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Muschelzucht per Smartfarms

Angesichts schwindender Muschelbestände in den Meeren gewinnen Muschelfarmen eine immer größere Bedeutung. Gerade in den Anfangsjahren der Aquakultur beklagten Umwelt- und Verbraucherschützer jedoch immer wieder einen zu hohen Einsatz von Pharmaka. Bei der Muschelzucht testen Produzenten nun in der Ostsee ein neues Verfahren unter dem Namen Smartfarms, also patente oder intelligente Aquakulturen.

Von Annette Eversberg |
    An der Kieler Förde schwimmen sie auf dem Wasser. Mehrere Rohre aus PVC. Sie bewegen sich im Takt mit den Wellen. Marten Ruth vom schleswig-holsteinischen Fischereiaufsichtsamt.

    "Jedes einzelne Rohr ist 130 Meter lang, hat etwa 25 cm Durchmesser und dient als Auftriebskörper für ein darunter, in drei Meter Tiefe hängendes grobmaschiges Netz, an denen sich Muschellarven ansiedeln, und an denen die Larven dann zu konsumreifen großen Muscheln heranwachsen."

    Eine sogenannte Smartfarm. Das Prinzip ist einfach. Mit dem Netz unter Wasser werden die winzigen Muschellarven aus der Wassersäule gefischt. Da sie die Tendenz haben, sich so schnell wie möglich festzusetzen, kommt ihnen das Netz gerade recht. Auch die Jahreszeit ist dafür geradezu ideal, meint Marten Ruth.

    "Jetzt, im Frühjahr und im Sommer, bis in den frühen Herbst hinein, besiedeln sich die Netze spontan mit Larven. Es sind in der gesamten warmen Jahreszeit ausreichend Larven vorhanden. Wir rechnen eigentlich damit, dass sie unter diesen Bedingungen in zwei bis drei Jahren Konsumgröße erreichen würden, sprich fünf Zentimeter und größer. "

    Die Idee der Smartfarm kommt aus Norwegen. Die Nachfrage wächst. Denn die normalen Muschelkulturen in Deutschland und den Niederlanden sind nicht mehr so ergiebig wie früher. Es fehlt an Larven und entsprechend auch an Jungmuscheln, die traditionell auf die Muschelkulturen gebracht werden. Fischereibiologen wie Marten Ruth sehen dafür folgenden Grund.

    "Weil wir zu dem Zeitpunkt, wo junge Muscheln sich ansiedeln, im Moment sehr viele Krebstiere gleichzeitig da sind und die Muscheln wegfressen. Und das könnte klimabedingt sein, dass durch die warmen Winter die Krebse früher im Meer auftreten, als es früher in kälteren Wintern der Fall war. "

    Das System der Smartfarm hat den Vorteil, dass sich die Larven, die im oberen Teil der Wassersäule schwimmen, an den Netzen festsetzen. Während die Krebse eher am Boden leben, wo sie sich von den dort vorkommenden Muschellarven ernähren. Solchen, die bisher für die traditionellen Muschelkulturen zur Verfügung standen. Seit einiger Zeit fallen sie in einigen Bereichen des Wattenmeers in den Niederlanden und Deutschland völlig aus. Deshalb denken immer mehr Muschelfischer wie Andre de Leuw daran, die traditionellen Muschelkulturen durch Smartfarmen zu ergänzen oder bei Bedarf ganz zu ersetzen..

    "Da sind Länder, die das schon viele Jahre machen, die Spanier züchten schon 200.000 bis 300.000 Tonnen Muscheln. In Südamerika machen sie auch 300.000 Tonnen. Und China, um mal einen Namen zu nennen, ist der größte Muschelzüchter der Welt. Der macht an Hängekulturen allein 800.000 Tonnen. Und da muss das hier auch gehen, denke ich. "

    Die Niederlande und Deutschland bedienen den Markt mit frischen Muscheln. Die Nachfrage ist groß. Vor allem in Belgien und Frankreich. Und die Preise sind höher als für ein Kilo Heilbutt, das im Schnitt 17 Euro kostet. Denn von den Muscheln, die etwa 8 Euro pro Kilo kosten, beträgt der Fleischanteil nur 25 Prozent. So dass man für ein Kilo Muschelfleisch fast das Doppelte von dem zahlt, was ein Kilo Heilbutt kostet. Damit sich aber der hohe Investitionsaufwand für eine Smartfarm lohnt, der mit bis zu fünf Millionen Euro dem für einen Muschelkutter entspricht, muss die Produktion rationalisiert werden, betont Marten Ruth.

    "Die Muscheln werden am Ort selbst abgeerntet, mit einer speziell patentierten Erntemaschine, und diese Maschine kann von wenigen Personen mit entsprechender technischer Ausstattung bedient werden. Dadurch hält man die Arbeitskosten niedrig. Das ist ja bekanntlich bei allen Produktionsverfahren in Mitteleuropa einer der ausschlaggebenden Faktoren. "

    Noch wichtiger ist es aber, dass die Smartfarms dort angelegt werden können, wo auch die höchste Nahrungsdichte vorhanden ist. Denn Muscheln - so Marten Ruth - leben ausschließlich von dem, was die Natur ihnen bietet.

    "Die Muscheln werden weitgehend sich selber überlassen. Sie werden nicht gefüttert. Sie filtrieren ja nur das pflanzliche Plankton aus dem umgebenden Meerwasser heraus. Weder Pflanzenwachstum noch tierische Bewohner der Zuchtanlagen werden irgendwie bekämpft. Insofern ist es ein durchaus natürliches Verfahren. "