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Mutterglück und Wiegenlieder

Nachdem die Mezzosopranistin Magdalena Kozena gerade gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Sir Simon Rattle einen zweiten Sohn bekommen hat, besinnt sie sich auf Lieder, die sie von ihrer Mutter früher vorgesungen bekam: Auf ihrer neuen CD "Songs my Mother taught me" präsentiert sie Stücke von Komponisten wie Vitezlav Novak, Bohuslav Martinu und Antonin Dvorak.

Von Elgin Heuerding |
    Wird eine Frau zur Mutter, dann ist das ein guter Moment, sich an die Wurzeln und Traditionen zu erinnern - also daran, was einem schon die Mutter beibrachte. "Songs my Mother taught me", heißt die neue Platte von Magdalena Kožena: "Als die alte Mutter mich noch lehrte singen."

    Die Mezzosopranistin hat erst kürzlich ein Kind geboren. Die CD nun bloß unter diesem Mutter-Aspekt vorzustellen, wäre wohl eher eine Homestory. Glücklicherweise erweist sich die Kožena als Künstlerin, die auch musikalisch von dieser Veränderung profitiert hat. Gute Aussichten also für die nächsten 20 Minuten, zu denen Elgin Heuerding Sie herzlich begrüßt.

    Musikanten, ein Lied von Leoš Janáček. Gesungen von Magdalena Kožena, Malcolm Martineau begleitete sie am Klavier. Gesungen habe das Lied schon ihre Mutter, behauptet Kožena im Beiheft zur CD. Wie alle anderen Lieder auf dieser CD. Das ist fast verwunderlich, sind die meisten doch Kunstlieder und Koženas Mutter keine ausgebildete Sängerin. Aber offenbar eine, die gerne und viel sang: Traditionelle Lieder oder komponierte von erwähntem Leoš Janáček, von Vitezlav Novak, Petr Eben, Erwin Schulhoff, Bohuslav Martinu oder Antonin Dvorak. Allesamt tschechische Komponisten.

    So wie Magdalena Kožena aus Brno stammt, dem in Mähren gelegenen Brünn. Janáček hat lange dort gewirkt, noch immer ist er in dieser Stadt sehr präsent. Er war einer der Künstler, die sich auf die Suche nach dem Tschechischen in der Musik machten. Die deutsche Kultur war lange prägend gewesen. Janáček, der auch deutschsprachigen Unterricht bekam, hat dennoch nie einen unvoreingenommenen Zugang zu dieser Kultur entwickeln können: 19. Jahrhundert eben.

    Zeiten ändern sich. Magdalena Kožena stammt zwar aus Tschechien, hat in Deutschland und international Karriere gemacht, lebt unter anderem in Berlin. Das Deutsche taucht in den von ihr ausgewählten Liedern selbstverständlich auf: 21. Jahrhundert eben.

    Jan Josef Rösler, tschechischer Opernkomponist und Klaviervirtuose, der das Goethe-Gedicht "An die Entfernte" vertont hat. Für Magdalena Kožena ist das Lied ein "Juwel". Das ist ein schöner Hinweis, doch dankbar wäre man auch für Informationen über die Komponisten. Denn selbst Janáček, aber auch Martinu und Schulhoff sind bei uns als Komponisten nicht sonderlich präsent. Wie hörbar gewesen, ist das Deutsche wiederum nicht die Muttersprache von Magdalena Kožena. Sie gesteht uns im CD-Booklet:

    "Es ist immer am angenehmsten, in der Muttersprache zu singen. Bei Proben hat man keinen Sprachlehrer neben sich, der dauernd die Aussprache korrigiert. In der eigenen Sprache gelingen außerdem die richtigen Stimmfärbungen am besten. Viele der hier eingespielten Lieder gehören schon lange in mein Repertoire. Ich singe sie immer wieder in meinen Recitals. Sie sind mir in Fleisch und Blut übergegangen - wenn ich sie singe, habe ich gar nicht das Gefühl, zu arbeiten."

    Dieses Gefühl vermittelt sich beim Anhören der CD. Wiegenlieder, Tanz- und Volkslieder, manchmal anstachelnder Witz oder kecke Aufmüpfigkeit. Nicht alles ist kindertauglich, aber welches Kind versteht schon die Texte? Mit der sanft umhüllenden, zugewandten, wärmenden Stimme von Magdalena Kožena bietet das Album eine nahezu behütende Aura. Die vor allem ihre Wirksamkeit bekommt, wenn man die CD einfach laufen lässt. "Songs My Mother taught me", der englische Titel des Albums, ist ein Lied von Antonin Dvorak. Als der das Lied herausbrachte, geschah das zuerst auf Deutsch.

    "Als die alte Mutter Mich noch lehrte singen,
    Tränen in den Wimpern
    Gar so oft ihr hingen.
    Jetzt wo ich die Kleinen selber üb' im Sange,
    rieselt's mir vom Auge,
    rieselt's oft mir auf die braune Wange."

    Magdalena Kožena hat für ihre CD konsequent die tschechische Fassung gewählt.

    "Als die alte Mutter mich noch lehrte singen". Ein Lied von Antonin Dvorak, vielleicht sein bekanntestes. Magdalena Kožena mit Malcolm Martineau. Der Mezzosopranistin hat das Mutterdasein hörbar gut getan. Ihre Stimme, schon immer als "schön" beschrieben, wirkt in Nuancen voller und runder. So, als würde Magdalene Kožena nun noch mehr mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Dabei weiß sie ohnehin, was ihr gut tut. Das Ensemble der Wiener Volksoper hat sie schnell wieder verlassen, weil das Jeden-Abend-etwas-anderes-Singen, nichts für sie war. Mit Mozart hat die Kožena in Salzburg und auch auf CD brilliert. Seit Jahren ist sie erfolgreich in Wien und Paris, Glyndebourne oder Berlin zu hören. Als Liedsängerin trat sie längst auch in der berühmten Wigmore Hall in London auf. Gemeinsam mit Macolm Martineau, der sich auch auf dieser CD wieder als ein feinnerviger und inspirierter Begleiter erweist.

    Ein melancholisches Lied von dem tschechischen Komponisten Vitezlav Novak, Malcolm Martineau begleitet ganz bewährt am Klavier. Darauf folgte die Frage "Ist es nicht ein Traum?", ebenfalls von Novak komponiert. Wenn Magdalena Kožena diese Lieder singt, möchte man gerne zustimmen: Ja, so schön wie ein Traum - und doch ganz von dieser Welt. Nicht nur ihr Kind wird sich über diese Platte "Songs, my Mother taught me" freuen dürfen. Uns bringt sie die Lieder vielleicht nicht bei, aber sie singt sie uns vor. So können wir alle dran teilhaben. Mit Kind - oder ohne. Womit Elgin Heuerding sich verabschiedet!

    Magdalena Kožena, Mezzosopran & Malcolm Martineau, Klavier:
    "Songs my Mother taught me"

    LC 00173 / Deutsche Grammophon 447 6665