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Musizieren geht über Studieren

Während des Studiums nicht immer nur über den Büchern hocken, sondern gemeinsam mit anderen Studierenden musizieren oder Theater spielen? Das bieten die musischen Verbindungen des Sondershäuser Verbandes. Schon seit 1867 gibt es diesen Verband, damals als studentische Verbindung zwischen Berlin und München im thüringischen Sondershausen gegründet. Mittlerweile gibt es 22 singende und Theater spielende Verbindungen deutschlandweit, zum Beispiel die Blauen Sänger in Göttingen.

Von Carolin Hoffrogge |
    Dirigent Ulrich Witt steht von dem Symphonieorchester der Blauen Sänger in Göttingen. Im großen barocken Saal ihres herrschaftlichen Verbindungshauses proben die 30 Musiker Beethovens Coriolan Ouvertüre, denn am Wochenende steht ein Konzert an. Ulrich Witt ist nicht nur Dirigent des Symphonieorchesters, sondern gleichzeitig Pressesprecher des Sondershäuser Verbandes.

    " Der Sondershäuser Verband ist der einzige bundesweite studentische Kulturverband, das heißt wenn man als Studierender über seine Universitätsgrenzen hinaus Kultur machen will und eine Organisation sucht, die einem dabei helfen kann. "

    Traditionsbewusst sind sie die 22 musischen Verbindungen des Sondershäuser Verbandes allemal. Aber sie sind auch modern und offen, schließlich wird in keiner dieser Verbindungen geschlagen, zudem sind Frauen jederzeit herzlich willkommen. Zu gemeinsamen Konzerten besuchen sich die Musiker.

    " Wir haben zum Beispiel in München den akademischen Gesangverein München, wir haben in Frankfurt die Akademisch Musikalische Verbindung Waltaria, in Darmstadt haben wir die Musische Verbindung Auerbach. Was noch? Die Damenverbindung jetzt in Hamburg. Wir sind schon ein buntes Völkchen."

    Jazz, Soul, klassische Musik, modernes Theater: die Studierenden, die sich in den musischen Verbindungen des Sondershäuser Verbandes engagieren, haben eine breite Auswahl, meint Ulrich Witt, zum Beispiel bei den Blauen Sänger in Göttingen.

    " Wir sind heute noch in Göttingen diejenigen, die das breiteste Kulturprogramm anbieten. Wir haben vier stehende Ensembles: Chor, Big band, Theaterensemble, Symphonieorchester. "

    Dieses breite Kulturangebot der Blauen Sänger Göttingen hat vor knapp 50 Jahren auch schon Heinz Ludwig Arnold überzeugt. Heute ist Germanistikprofessor Arnold Vorsitzender der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel und besucht immer noch die Aufführungen seiner studentischen Verbindung der Blauen Sänger.

    "1961 habe ich hier in Göttingen angefangen zu studieren und mein Vater wollte das ich da reingehe. Ich wollte eigentlich nicht, aber dann habe ich mir den Laden angeguckt, fand den wirklich gut, weil es gab da ein großes Orchester, damals gab es zwei Chöre, eine kleine Band, die Jazz gespielt hat und ich selbst habe eine Theatergruppe gegründet. Also eine rein musivische Veranstaltung. Wir hatten damals auch einen ganz netten Slogan, der hieß: "Wir schlagen nur mit dem Taktstock", um uns abzusetzen, von den schlagenden Verbindungen. "

    Mit einer schlagenden Verbindung hat auch Markus Kerbaum nichts am Hut. Der 29-jährige lernt gerade für sein 1.Staatsexamen in Jura. Er hat die Blauen Sänger Göttingen immer als einen hochwertigen Kulturverein erlebt. Seit Beginn seines Studiums vor fünf Jahren ist Markus bei den Blauen Sängern aktiv.

    " Das ich einen alten Musikfreund hatte, der auf dem Haus gewohnt hat und ich angefangen habe und ein Zimmer suchte und ich das Ganze dann gleich als musikalische Wohngemeinschaft, als WG erfahren hatte, mit viel Musik und drum und dran und auch Ablenkung zum Studium und so kam das ganz bewusst. Jetzt gerade im Examen ist das sehr schön, Musik zu machen und einen Anlaufpunkt zu haben, auch wenn man nicht mehr auf dem Haus wohnt. Das ist sehr angenehm. "

    So wie dem 29 jährigen Markus geht es auch der Medizinstudentin Ulrike Wolfeneck. Ihre braunen Augen leuchten, wenn sie von ihrer Entdeckung der Blauen Sänger spricht. Sie singt im Chor und spielt in der Theatergruppe.

    " Absolute Abwechselung. Wenn ich die Musik nicht nebenbei hätte, dann würde ich sicherlich öfter mal querdrehen. Die ganze Zeit über den Büchern zu hängen, würde man gar nicht ertragen. Wenn ich nicht wüsste, Montagabend gehe ich zum Chor, da sehe ich Leute aus so vielen verschiedenen Semestern auch. Die haben alle ihre eigenen Nöte und Sorgen, kommen aber zusammen, um Musik zu machen. "