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Mulchen für den Frieden

Kriege lassen weltweit eine gefährliche Hinterlassenschaft zurück. Ausgedehnte Minenfelder bedrohen vor allem die Landbevölkerung und machen den Wiederaufbau oft unmöglich. Die Minewolf Systems GmbH in Herdwangen-Schönach in der Nähe des Bodensees fertigt Minenräumgeräte und stellt auch das Personal für die heikle Arbeit.

Von Thomas Wagner |
    Ein Traktor fährt vor der Fabrikhalle auf und ab, zieht Furchen in ein Feld. Herdwangen im Süden Baden-Württembergs, ganz in der Nähe des Bodensees, gilt mit gerade einmal 2000 Einwohnern als ländliche Gemeinde. Bauernhöfe prägen das Ortsbild. Und so vermutet kaum einer hinter den Wänden einer Leichbauhalle im neuen Gewerbegebiet ein weltweit einmaliges High-Tech-Produkt.

    Akustische Signale ertönen, wenn ein Mitarbeiter den Schlüssel in das Zündschloss eines eigenartigen Fahrzeuges steckt. Das sieht aus wie eine Mischung aus Panzer, Mähdrescher und Planierraupe: Doch statt einer Schaufel befindet sich vor dem bulligen Kettenfahrzeug eine Art Rotor, der im Einsatz die Erde durchwühlt. "Minewolf" steht in großen Buchstaben auf dem stählernen Ungetüm. Chefmechaniker Michael Kelley startet den Dieselmotor:

    "Wir fahren Bahn für Bahn, wie in einem Acker. Und da sind Minen drin, die dann explodieren. Wir zerstören die. Man braucht eben eine Angabe zu einer Fläche, die vermint sein könnte. Man fährt diese Fläche ab."

    So beschreibt der Chefmechaniker der Firma Minewolf Systems GmbH die Funktion einer Maschine, die in dem kleinen Örtchen Herdwangen für Einsätze in der ganzen Welt produziert wird. Denn die Minenwölfe, so die Bezeichnung des gepanzerten Kettenfahrzeuges, dienen dazu, ganze Landstriche in ehemaligen Kriegsgebieten von Minen zu befreien. Dazu durchwühlt der Rotor bis zu einem halben Meter tief die Erde und bringt Minen gezielt zur Explosion.

    "Es ist ein Knall. Teilweise bei kleineren Minen merkt man es drinnen gar nicht, wenn die explodieren. Draußen, die Leute, die hören es. Und wenn man drin sitzt, hört man es nicht einmal. Es ist gepanzert - da kann nichts durchkommen, da passiert auch nichts."

    Fünf solcher Minenwölfe in unterschiedlichen Größen hat die Minewolf Systems GmbH in der kleinen Halle in Herdwangen bereits fertig gestellt.

    Ein Gabelstapler karrt große stählerne Teile zu einem Torso auf Ketten, aus dem schon bald ein neuer Minenwolf erwachsen wird. Das Geschäft mit den gepanzerten Spezialfahrzeugen läuft wie geschmiert – kein Wunder: Nach UNO-Schätzungen dauert es noch über 100 Jahre, um alle verminten Gebiete dieser Erde von den gefährlichen Sprengkörpern zu befreien.

    "Unsere Kunden sind unterschiedlich: entweder Hilfsorganisationen, die ihr Geld von Spendern bekommen haben oder von Regierungen. Es ist die UN, es ist die EU. Es können aber auch Kunden im militärischen Bereich sein, die im Rahmen von so genannten Peace-Keeping-Missionen gewisse Flächen auch räumen müssen und der Bevölkerung zur Verfügung stellen müssen","

    so Christoph Frehsee, Geschäftsführer der Minenwolf GmbH - eine Firma, die gerade mal zwei Jahre alt ist und ein Wachstum aufweist, von dem so manch anderer Mittelständler nur träumen kann:

    ""Also wir haben im letzten Jahr einen siebenstelligen Umsatz gehabt und wachsen aktuell mit mehr als 200 Prozent."

    Um zu erklären, wie die Minenwölfe vermarktet werden, startet Christoph Frehsee auf seinem Laptop eine außergewöhnliche Präsentation: Aus den Lautsprechern ertönt afrikanische Musik. Auf dem Bildschirm lassen sich Jugendliche erkennen, die zwischen baufälligen Hütten tanzen. Von hinten schließlich fährt ein gepanzerter Minenwolf, so wie er in der Herdwanger Fertigungshalle steht, ins Bild:

    "Das ist typische Langa-Langa-Musik, also die Volksmusik aus Uganda, Sudan und Kenia, wo wir unser letztes Projekt hatten und einen kompletten Konvoi inklusive Material in den Südsudan gebracht haben, um ein Projekt dort zu starten."

    Das bedeutet: Die Minewolf-Systems GmbH verkauft nicht nur ihre gepanzerten Spürhunde. Die Maschinen werden auch für bestimmte Einsätze vermietet - einschließlich des dafür notwendigen Personals. Chefmechaniker Michael Kelley war bei solchen Einsätzen stets selbst mit dabei – hauptsächlich

    "auf dem Balkan, Kroatien, Bosnien, und auch in Afrika, im Sudan. Und das Fahrzeug hier geht auch in den Sudan."

    Trotz der großen Aufgabenfülle und rasant steigender Auftragszahlen: Die Minewolf Systems GmbH zählt gerade mal 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein schlankes Unternehmensprofil ist Kernmerkmal der Geschäftsphilosophie. Um die riesigen Minenwölfe dennoch fristgerecht ausliefern zu können, haben sich die Minewolf-Gründer mit dem Landmaschinen-Hersteller Ahwi im ländlichen Herdwangen zusammengetan. Der stellt in seiner Fabrik hauptsächlich Mulchgeräte und Fräsen für die Bodenbearbeitung her. Von dort zum High-Tech-Minenzerstörer ist es nur auf den ersten Blick ein weiter Weg. Jürgen Schlette von der Ahwi-Maschinenbau GmbH:

    "Das Know-how liegt heute in der Bodenbearbeitung. Die Bodenbearbeitung ist eines der zentralen Punkte. Es kann heute nur jemand erfolgreich in der Minenbearbeitung sein, der mit unterschiedlichen Bodenstrukturen klarkommt. Es gibt wirklich betonartige Böden. Es gibt sandige Böden. Und all das, die Zerkleinerungsrate und der Umgang mit dem Boden im Boden, ist eigentlich ein Know-how-Träger, der unerlässlich für die optimale Entminung und Minenräumung ist"

    Dabei kam es eher zufällig zur Gründung der Minewolf Systems: Ein ehemaliger Entwickler eines Automobilzulieferers, der in Koblenz zu Hause ist, kam Ende der 90er Jahre nicht zur Ruhe, als er immer und immer wieder die selben Bilder sah. Minewolf-Geschäftsführer Christoph Frehsee:

    "Ja, sicherlich der Balkankrieg, und auch direkt vor Europas Haustür, zwei am stärksten verseuchte Länder für Minen zu haben, Kroatien und Bosnien-Herzegowina, ist natürlich schon ein Umstand, der einem zu Denken gibt. Und wenn man dann sieht: Es gibt die Möglichkeit, mit einer Technologie dieses Problem schnell, kostengünstig und sicher zu lösen, dann ist das natürlich der richtige Trigger in dem Moment."

    Zumal die Minewolf-Systems GmbH mit ihrem Produkt nahezu konkurrenzlos ist.

    "Es gibt Hersteller in der Slowakei, in Kroatien, in Dänemark, die allerdings mehr aus dem militärischem Bereich kommen und dort nicht so sehr den Sicherheitsstandard an die Flächen haben, wenn sie der Bevölkerung zurückgegeben wird, weil es mit militärischem Minenräumen es ausreichend ist, etwa 79,5 Prozent Sicherheit zu haben. Im humanitären Bereich müssen wir natürlich 99,9 Prozent geben."

    Dass Christoph Frehsee und seine Mitarbeiter auf weiterhin gute Geschäfte hoffen, ist ein zweischneidiges Schwert: Denn zuerst einmal müssen Kriege geführt werden, bevor eine Nachfrage nach den Minenwölfen aufkommt:

    "Um Gottes willen. Die UN sagt, dass es etwa noch 100 Jahre dauern wird, die bestehenden Minen zu räumen, und das ohne das neue verlegt werden. Also das ist uns auch persönlich wichtig, dass wir vom Geschäftserfolg nicht auf einen weiteren Krieg angewiesen sind. Dazu gibt es leider viel zu viele aktuell auch schon wieder und auch zu viel Leid auf dieser Welt, was wir, vor allem unsere Leute im Feld, tagtäglich erleben."