte Kriminalität und Missmanagement herrschen. Andrija Mandic, einer der Anführer der oppositionellen Koalition Demokratische Front, beschreibt die wachsende Missstimmung vor Demonstranten:
    "Wir haben hier die betrogenen Arbeiter der Hütte "Bauxit", die Arbeiter von "Metalac"... Menschen, die die heutigen Machthaber Montenegros ausgeraubt haben. Machthaber, die Milliarden von Euros in ihre eigenen Banken und Immobilien steckten und die die montenegrinische Küste kontrollieren. Sie kamen zu Reichtum, weil sie Zigaretten und Drogen geschmuggelt und internationale Kriminalität betrieben haben."
    NATO kann Vorherrschaft an der Adria ausbauen
    Italien ermittelt seit Jahren wegen Zigarettenschmuggels gegen den Ministerpräsident Djukanovic. Montenegros Wirtschaft hängt zu einem Fünftel vom Tourismus ab. Vor allem gut betuchte Russen kauften Häuser oder logierten in den Luxushotels an der Adriaküste. Der prowestliche Kurs der Regierung in Podgorica ist Moskau ein Dorn im Auge. Ein NATO-Beitritt von Montenegro schade der Sicherheit Europas, heißt es aus dem Kreml. Montenegro hat eine Armee von etwa 2.000 Mann, auf einer Fläche kleiner als das Bundesland Schleswig- Holstein. Da die Nachbarländer Albanien und Kroatien bereits seit 2009 NATO-Mitglieder sind, könnte die NATO ihre Vorherrschaft an der Adria ausbauen. In Montenegro polarisiert der anstehende NATO-Beitritt, Befürworter und Gegner halten sich derzeit die Waage:
    "Die Staatsführung rechnet damit, dass wir mehr Freiheit haben werden und nicht fürchten müssen, dass uns jemand angreift. Wir sind doch ein kleines Land."
    "Das ist wichtig, ganz wichtig für mich. Wegen des Friedens."
    "Es handelt sich um eine Ablenkung von den täglichen Problemen – die Arbeitslosigkeit, vor allem bei den jungen Menschen oder die Armut."