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Nach Anschlägen von Rechtsextremen
Linker Stadtrat verlässt Freital

Der Fall des CDU-Bürgermeisters Andreas Hollstein ist nicht der erste Angriff auf Amtsträger in Deutschland. 2015 wurde das Auto des Linken-Stadtrats Michael Richter aus dem sächsischen Freital in die Luft gesprengt. Richter hat den Ort deswegen verlassen. Politisch engagieren will er sich dennoch weiterhin.

Von Bastian Brandau | 29.11.2017
    Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Stadtrat von Freital, Michael Richter
    Michael Richter war Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat von Freital und lebt jetzt in Bayern (picture alliance / dpa/ Arno Burgi)
    In Michael Richters Freitaler Wohnung stapeln sich die Kartons. Die Küche hingegen ist noch nicht abgebaut. Hier hatte Richter im Sommer 2015 nachts am Fenster gestanden, nachdem er einen lauten Knall gehört hatte. Sein Auto war in die Luft gesprengt worden. Wegen dieses Anschlags und anderer Taten steht in Dresden seit März die sogenannte Gruppe Freital vor Gericht, unter anderem auch wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung.
    Richter war offenbar in ihren Fokus gekommen, weil er sich politisch bei der Linken engagiert und sich für Flüchtlinge einsetzt. Richter, der gern und viel lacht, rührt in seinem Kakao und erzählt dann, wie er Anfang des Jahres Einsicht in die Prozess-Akten nehmen durfte:
    "Unter anderem haben sie relativ kurz nach dem Sprengstoffanschlag gechattet, dass sie eigentlich gute Arbeit gemacht haben, aber die Arbeit des Sprengmeisters noch nicht 'ausreichend gut' war, weil ich ja nicht drin saß im Wagen. Und dass man dann halt beim nächsten Mal den Sprengsatz zündet, wenn der Herr Richter im Auto sitzt. Und Ende Oktober haben sie sich dann nochmal per Telefon darüber unterhalten, wo denn eigentlich die Tiefgarage ist und daraufhin hat ja auch die Polizei meine Tiefgarage observiert. Also das sind schon Dinge, die sind schon krass."
    Die Angst als ständiger Begleiter
    Und zu viel für Michael Richter. Bei seiner Zeugenaussage im April hatte er erklärt, dass er nach dem Anschlag 2015 sein Leben umgestellt hatte, es vermieden hatte, in Freital zu sein. Unter Tränen hatte er von der Angst erzählt, die ihn begleite. Später dann die Entscheidung, Freital zu verlassen. Der Sozialpädagoge, der 2007 aus Nordrhein-Westfalen nach Sachsen gekommen war, schaute sich um und fand eine neue Stelle. In Bayern, das müsse reichen als Angabe, sagt er und lacht.
    "Es hat sich angebahnt halt, ja wie gesagt, ein lachendes und ein weinendes Auge. Einerseits das Freudige, Bayern, neue Aufgaben, durchaus auch finanziell hat es Aspekte, die einen auch mitbewogen haben. Aber das weinende Auge überwiegt halt, weil durchaus die Freunde, die man sich aufgebaut hat, die verliert man einfach."
    Mit Richter geht auch ein Freitaler Stadtrat. Die mutmaßlichen Taten der Angeklagten hätten somit Einfluss auf ein demokratisches Organ geschädigt, finden die Nebenklagevertreter im Freital-Prozess. Eine weitere Zeugenvernehmung Michael Richters dazu aber hat das Gericht abgelehnt.
    "Wobei meines Erachtens dann doch Wegzug aus Sachsen ein anderer Schritt ist als nur die Umstellung des Lebens, wie ich sie im April geschildert hatte. Das ist schon eine Hausnummer mehr. Und was das Schlimme daran ist: Es hat ja durchaus Ausstrahlwirkung auf Leute, die sich überlegen, ob sie ein Stadtratsmandat annehmen oder nicht annehmen."
    Anschläge werden in Freital immer noch kleingeredet
    2019 finden in Sachsen wieder Kommunalwahlen statt. Legt man das Ergebnis der Bundestagswahl zugrunde, könnte die AfD die stärkste Fraktion in Freital werden. Beim Gedanken daran werde ihm schlecht, sagt Richter, der immer noch erlebt, dass in Freital die den mutmaßlichen Terroristen zugerechneten Anschläge kleingeredet werden. Vom Urteil im Terrorprozess, das voraussichtlich Anfang 2018 gesprochen wird, hofft er sich Signalwirkung:
    "Dass dieses Urteil endlich mal die Freitaler Bevölkerung aufrüttelt und durchaus auch politische Mandatsträger wachrüttelt, die dann auf einmal feststellen, dass ein geplanter Mordanschlag nicht einfach nur Gaudi ist und ein bisschen Böllerwerfen. Also das ist schon eine Nummer größer. Ich denke mal, wir reden hier von Strafmaßen, die im zweistelligen Jahresbereich sind. Also nicht einfach nur bis zehn Jahre, sondern durchaus auch etwas mehr, die die dann einfach mal weg sind."
    Im Januar tritt Richter seine neue Stelle an. Auch in Bayern will er sich weiter politisch engagieren, hat bereits Kontakt zum Linken-Kreisverband seiner neuen Heimat aufgenommen. Worauf freut er sich am meisten bei seinem Neuanfang?
    "Am meisten freue ich mich auf die neue Arbeit. Muss ich jetzt einfach mal zugestehen. Wo ich mich auch drauf freue: dass ich im Sommer Fahrrad fahren kann, weil der Weg zur Arbeit nicht mehr ganz so weit ist. Also da freue ich mich schon drauf, dass ich im Sommer Fahrrad fahren kann und nicht wie hier immer 40 Kilometer zur Arbeit juckle."
    Also es ist weniger diese Angst, sondern mehr diese kleinen Sachen?
    "Die kleinen Sachen, der neue Job. Angst - da muss man dann schauen, wie sich das da unten entwickelt. Also erstmal, es ist ein anderes Bundesland, geht neu los."