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Museum im Keller

Verona wollte ein Megamuseum für seine Naturkundesammlung, den Wettbewerb gewann Stararchitekt David Chipperfield. Doch die Finanzierung platzte, die ehrgeizigen Pläne wurden abgeblasen und die Sammlung in Lagerhallen verfrachtet.

Von Thomas Migge |
    Verona, Lungadige Porta Vittoria 9. Ein stattlicher Palazzo aus dem 19. Jahrhundert. In vielen Reiseführern wird der Palazzo Pompei, so sein Name, als Sitz des Naturgeschichtlichen Museums ausgegeben. Doch wer hofft, die berühmten vorgeschichtlichen Sektionen besichtigen zu können, darunter die vor einigen Jahren für internationales Aufsehen sorgenden Reste eines, wie Untersuchungen ergaben, blauäugigen und rothaarigen Neandertalers, der in der Umgebung von Verona ausgegraben wurde, wird enttäuscht. Der Palazzo sei verkauft und die Sammlungen, heißt es am Eingang, seien ausgelagert worden. Basta. Weitere Informationen erhält der Tourist nicht.

    Doch Aldo Magnani weiß, was los ist. Er ist Dozent für Frühgeschichte an der Universität in Verona:

    "Die Projekte und Pläne, die man hier in der Stadt machte, gerieten allesamt ins Stocken, und die Sammlungen zur Frühgeschichte des Museums sind ein Opfer dieser Umstände. Mit der Folge, dass wertvollste Reste der Frühmenschen in Kellern lagern, in feuchten Räumen, und inzwischen von einem Pilz überzogen sind, der diesen Relikten gar nicht bekommt. Das Problem ist, dass wir so gut wie keinen Zugang mehr zu diesen Objekten haben."

    Ausgangspunkt für Italiens neuesten Kulturskandal ist ein ehrgeiziges Projekt der Stadtverwaltung. Aus einem ehemaligen Militärareal sollte eine Art Megamuseum werden, das auch das Naturgeschichtliche Museum beherbergen sollte. Der britische Architekt David Chipperfield gewann mit seinem Projekt das internationale Ausschreiben. Um dieses Projekt zu finanzieren, verkaufte die klamme Stadtregierung einige historische Gebäude, darunter auch den Palazzo Pompei, in dem das Naturgeschichtliche Museum untergebracht war. Aldo Magnani:

    "Man hätte auch andere Gebäude verkaufen können, um das Projekt zu finanzieren, aber nein. Die Folge: Da man keinen anderen Ort hatte, um die Schätze aus dem Museum auszustellen, wurden sie in Lager- und Kellerräume gebracht, in einem Gebäude auf dem ehemaligen Militärareal. Dort lagern sie und gammeln vor sich hin. Wer dafür die Verantwortung trägt, sollte bedenken, um was es hier eigentlich geht."

    Die zoologischen, geologischen, paläontologischen, botanischen und vor allem prähistorischen Sammlungen gehören zu den wertvollsten Europas. Darunter auch die vorgeschichtlichen Gegenstände, die Prähistoriker im Hinterland von Verona und am Gardasee ausgruben, wo man Holzbauten entdeckte, die zu den ersten Europas gehören.

    Diese und andere Funde, von denen die meisten eigentlich in temperaturkontrollierten Glasboxen untergebracht werden müssten, lagern in Kisten und Kästen, ohne dass sich irgendjemand um sie kümmern kann. Experten wie Mario Capelli haben nur selten Zugang zu den Räumlichkeiten, in denen die Sammlungen aufbewahrt werden:

    "Ich will nicht behaupten, dass alles negativ ist. Die Idee eines neuen Museums ist sicher lobenswert, aber die vor allem organischen Reste der Frühmenschen, Knochen, Holz usw., müssen unter bestimmten Bedingungen aufbewahrt werden, sonst werden sie beschädigt, von zu viel Luftfeuchtigkeit oder auch Trockenheit. Die Stadtverwaltung interessiert das aber alles nicht. Wir fragen uns immer wieder, warum das so ist."

    Die Stadt Verona braucht Geld. Nicht nur für den neuen Museumskomplex. Also werden städtische Immobilien verkauft. Mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Palazzo Pompei wurden zum Beispiel neue Schienen für eine Straßenbahn verlegt und ein Sportplatz angelegt. Das heißt: Die Einnahmen aus dem Verkauf des Palazzo wurden nicht für die sachgerechte Unterbringung der Sammlungen des Naturgeschichtlichen Museums ausgegeben. Sind etwa Schienen und ein Sportplatz wichtiger als die kostbaren erd- und frühgeschichtlichen Schätze? Auf diese Frage gab es aus dem Rathaus bisher keine Antwort. Auf Anfragen reagiert man dort nicht.