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Mysterienspiel und Gesellschaftskomödie

Giacomo Puccini wollte an einem Opernabend alles vereinigen, was zum Leben gehört. Mit "Il Trittico" werden daraus drei Einakter, die Regisseur Damiano Michieletto mit variablen Containern in Szene setzt.

Von Frieder Reininghaus | 11.10.2012
    "Das Theater braucht Mannigfaltigkeit, denn nur sie ist erfolgreich." Das war ein Credo des Komponisten Giacomo Puccini, der erfolgreich sein wollte und es in der Tat war. Also auch variantenreich. Für sein "Trittico" kombinierte er ein kurzes Schauerdrama mit einem ebenso knapp gefassten Rückstück und einer einaktigen Burleske. Die Stoffe stammen vom Anfang des 20. Jahrhunderts, aus der Mitte des 17. und dem frühen 14. Jahrhundert. Doch alle drei Texte befassen sich mit zugespitzten Situationen von Liebe und Tod – in Form einer Eifersuchtstragödie um den Binnenschifffahrtskapitän Michele und dessen Frau Giorgetta in Paris, einer Fokussierung auf die vermutlich in Oberitalien zwangsweise ins Kloster gesperrte junge Adelige Angelica, die nach dem Tod ihres kleinen Sohns Suizid begeht. Und in Gestalt einer altflorentiner Erbschleicher-Komödie, zu der die Vorlage dem "Inferno" von Dantes "Commedia divina" entnommen wurde.

    Paolo Fantin konzipierte eine Containerlandschaft für alle drei Teile des Abends, allerdings eine modifikationsfähige, eine sich dreimal wandelnde. Mit diesem Bildrahmen und -hintergrund unterstrich der Regisseur Damiano Michieletto, dass er auf Vereinheitlichung des Gegensätzlichen bedacht war und doch zugleich der Mannigfaltigkeit der Stoffe, den historischen und geografischen Unterschieden und der verschiedenen Intonationen und musikalischen Gesten Rechnung tragen wollte. Dass der im Transportwesen als Kleinunternehmer tätige Michele – mit Roberto Frontali spitzenmäßig besetzt – auf und neben Containern leidet und sich vom Leidensdruck erlöst, ist ohnedies plausibel.

    Seine Frau Giorgetta, die Patricia Racette nicht weniger kraftvoll mit Stimme ausstattet, bekommt den Liebhaber im Mantel serviert – totgestochen und fürs erste den Blicken entzogen. Maxim Aksenov ist der Dritte im Bund der starken Stimmen, in den sich auch noch Ekaterna Sadovnikova als vorzeitig schwangere Braut und Tochter Gianni Schiccis fügt sowie, Stärkste der Starken, Marie-Nicole Lemieux. Die brilliert in den Partien der hartherzigen und eigensüchtigen Tanten. Das heißt, sie schlägt gegebenenfalls mit voller Wucht zu. Aber sie fügt sich auch ins Ensemble, wenn Puccini in die bewährten Bahnen seiner Erfolgsrezepte einkehrt.

    Der kurzfristig eingesprungene Dirigent Rani Calderon machte seine Sache fabelhaft: Er prozessiert mit dem ORF-Orchester die verschiedenen "Tinten", die treffsicheren Gesten der allemal situationsbezogenen Musik Puccinis bestens heraus und erweist sich als Garant des musikalisch hochkarätigen Abends.

    Doch auch die Bühnenbildkonzeption entwickelt ihre eigene, zunächst für manche wohl gewöhnungsbedürftige Plausibilität. Zum Ende von "Il tabarro" bleibt Patricia Racette, die doppelt bestrafte ehebrecherische Kapitänsgattin, wie angewurzelt vor den Containern stehen. Die aber öffnen sich und geben den Blick frei auf eine Klosterzelle und einen Gemeinschaftswaschraum. In und vor dem setzen die Obernonnen strengste Ordnung, Disziplin und Sauberkeit durch. Eine erstickt sich bald unter einer Plastiktüte und Suor Angelica, die Pflanzenheilkundeexpertin, gibt sich nach den niederschmetternden Nachrichten aus der Außenwelt mit etwas Selbstgebrautem den Rest.

    Für die Geschichte der nicht ganz gesetzeskonformen Änderung des Testaments von Buoso Donati, einem steinreichen hochmittelalterlichen Florentiner, überziehen sich die Containerelemente mit so etwas wie Seidentapete. De Terrassenlandschaft füllt sich mit wertvollem Mobiliar. Am Ende aber, wenn Gianni Schichi die Frage nach der richtigen Unterhaltung des Publikums stellt, klappen die Container wieder zu und zeigen ihren Rost und die Abnutzungserscheinungen.

    Das ist durchaus ein "Coup de théâtre", wie er fürwahr nicht alle Tage gelingt.