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Müllberge und kein Ende

Über die Müllberge in Neapel wurde viel berichtet. Doch auch wenn es um das Thema ruhiger geworden war, die Lage am Vesuv hat sich kein bisschen verändert. Immer noch lagern Tonnen von Abfall in den Straßen. Doch jetzt, wenn die Sonne wieder vom Himmel brennt, wird eine Lösung des Problems wieder dringlicher. Karl Hoffmann berichtet.

21.05.2008
    Mit der sprichwörtlichen Lebensfreude der Menschen in Neapel ist es vorbei. Nach monatelangen Versprechungen, Sondermaßnahmen, nach Einsatz von Militär und Müllexport in andere Landesteile hat sich die Lage am Vesuv um keinen Deut verändert.

    "Eine Schande, dieser Gestank, Dagegen ist Zigarettenrauch ja noch die reine Medizin. Man müsste den Müll entfernen und sofort alles desinfizieren. Wir müssen uns in der Wohnung verbarrikadieren wegen des Gestanks. Ich habe die Fenster aufgemacht, weil es zu warm ist, aber der Gestank von draußen ist nicht auszuhalten."

    Am vergangenen Wochenende lagerten in den traumhaften Altstadtstraßen, aber auch in den Nobelvierteln- ganz zu Schweigen von den Stadtrandgebieten - 2000 Tonnen Abfall. Während er zu Beginn der letzten Müllkrise Anfang des Jahres nur eine Beleidigung fürs Auge war, wird der Müll jetzt zu einer echten Gefahr für die Gesundheit. In Neapel brennt die Sonne vom Himmel und verkocht Essenreste und Verpackungsmaterial zu wahren Brutstätten für alle möglichen Krankheitserreger. Maria Triassi, Professorin für Hygiene an der Uni Neapel schlägt Alarm

    "Mit der Hitze, die jetzt beginnt, verbreiten sich Fliegen und Mücken, die Bazillen und Viren verbreiten. Dazu kommen noch streunende Tiere- ganz zu schwiegen von den Ratten - Der Müll muss in jedem Fall innerhalb von 24 Stunden beseitigt werden. "

    Aber das ist ein frommer Wunsch, wie man nicht nur in Neapel inzwischen weiß. Zur ersten Zusammenkunft seiner neugewählten Ministerrunde hat Silvio Berlusconi nach Neapel eingeladen. Symbolisch wollte der Medienzar und Regierungschef diese Geste verstanden wissen. Ein Hoffnungssignal für die müll- und Camorrageplagten Bürger, ein Zeichen der Nähe, der Anfang vom Ende aller Probleme - so zumindest hat es Berlusconi im Wahlkampf versprochen. Und prompt wurde zu seiner Ankunft sämtlicher Müll in einer außerordentlichen Nacht- und Nebel-Aktion aus den Innenstadtstraßen entfernt. Aber was wird nach dem Gipfeltreffen, wenn die neue Regierung wieder ins pikfeine, 200 Kilometer entfernte Rom zurückgefahren und Nepal den Rücken gekehrt hat? Berlusconi hat in Neapel viele Stimmen bekommen. Er muss beweisen, dass er halten kann, was er versprochen hat.

    "Die Neapolitaner werden langsam wütend, das gibt auch der Polizeichef zu. Aber er untertreibt schamlos: Neapel ist ein Pulverfass. "

    Täglich brennen hunderte von Müllhaufen, Dioxin verbreitet sich in der Luft. Aus Protest werden immer wieder Straßenblockaden mit umgestürzten Müllcontainern errichtet. Und jeden Tag produziert die Millionenstadt 5000 Tonen neuen Müll, von dem niemand weiß, wohin damit. Sämtliche Müllkippen im Umland sind randvoll, 5 Millionen Tonnen lagern seit Jahren in plastikverpackten Ballen inmitten fruchtbarster Gemüseäcker. Man munkelt, die Regierung wolle den Müll jetzt in militärischen Sperrgebieten unterbringen oder auf Schiffen im Hafen zwischenlagern. Und weiterhin mit Zügen nach Deutschland bringen. Vor zwei Monaten wurden die Transporte nach Sachsen allerdings eingestellt. Es nicht auszuschließen, dass die Camorra Druck auf die zuständigen Beamten ausgeübt hat, um selbst in das Geschäft einzusteigen. Erst verdiente die Camorra am Giftmüll, den sie in Neapel verklappte, jetzt will sie logischerweise auch mitmischen beim Abtransport..

    Aber selbst darüber wird beim Gipfeltreffen in Neapel wohl nicht konkret beraten. Das steht nicht auf dem Programm. Man diskutiert über das neue Steuerpaket, Sicherheit und Ausländerpolitik. Schließlich habe auch er keinen Zauberstab, mit dem sich das Müllproblem lösen ließe, hat Berlusconi schon mal zugegeben.