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Myanmar
Rohingya: Von Buddhisten verfolgt, von der Regierung ignoriert

Myanmar ist im Aufbruch, auf dem Weg zur Demokratie, in der auch ethnische Minderheiten berücksichtigt werden. Nur die Rohingya nicht. Die Muslime leben zwar seit Generationen in der Rakhine-Provinz, und doch werden sie angefeindet und verfolgt. Die UNO stuft sie sogar als am stärksten verfolgte Minderheit der Welt ein.

Von Udo Schmidt | 26.04.2014
    Buddhistische Mönche halten auf einer Demonstration Plakate hoch. Auf einem ist geschrieben "We ar Buddhism."
    Buddhistische Mönche demonstrieren am 26.03.2014 in Yangon in Myanmar vor der Botschaft von Bangladesh. (picture alliance / dpa - Nyein Chan Naing)
    Elendsquartiere am Rande Sittwes, der Hauptstadt der Rakhine-Provinz im Westen Myanmars. Hier leben die meisten der rund 800.000 muslimischen Rohingya, einer in Myanmar verfolgten und rechtlosen Minderheit. Nach gewalttätigen Übergriffen radikaler Buddhisten mit rund 200 Toten leben etwa 150.000 Rohingyas in Flüchtlingslagern. Hier in Sittwe haben die Familien, die zur muslimischen Minderheit gehören, der keine Staatsbürgerrechte zuerkannt werden, zwar noch ihre eigenen Häuser, aber kaum etwas zu essen. Arbeit gibt es für sie keine, und alle internationalen Hilfsorganisationen wurden aus der Provinz vertrieben. Sarshidar trägt ihr Kleinkind auf dem Arm, ein zweites steht neben ihr:
    "Meine Kinder haben große Probleme in den vergangene drei Monaten, seit die Hilfsorganisationen, die NGOs weg sind. Wir haben kaum etwas zu essen, keine Medizin, keine Unterstützung mehr."
    Der Weg zur Demokratie
    Myanmar ist im Aufbruch, auf dem Weg zur Demokratie, Präsident Thein Sein gilt vielen im Land als zwar uncharismatischer, aber glaubwürdiger Reformer, Aug San Suu Kyi, die Friedensnobelpreisträgerin und Demokratieikone des Landes, ist inzwischen so weit in die Strukturen eingebunden, als Parlamentarierin und Ausschussvorsitzende, dass ihr Glanz zwar ermattet, das beginnende demokratische System Myanmars dadurch aber auch gestärkt wird.
    Es gibt erfolgreiche oder zumindest erfolgversprechende Friedensgespräche mit den ethnischen Minderheiten vor allem im Norden des Landes, die nahezu die Hälfte der Bevölkerung Myanmars ausmachen, nur ein Problem ist und bleibt völlig ungelöst: die Lage der muslimischen Rohingya-Minderheit in der Rakhine-Provinz. Die Rohingyas, leben seit Generationen im Land, den Burmesen gelten sie allerdings als Bengalis, als Bürger Bangladeschs, wohin sie zurückkehren sollen. Der Regierungsvertreter in Sittwe, Win Myaing, leugnet schlicht die Probleme der Rohingyas:
    "Es gibt eine Gruppe, die medizinische Hilfe ablehnt, die von der Regierung kommt. Die geben vor, dass die Regierung sie vernachlässigt und dass sie darunter leiden. Das stimmt aber nicht."
    Diese Regierung tut nichts für die Rohingya, die von der UNO-Flüchtlingsorganisation als am stärksten verfolgte Minderheit der Welt eingestuft werden, sie weigert sich, die Rohingya auch nur wahrzunehmen. Bei der gerade durchgeführten Volkszählung etwa durften die befragten Muslime in der Rakhine-Provinz sich nicht als Rohingyas in die Listen eintragen.
    Die Lehrerin Sein Win ist freiwillige Volkszählerin in Sittwe:
    "Es gibt hier eigentlich kein Problem, aber alle Muslime sagen, sie seien Rohingyas. Wir machen dann nichts, wir sind von oben dazu aufgefordert worden, keine Ethnie aufzuschreiben, die es nicht gibt."
    Rohingya, dieser Begriff kommt in den Unterlagen der Volkszählung Myanmars nicht vor. Aung Pe ist Rohingya:
    "Wir sind mit der Volkszählung, so wie sie stattfindet, nicht einverstanden. Wir wollen ja eigentlich mitmachen, aber wenn wir sagen, dass wir Rohingya sind, dann schreiben sie das nicht auf. Das verletzt uns."
    Proteste gegen Rohingyas
    Es geht um die Verteilung des erhofften Wohlstandes, aber es geht auch um Macht, die die Buddhisten im Land, viele in ungewöhnlich radikalen und aggressiven Gruppen organisiert, nicht mit Muslimen teilen wollen. Vor wenigen Wochen protestierten Tausende in Rangun - nicht für mehr demokratische Freiheiten, sondern gegen die Rohingya. Ein Demonstrant:
    "Wir protestieren dagegen, dass es den Rohingya erlaubt werden könnte, Bürger Myanmars zu werden. Das darf nicht passieren. Sie haben gegen das Recht verstoßen, sie sind illegal eingewandert."
    Eine Stimmung, in der es immer wieder zu Übergriffen kommt Vor drei Monaten kam es wieder zu heftiger Gewalt, wie Matthew Smith von der Menschenrechtsorganisation Fortify Rights in Bangkok berichtet:
    "Wir haben die Ermordung von 40 Rohingya-Muslimen dokumentiert, mindestens 40 zwischen dem 9. und dem14. Januar. Es war in dieser Zeit mehrfach zu Gewalt gekommen, Lokalbehörden hatten schließlich angeordnet, alle Rohingyas im Alter über zehn Jahren festzunehmen."
    Ye Htut, Sprecher des Präsidenten Thein Sein erklärte, ihm sei nichts von derartigen Vorfällen bekannt. Matthew Smith:
    "Die Regierung weist durchgängig zurück, dass es zu Menschenrechtsverletzungen kommt, dass Rohingya umgebracht werden, und das ist besorgniserregend, zumal dieser Missbrauch in einer Region stattfindet, die von der Öffentlichkeit völlig isoliert ist."
    Auch Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi hat zu diesem Thema wenig anzubieten, sie will die Wahlen 2015 gewinnen, und da passt es nicht, sich für die muslimische Minderheit einzusetzen.
    Die Rohingya am Rande Sittwes bleiben weiter auf sich gestellt, Hilfe kommt derzeit von niemandem, sagt Mohammad Ali:
    "Wenn es keine Hilfsorganisationen hier mehr gibt, dann haben die armen Bewohner dieses Viertels nichts mehr. Manche werden bald sterben."
    Das Schicksal der rund 800.000 Rohingya könnte zum größten Problem für Myanmar auf dem Weg zur Demokratie werden. Trotzdem arbeite kaum jemand im Land an einer Lösung.