"Mutter? Mutter?! Mutter! Warum blickst du mich an, mit zerbrochenem Blick, die Augen voller Blut, unter deinem wilden, weißen Haar?"
Die Tat ist längst vollbracht. Orest hat seine Mutter ermordet und deren Liebhaber. Die blutigen Bilder gehen Orest nicht aus dem Sinn. Damit beginnt diese Oper. Trojahns Titelheld ist traumatisiert. Er kann das Geschehene selbst kaum fassen. Es sitzt in der Falle. Die Bluttat hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Orest selbst droht das Todesurteil. Der Gott Apollo soll ihm helfen, denn der hat ihn zum Mord angestiftet. Trojahns Orest ist ein Getriebener, der die Verantwortung lieber anderen überlässt. Der einzige Ausweg: ein weiterer Mord. An Helena. Sie ist die Hassfigur schlechthin, denn ihretwegen haben Tausende Griechen vor den Toren Trojas ihr Leben gelassen. Auch Orests Schwester, Elektra, rät zur nächsten Tat. Und der Bruder soll Helenas Tochter, Hermione, gleich mit erledigen, dann würde ihm der Muttermord vergeben. Und wieder folgt Orest dem Willen anderer. Doch Hermione verschont er. Als sich ihre Blicke treffen, kann er nicht mehr töten. Der Kreislauf der Rache könnte gebrochen sein.
Mit diesem Hoffnungsschimmer lässt Manfred Trojahn seine rund 100-minütige und bei der Uraufführung ohne Pause durchgespielte Oper enden. In dem von ihm selbst verfassten Libretto schlägt er den hohen Ton des antiken Dramas an. Frei von Aktualisierungen hat sich der Komponist in seinem expressiven Textbuch dem Mythos anvertraut. Und seine Musik folgt ihm. Eine üppige Palette an Klangfarben bietet sie auf, Finsteres und Rohes, Lichtes und Ätherisches, wuchtiges Schlagwerk, das mit massivem Staccato ganze Szenen beherrscht, düstere Streicher und Bläser, bis zum Heckelphon, dessen tiefen Oboenklang schon Richard Strauss in seiner "Elektra" einsetzte; und schließlich beginnt Trojahns "Orest" ja dort, wo Straussens "Elektra" endet.
Trojahns dichte, mitunter süffige Partitur ist dabei reine Psychologie und verhehlt ihre Verwandtschaft mit dem Fin de Siècle nicht. Einmal erstrahlt sie in einem fast romantischen Frauenterzett von Elektra, Helena und Hermione.
"Meine schöne Mutter, sorg ich nicht um die Gefahren. Mein Kind, sie sagt ich wär nicht sicher in diesen Straßen. Sie ist so rein, selbst meiner Mutter Gift glitt ab an ihr."
Wieder einmal zeigt Manfred Trojahns Avantgarde, wie tief sie in der Tradition verwurzelt ist. Mit seiner Elektra hat er die Titelheldin von Richard Strauss weiterentwickelt. Die neuseeländische Mezzosopranistin Sarah Castle verlieh ihr in Amsterdam eine schon fast beängstigende Aura von Gewalt. Überhaupt war die Uraufführung glänzend besetzt, so auch der Orest mit Dietrich Henschel. Und Marc Albrecht zeigte als Chefdirigent der Niederländischen Nationaloper den ganzen Reichtum der Komposition.
Während Trojahns Geschichte sich auf den Mythos zurückbewegt, so reißt die britische Regisseurin Katie Mitchell alles wieder in die Gegenwart, an die Oberfläche, in ein gediegenes Bürgerhaus. Im Wohnzimmer unten grübelt Orest, im blutüberströmten Schlaf- und Badezimmer oben ist die Kriminalpolizei mit der Spurensicherung beschäftigt. Diesen Realismus verwischt Mitchel allerdings mit traumartigen Sequenzen. Die ermordete Mutter taucht vervielfältigt auf, Türen öffnen sich von selbst, so als sähen wir die Bilder in Orests verwirrtem Kopf. Vielleicht sehen wir aber auch nur die Geschichte, die Orest zu Beginn an seinem Schreibtisch niedergeschrieben hat und am Ende als Buch in die Hand nimmt.
Mitunter greift Katie Mitchell allerdings zum Mittel des Slapsticks, wenn Elektra ein Kabel anschließt, damit Orest mit einer elektrischen Bohrmaschine Helena zu Leibe rücken kann. Und das alles unterm glänzenden Weihnachtsbaum. Unfreiwillig komisch wirkt das und bringt für die Deutung nicht viel. Stück und Inszenierung scheinen gegeneinander zu arbeiten. Trojahns "Orest" bräuchte eine andere szenische Ausrichtung. Der Mythos zeigt mehr als ein Krimi.
Elektra: "Allein, allein, wir waren es immer."
Die Tat ist längst vollbracht. Orest hat seine Mutter ermordet und deren Liebhaber. Die blutigen Bilder gehen Orest nicht aus dem Sinn. Damit beginnt diese Oper. Trojahns Titelheld ist traumatisiert. Er kann das Geschehene selbst kaum fassen. Es sitzt in der Falle. Die Bluttat hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Orest selbst droht das Todesurteil. Der Gott Apollo soll ihm helfen, denn der hat ihn zum Mord angestiftet. Trojahns Orest ist ein Getriebener, der die Verantwortung lieber anderen überlässt. Der einzige Ausweg: ein weiterer Mord. An Helena. Sie ist die Hassfigur schlechthin, denn ihretwegen haben Tausende Griechen vor den Toren Trojas ihr Leben gelassen. Auch Orests Schwester, Elektra, rät zur nächsten Tat. Und der Bruder soll Helenas Tochter, Hermione, gleich mit erledigen, dann würde ihm der Muttermord vergeben. Und wieder folgt Orest dem Willen anderer. Doch Hermione verschont er. Als sich ihre Blicke treffen, kann er nicht mehr töten. Der Kreislauf der Rache könnte gebrochen sein.
Mit diesem Hoffnungsschimmer lässt Manfred Trojahn seine rund 100-minütige und bei der Uraufführung ohne Pause durchgespielte Oper enden. In dem von ihm selbst verfassten Libretto schlägt er den hohen Ton des antiken Dramas an. Frei von Aktualisierungen hat sich der Komponist in seinem expressiven Textbuch dem Mythos anvertraut. Und seine Musik folgt ihm. Eine üppige Palette an Klangfarben bietet sie auf, Finsteres und Rohes, Lichtes und Ätherisches, wuchtiges Schlagwerk, das mit massivem Staccato ganze Szenen beherrscht, düstere Streicher und Bläser, bis zum Heckelphon, dessen tiefen Oboenklang schon Richard Strauss in seiner "Elektra" einsetzte; und schließlich beginnt Trojahns "Orest" ja dort, wo Straussens "Elektra" endet.
Trojahns dichte, mitunter süffige Partitur ist dabei reine Psychologie und verhehlt ihre Verwandtschaft mit dem Fin de Siècle nicht. Einmal erstrahlt sie in einem fast romantischen Frauenterzett von Elektra, Helena und Hermione.
"Meine schöne Mutter, sorg ich nicht um die Gefahren. Mein Kind, sie sagt ich wär nicht sicher in diesen Straßen. Sie ist so rein, selbst meiner Mutter Gift glitt ab an ihr."
Wieder einmal zeigt Manfred Trojahns Avantgarde, wie tief sie in der Tradition verwurzelt ist. Mit seiner Elektra hat er die Titelheldin von Richard Strauss weiterentwickelt. Die neuseeländische Mezzosopranistin Sarah Castle verlieh ihr in Amsterdam eine schon fast beängstigende Aura von Gewalt. Überhaupt war die Uraufführung glänzend besetzt, so auch der Orest mit Dietrich Henschel. Und Marc Albrecht zeigte als Chefdirigent der Niederländischen Nationaloper den ganzen Reichtum der Komposition.
Während Trojahns Geschichte sich auf den Mythos zurückbewegt, so reißt die britische Regisseurin Katie Mitchell alles wieder in die Gegenwart, an die Oberfläche, in ein gediegenes Bürgerhaus. Im Wohnzimmer unten grübelt Orest, im blutüberströmten Schlaf- und Badezimmer oben ist die Kriminalpolizei mit der Spurensicherung beschäftigt. Diesen Realismus verwischt Mitchel allerdings mit traumartigen Sequenzen. Die ermordete Mutter taucht vervielfältigt auf, Türen öffnen sich von selbst, so als sähen wir die Bilder in Orests verwirrtem Kopf. Vielleicht sehen wir aber auch nur die Geschichte, die Orest zu Beginn an seinem Schreibtisch niedergeschrieben hat und am Ende als Buch in die Hand nimmt.
Mitunter greift Katie Mitchell allerdings zum Mittel des Slapsticks, wenn Elektra ein Kabel anschließt, damit Orest mit einer elektrischen Bohrmaschine Helena zu Leibe rücken kann. Und das alles unterm glänzenden Weihnachtsbaum. Unfreiwillig komisch wirkt das und bringt für die Deutung nicht viel. Stück und Inszenierung scheinen gegeneinander zu arbeiten. Trojahns "Orest" bräuchte eine andere szenische Ausrichtung. Der Mythos zeigt mehr als ein Krimi.
Elektra: "Allein, allein, wir waren es immer."