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My Rich Uncle

Der Schock setzt früh ein. Wer sich an einer amerikanischen Hochschule immatrikuliert bekommt außer einer freundlichen Einführung auch gleich noch eine Aufstellung der Studiengebühren in die Hand gedrückt. Staatliche Unis verlangen im Schnitt 10.000 Dollar im Jahr, private mehr als das Doppelte und Elite-Unis können gar bis zu 50.000 Dollar jährlich kosten. Es werden zwar Stipendien vergeben, aber das Verfahren ist aufwendig und in der Regel muss man trotzdem noch Darlehen aufnehmen, um tatsächlich über die Runden zu kommen. Nach dem Examen beginnt das Abstottern der Schulden. Das kann sich nach einem teuren Studium (Medizin, Chemie, Biochemie) über Jahrzehnte hinziehen. Denn nicht wenige haben 100.000 Dollar und mehr gepumpt.

Von Gunnar Schultz-Burkel | 16.03.2004
    Um angehenden Akademikern zumindest die finanziellen Sorgen zu nehmen kam die New Yorker Investmentfirma 'MY RICH UNCLE' auf eine Idee. Wir dachten uns, wäre es nicht toll, wenn jeder einen reichen Onkel hätte, der deine Zukunft absichert und dafür belohnt wird, wenn du später ein dickes Einkommen hast, erklärt Geschäftsführer Roza Khan.

    Und so funktioniert es: nehmen wir mal an, ein Student benötigt 10.000 Dollar. Er verpflichtet sich, nach dem Examen zehn Jahre lang 2.5 Prozent seines Gehalts an My Rich Uncle abzuführen. Ist das niedrig, bekommt die Investmentfirma weniger - ist es hoch, natürlich entsprechend mehr. Der Vorteil für den Schuldner: er muss nicht jeden Monat einen gleichgroßen Betrag bezahlen, auch wenn er mal nicht soviel verdient. Der Vorteil für My Rich Uncle: nach zehn Jahren haben die Anleger aus 10.000 Dollar exakt 15.946 Dollar gemacht. Der größte Unterschied zu einer Bank besteht darin, sagt Khan, dass sich die Schuldner besser fühlen. Denn immerhin baut jemand darauf, dass sie es zu etwas bringen. My Rich Uncle konzentriert sich vor allem auf Fächer, die später auch viel Geld abwerfen, wie Betriebswirtschaft, Jura, Medizin und Ingenieurwissenschaften.

    Studenten, die Pädagogik, Soziologie oder Geschichte studieren werden zwar nicht ausgeschlossen, aber da ihre Einkommen später in der Regel niedriger sind, müssen sie einen höheren Prozentsatz ihres Jahreseinkommens abliefern. Wir suchen nicht nach dem zweiten Bill Gates, erklärt Khan, sondern Leute, deren Einkommen ziemlich genau kalkulierbar sind. Khan sagt allerdings nicht, wie viele Studenten von My Rich Uncle finanziert werden. Aber die Gesamtsumme liegt im Moment bei mehr als 10 Millionen Dollar. Tendenz steigend.

    Zu den größten Investoren gehört unter anderem Michael Robertson, der Erfinder der Internet-Musikfirma MP3.Com. Er packte drei Millionen Dollar in den Topf, damit Studenten seiner alten Uni in San Diego unterstützt werden. Bis jetzt, meint Robertson, hat doch kaum jemand daran gedacht, Geld in die Zukunft von Menschen zu investieren. Er gehört zu den wenigen Anlegern, die nicht auf Profit aus sind. Er hat nach eigenen Angaben genug Geld. Er will, dass die Rendite weiteren Studenten zugute kommt. Aber bei weitem nicht alle sind so anlageeuphorisch wie Robertson und Khan. Sandra Bon, Darlehensberaterin am Skidmore College ärgert sich darüber, dass hier mit der Arbeit von jungen Akademikern Gewinn gemacht wird. 'Bevor sich jemand an My Rich Uncle verkauft, sollte er sich andere Möglichkeiten der Darlehensbeschaffung überlegen', meint sie. Zum Beispiel Studentenwerke. My Rich Uncle Gründer Khan bestreitet nicht, dicke Profite machen zu wollen. Aber immerhin, sagt er ohne Scham, würden hier Gier und Altruismus eine ziemlich gute Ehe eingehen.