Archiv


Museum Plagiarius

Am Sonntag hat in Solingen ein Museum eröffnet, das über 250 Originale und Plagiate unterschiedlichster Provenienz im direkten Vergleich gegenüberstellt. Das Museum "Plagiarius" des Sammlers Rido Busse ist in den umgebauten Güterhallen des ehemaligen Solinger Hauptbahnhofs untergebracht. Gerüchte wollen wissen, dass es sich bei der Architektur auch um ein Plagiat handelt.

Von Klaus Englert |
    Die Geschichte des Solinger Museums Plagiarius begann vor dreißig Jahren. Damals schlenderte der Designer Rido Busse über die Frankfurter "Ambiente" und entdeckte plötzlich auf dem Messestand eines Anbieters aus Hongkong eine Briefwaage - ein Plagiat des von ihm selbst entworfenen Stücks, nur von schlechterer Qualität und deutlich preiswerter. Busse war wie gelähmt, ohne Zweifel war er im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit angekommen. Seither führt der Designer den Kampf des edlen Ritters gegen Plagiate, Imitate, Fälschungen und sonstige Scheinwesen.

    Aber immerhin, Busse hat sich gerüstet: Jährlich vergibt er - im Beisein von Presse, Funk und Fernsehen, wie er betont - den "Plagiarius", einen hässlichen schwarzen Zwerg mit goldener Nase, der dem dreistesten Plagiator überreicht wird. Das Thema Plagiat wurde weit mehr als eine schrullige Marotte des Prof. Rido Busse. In der Zwischenzeit entwickelte er eine wahre Sammelleidenschaft. 2001 hatte Busse so viele Plagiate und Originale zusammen, dass er dafür in Berlin ein Museum einrichtete. Da der Design-Professor mit dem Standort wenig Glück hatte und sich nach einem neuen Museum umschauen musste, kam das Strukturförderungsprogramm der "Regionale 2006" in NRW gerade recht. Aus einer ehemaligen Solinger Güterhalle zauberte nun der Kölner Architekt Reinhard Angelis das "Plagiarius"-Museum.

    Es ist ein origineller architektonischer Beitrag zur Busse-Sammlung. Denn man könnte meinen, das Museum sei selbst ein Plagiat. Reinhard Angelis meint dazu:

    "Das Museum ist vielleicht keine Fälschung. Was aber schon in meiner Gedankenwelt eine Rolle spielt, ist die Frage der Verfremdung eines Hauses. Das heißt, das, was jetzt als Eingangsbauwerk vor das bestehende Gebäude gesetzt wurde, das tut ja so als sei es ein Haus, es ist natürlich auch ein Haus, aber ein Haus mit anderen Materialien, einer anderen, leicht verfremdeten Formensprache. Das heißt, das Dach, das man sich hier im Bergischen Land als Schieferdach vorstellt, kommt als Plastikdach daher und tut so als sei es eine Luftmatratze."

    Angelis gibt gerne zu, die Dachbahn erinnere ihn an eine "postmoderne Zipfelmütze". An diesen Spielereien merkt man, dass der Kölner Architekt ein Schüler des Postmoderne-Vaters James Stirling gewesen ist. An Stirlings Stuttgarter Staatsgalerie lernte Angelis, wie man einen geschichtlichen Formenkanon unernst behandelt. Ein Beispiel dafür ist sein "ironisches Spiel mit dem Bergischen Fachwerksmotiv". Das bedeutet: Die Fassade ist ein falsches Fachwerk. Denn die Rahmenkonstruktion besteht aus Perlmutt. Und dort, wo die Tradition eine Ziegelausfachung vorschreibt, setzte Angelis Fenster ein. Seinen Museumsbau versteht der Architekt als einen ganz und gar unseriösen Beitrag zum Thema "Original und Fälschung." Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären, nämlich der kuriosen Sammlung des Herrn Busse:

    "Die Ursprungsidee war für mich die Nähe zum Material Kunststoff, der ja wiederum bei vielen der Produkte, die dann gefälscht werden, eine Rolle spielen. Es gibt ja eine Vielzahl von Gebrauchsartikeln, die heute aus Kunststoff hergestellt werden. Von da aus war das für mich ein ganz guter Anknüpfungspunkt, zum Beispiel bei einer Alessy-Kanne, die dann im Original aus blauem oder rotem Kunststoff besteht, und dann in einer entsprechen Fälschung auf dem Markt ist. So dass darüber eine Verbindung zu dem "gefälschten Haus" und dem gefälschten Produkt besteht."

    Rido Busses neues Museum ist voll gestopft mit unterschiedlichsten Produkten - Elektrosägen, Designerstühlen, beleuchteten Türgriffen, Kehrmaschinen und vieles andere mehr. Offenbar lässt sich jegliches Produkt imitieren. Herausgekommen ist dabei ein kurioses Supermarkt-Museum mit einer ganzen Palette von Originalen und entsprechenden Fälschungen: Ein Produkt seines anachronistischen und missionarischen Eifers. Den Zwerg-Oscar mit Möhrennase hat in diesem Jahr übrigens - wen wundert's - ein chinesischer Hersteller für das Imitat einer Alfi-Kanne erhalten. Ob der Chinese aus Guangzhou eigens zur Preisverleihung nach Solingen geladen wurde, war leider nicht zu erfahren. Aber vielleicht war auch der schwarze Zwerg ein Plagiat.