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Montezumas Rache

Medizin. - Nicht nur Infektionskrankheiten wie Malaria oder Ebola bedrohen den Reisende in vielen Teilen der Erde, die häufigsten Erkrankungen sind auf Lebensmittel zurückzuführen. Allerdings ist hier die Dunkelziffer hoch. Weltweit, so schätzen Experten, werde nur ein Prozent derartiger Erkrankungen behandelt. Eine Kontrolle von Nahrungsmitteln existiert in vielen Drittwelt-Ländern nicht. In Leipzig treffen sich derzeit Experten aus 13 Ländern, um über Wege zu sicheren Lebensmitteln zu diskutieren.

    Durchfall, Übelkeit, Schwindel und Fieber sind typische Symptome lebensmittelbedingter Erkrankungen. Rund 1,5 Milliarden Menschen jährlich erkranken weltweit an Nahrungsmitteln, so eine sehr vage Schätzung. Denn Lebensmittelerkrankungen werden in kaum einem Drittweltstaat erfasst. Die Organisatorin des WHO-Meeting, Dr. Peggy Braun vom Institut für Lebensmittelhygiene der Universität Leipzig, weist außerdem darauf hin, dass Durchfall in vielen Ländern nicht als Erkrankung gesehen wird, sondern quasi dazu gehört: "Man wundert sich eher, wenn man keinen Durchfall bekommt." Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat das Problem erkannt und räumt dem Kampf gegen lebensmittelbedingte Erkrankungen oberste Priorität ein. Ein erstes Pilotprojekt startete in Vietnam, koordiniert vom Australier Deon Mahoney: "Das Problem in Vietnam ist der Mangel an Daten. Wir haben viele Basisdaten von mehr als einer Million Menschen, die jährlich an irgendeiner Form des Durchfall erkrankten. Doch über das wahre Ausmaß der von Lebensmitteln verursachten Krankheiten haben wir keine Vorstellungen." Mit Fragebögen ausgerüstet gehen WHO-Mitarbeiter in Ortschaften und Krankenhäuser, erfragen dort penibel die Lebensgewohnheiten der Erkrankten und derjenigen, die nicht betroffen sind. Hinzu kommen bakterielle und mikrobiologische Untersuchungen. Am Ende des einjährigen Modellvorhabens will man mehr über die Verbreitung und die typischen Ursachen lebensmittelbedingter Erkrankungen erfahren haben.

    Eine weitere Hoffnung der WHO ist, dass sich die Daten auf andere Länder übertragen lassen. Barbara Röstel von Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, das für die WHO Daten aus Europa und Mittelasien sammelt, ist skeptisch: "Es ist wahrscheinlich, dass man Daten nicht so ohne weiteres übertragen kann, da die Lebensweisen in den Ländern, die Traditionen in der Lebensmittelzubereitung und im Verzehr, die Ernährungsgewohnheiten, die Tierpopulationen und die Krankheitserreger unterschiedlich sind." In Leipzig diskutieren die Experten Modellprojekte, die zunächst für eine solide Datenbasis sorgen sollen. Ob sie jemals starten, ist ungewiss, sagt die Organisatorin Peggy Braun: "Wir stellen jetzt Pläne zusammen und müssen dann Sponsoren finden. Wir sind aber auf Hilfe von Europa und von Nordamerika angewiesen."

    [Quelle: Hartmut Schade]