Drei Stapel liegen derzeit auf dem Tisch des Salzburger Festspielintendanten Peter Ruzicka. Einer besteht aus Verrissen der aktuellen Neuproduktion von Mozarts "Zauberflöte", ein weiterer häuft die eher mittelmäßigen Urteile an, der dritte Stapel besteht aus jubelnden Befürwortungen. Laut Ruzicka sind die drei Stapel ungefähr gleich groß. Dies mag man nun glauben oder auch nicht – aber das Bild der drei Stapel führte bei der Begegnung zwischen dem Intendanten und rund einhundert Wissenschaftlern genau ins Herz des Problems. Man sprach nämlich beim diesjährigen Festspielsymposion über nichts geringeres als "Mozart und das Regietheater". Dieses Thema passt wie kein anderes zu Salzburg, wo das Publikum auf neue Sichtweisen der Werke "seines" Mozarts zuverlässig immer extrem allergisch reagiert.
Zu Beginn der Tagung war erst einmal zu klären, wo eigentlich die Ursprünge des Phänomens Regietheater liegen bzw. was es überhaupt bedeutet. Dazu der Salzburger Linguist und Philologe Oswald Panagl:
"Es gibt zwei Lesarten von "Regietheater", eine ist eher banal, selbstverständlich: es ist ein Theater, in dem es Regie gibt, in dem ein Regisseur am Werk ist, das war einmal nicht ganz trivial, heutzutage ist es natürlich eine Selbstverständlichkeit, und daher hat sich eine pointiertere Bedeutung des Wortes durchgesetzt: es ist ein Theater, in dem die Regie eine starke, eine große, für manche Geschmäcker vielleicht auch eine überdimensionierte Bedeutung hat, die mit einschliesst, dass der Regisseur nicht nur eine Werkintention möglichst gut, möglichst gediegen, möglichst pointiert umsetzt, sondern wo er durchaus auch bereit, vielleicht auch berechtigt ist, Eingriffe in das Stück vorzunehmen. "
Eine wirkliche Geburtsstunde des Regietheaters kann man eigentlich nicht definieren. Der Theaterwissenschaftler Jürgen Kühnel stellte gleich eine ganze Reihe möglicher Anfangspunkte fest, zum Beispiel die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert oder die Zeit während bzw. nach den studentischen Umtrieben 1968. Der aus Siegen angereiste Medien- und Literaturwissenschaftler Helmut Schanze verortete den Beginn des Regietheaters um 1780 in Weimar, da gab es nämlich keinen geringeren als den Geheimen Rat Johann Wolfgang von Goethe, der dort Mozarts "Zauberflöte" auf die Bühne brachte – und auf einige inhaltliche Verschiebungen des Originals hinwirkte.
Der heutige Blick aufs Regietheater zeigt übrigens: es ist ein sehr kultur- und länderspezifisches Phänomen; so ist die Tradition der freizügigen Werkbearbeitungen bis heute zum Beispiel in der Tschechischen Republik kaum angekommen, während man in den westlicheren Ländern wie etwa in Frankreich diese Tradition schon längere Zeit pflegt.
Natürlich wurde in Salzburg auch – und übrigens sehr heftig – diskutiert, was positiv am Regietheater ist, ja wann es 'legitim’ ist. Nochmals Oswald Panagl:
"Wenn ein semantischer Mehrwert herauskommt, wenn ich bestimmte Aspekte des Stückes schärfer, genauer, differenzierter, reichhaltiger fassen kann, dann akzeptiere ich das Regietheater sehr gerne."
Wesentlich skeptischer sieht das Joachim Herz, einst der wohl wichtigste Regisseur der DDR:
"Unter Regietheater würde ich eine Darbietungsform verstehen, die sich von der Geschichte, die das Stück im Original erzählt, wesentlich entfernt und gegebenenfalls die Aussage ins Gegenteil verkehrt. Es gibt echt Suchende, und die dürfen auch mal in die Irre gehen. Aber was sich breit macht, das ist ein blutiger Dilettantismus, der die Werke weder versteht noch zur Kenntnis nimmt, noch überhaupt studiert, auch nicht den Versuch macht, sie umzusetzen. Denn unter Regie würde ich verstehen, immer neu lebendig machen, dabei ist 'neu’ wirklich wichtig, wir sind andere Leute. Es bedarf jedes Mal wirklich einer neuen Sicht, aber bitte in dem Bestreben, das Werk zu verstehen, das Werk zu interpretieren, das Werk lebendig zu machen – ohne Lebendigmachen geht es überhaupt nicht, aber was heute passiert, das sind zum Teil für mich einfach Dumme-Jungen-Streiche."
Eine interessante Sichtweise schlug der Opernforscher Sieghart Döhring vor. Für Döhring sind neue, auch aufrüttelnde und provozierende Bilder gerade deswegen notwendig, da wir in einer durch Medien bestimmten Welt leben. Darauf muss, so Döhring, ein Regisseur zwar adäquat reagieren, aber er muss auch die Präfiguration der Gattung Oper respektieren: die Oper ist ein Theater nicht mit sondern aus Musik, mit Focus auf den Gesang, die Sänger. Und letztlich sollte dies im Zentrum aller szenischen Umsetzungsversuche stehen. Im übrigen werde sich, so Döhring, aufgrund der immer weiter sinkenden Subventionen bald auch eine Art Auslese vollziehen – reine Stückzertrümmerer würden dann Probleme bekommen, einfach deshalb, weil ihnen keiner mehr Geld gibt.
Zu Beginn der Tagung war erst einmal zu klären, wo eigentlich die Ursprünge des Phänomens Regietheater liegen bzw. was es überhaupt bedeutet. Dazu der Salzburger Linguist und Philologe Oswald Panagl:
"Es gibt zwei Lesarten von "Regietheater", eine ist eher banal, selbstverständlich: es ist ein Theater, in dem es Regie gibt, in dem ein Regisseur am Werk ist, das war einmal nicht ganz trivial, heutzutage ist es natürlich eine Selbstverständlichkeit, und daher hat sich eine pointiertere Bedeutung des Wortes durchgesetzt: es ist ein Theater, in dem die Regie eine starke, eine große, für manche Geschmäcker vielleicht auch eine überdimensionierte Bedeutung hat, die mit einschliesst, dass der Regisseur nicht nur eine Werkintention möglichst gut, möglichst gediegen, möglichst pointiert umsetzt, sondern wo er durchaus auch bereit, vielleicht auch berechtigt ist, Eingriffe in das Stück vorzunehmen. "
Eine wirkliche Geburtsstunde des Regietheaters kann man eigentlich nicht definieren. Der Theaterwissenschaftler Jürgen Kühnel stellte gleich eine ganze Reihe möglicher Anfangspunkte fest, zum Beispiel die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert oder die Zeit während bzw. nach den studentischen Umtrieben 1968. Der aus Siegen angereiste Medien- und Literaturwissenschaftler Helmut Schanze verortete den Beginn des Regietheaters um 1780 in Weimar, da gab es nämlich keinen geringeren als den Geheimen Rat Johann Wolfgang von Goethe, der dort Mozarts "Zauberflöte" auf die Bühne brachte – und auf einige inhaltliche Verschiebungen des Originals hinwirkte.
Der heutige Blick aufs Regietheater zeigt übrigens: es ist ein sehr kultur- und länderspezifisches Phänomen; so ist die Tradition der freizügigen Werkbearbeitungen bis heute zum Beispiel in der Tschechischen Republik kaum angekommen, während man in den westlicheren Ländern wie etwa in Frankreich diese Tradition schon längere Zeit pflegt.
Natürlich wurde in Salzburg auch – und übrigens sehr heftig – diskutiert, was positiv am Regietheater ist, ja wann es 'legitim’ ist. Nochmals Oswald Panagl:
"Wenn ein semantischer Mehrwert herauskommt, wenn ich bestimmte Aspekte des Stückes schärfer, genauer, differenzierter, reichhaltiger fassen kann, dann akzeptiere ich das Regietheater sehr gerne."
Wesentlich skeptischer sieht das Joachim Herz, einst der wohl wichtigste Regisseur der DDR:
"Unter Regietheater würde ich eine Darbietungsform verstehen, die sich von der Geschichte, die das Stück im Original erzählt, wesentlich entfernt und gegebenenfalls die Aussage ins Gegenteil verkehrt. Es gibt echt Suchende, und die dürfen auch mal in die Irre gehen. Aber was sich breit macht, das ist ein blutiger Dilettantismus, der die Werke weder versteht noch zur Kenntnis nimmt, noch überhaupt studiert, auch nicht den Versuch macht, sie umzusetzen. Denn unter Regie würde ich verstehen, immer neu lebendig machen, dabei ist 'neu’ wirklich wichtig, wir sind andere Leute. Es bedarf jedes Mal wirklich einer neuen Sicht, aber bitte in dem Bestreben, das Werk zu verstehen, das Werk zu interpretieren, das Werk lebendig zu machen – ohne Lebendigmachen geht es überhaupt nicht, aber was heute passiert, das sind zum Teil für mich einfach Dumme-Jungen-Streiche."
Eine interessante Sichtweise schlug der Opernforscher Sieghart Döhring vor. Für Döhring sind neue, auch aufrüttelnde und provozierende Bilder gerade deswegen notwendig, da wir in einer durch Medien bestimmten Welt leben. Darauf muss, so Döhring, ein Regisseur zwar adäquat reagieren, aber er muss auch die Präfiguration der Gattung Oper respektieren: die Oper ist ein Theater nicht mit sondern aus Musik, mit Focus auf den Gesang, die Sänger. Und letztlich sollte dies im Zentrum aller szenischen Umsetzungsversuche stehen. Im übrigen werde sich, so Döhring, aufgrund der immer weiter sinkenden Subventionen bald auch eine Art Auslese vollziehen – reine Stückzertrümmerer würden dann Probleme bekommen, einfach deshalb, weil ihnen keiner mehr Geld gibt.