Archiv


Nach dem Ende der politischen Dienstzeit

Der Unterschied zwischen Politikerrenten und von anderen Berufstätigen besteht darin, dass die Volksvertreter selbst mitreden können, wenn ihre Altersbezüge zur Debatte stehen. In Niedersachsen führt das gerade zu einer Diskussion über das politisch Korrekte.

Von Susanne Schrammar |
    Gestern erst ist der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander von einer Reise aus den USA zurückgekommen. In Pennsylvania und Texas hat sich der FDP-Politiker über erneuerbare Energien informiert. Der 66jährige ist umtriebig wie immer, dabei wird schon seit Wochen über seinen Rückzug vom Ministeramt spekuliert. Es ist ein offenes Geheimnis in Hannover, dass Sander seinem Staatssekretär, der kürzlich FDP-Landeschef in Niedersachsen geworden ist, Platz machen will. Nur über den Zeitpunkt herrscht noch Ungewissheit. Aus der Opposition heißt es, der hänge davon ab, wann die Landesregierung das Gesetz über die Ruhestandbezüge für Minister ändert.

    Künftig sollen Minister zwar erst ab 67 ihre Ruhebezüge erhalten, so wie die Beamten. Aber neu ist: Alle niedersächsischen Minister sollen gleichbehandelt werden. Bislang waren nämlich diejenigen unter Umständen besser gestellt, die vor ihrer Amtszeit in der freien Wirtschaft gearbeitet hatten. Sie durften ihre dort erworbenen Rentenansprüche in vollem Umfang behalten. Die, die früher im öffentlichen Dienst tätig waren, mussten hingegen auf einen Großteil der dabei entstandenen Pensionsansprüche verzichten. In Zukunft muss keiner mehr Einbußen in Kauf nehmen. Fritz Güntzler, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion:

    "Bis jetzt haben wir sehr komplexe Regelungen, wie unterschiedliche Versorgungsansprüche gegenseitig angerechnet werden, das gibt erhebliche Unwuchten und es kann nicht sein, dass durch komplizierte Anrechnungsverfahren Dinge weggenommen werden, die einem eigentlich zustehen und wenn man den Vergleich zieht, zum Ministergesetz in anderen Bundesländern sind unsere Minister eigentlich sehr schlecht versorgt."

    Also muss der niedersächsische Steuerzahler für die Ministerversorgung künftig tiefer in die Tasche greifen? Nein, rechnet Güntzler vor. Langfristig könne das Land sogar sparen, denn gleichzeitig sollen die ministeriellen Leistungsansprüche gesenkt werden. Erhielten die Amtsträger bisher nach drei Jahren knapp 19 Prozent des früheren Gehalts als Pension, sind es in Zukunft nur noch 7,5 Prozent. Der Versorgungsanspruch soll sich ab dem 1. Ministerjahr um jeweils 2,5 Prozent jährlich erhöhen. Selbst nach zehn Jahren Ministertätigkeit wäre der Anspruch also geringer als jetzt. Für die meisten Mitglieder im aktuellen niedersächsischen Landeskabinett würde die Gesetzesreform eine Verschlechterung bedeuten. Doch sie sollen wählen dürfen zwischen altem und dem neuen Recht. Zwei amtierende Minister würden allerdings von der Änderung profitieren: Neben dem Finanzminister Hartmut Möllring, CDU eben auch Umweltminister Hans-Heinrich Sander, FDP. Und das gefällt der Opposition im niedersächsischen Landtag ganz und gar nicht.

    "Es hat so 'n Geschmäckle."

    Sagt der innenpolitische Sprecher der Grünenfraktion Ralf Briese. Er spricht sogar von einer "Lex Sander" und will die geplanten Änderungen zum Thema der aktuellen Stunde der nächsten Landtagssitzung machen. Hans-Heinrich Sander ist ein Paradebeispiel für das neue Anrechnungsmodell, denn er war vor seiner Ernennung zum niedersächsischen Umweltminister drei Jahrzehnte lang Lehrer und Schulleiter. Ein Teil seiner Pensionsansprüche, die er in dieser Zeit erworben hat, würde nach dem alten Ministergesetz verfallen, mit der neuen Regelung wäre eine deutlich höhere Pension drin. Laut Proberechnungen angeblich bis zu 1000 Euro monatlich. Grünenexperte Ralf Briese.

    "Das Problem ist tatsächlich, wenn sie jetzt in dem neuen Gesetz regeln, die amtierenden Minister haben so eine Art Wunsch- und Wahlrecht, die können dann das bessere System für sich ausknobeln und dann wird zumindest immer der Verdacht dadurch erhärtet: Aha, die suchen sich natürlich das ökonomisch günstigere. Deswegen sollte man einen sauberen Strich machen: Alte Ministerriege altes Gesetz, neue Minister, neue Legislaturperiode, neues Gesetz."

    Noch im November dieses Jahres soll das geänderte Ministergesetz verabschiedet werden. Dann könnte auch Sander seinen Hut nehmen, vermutet die Opposition und sich mit einem goldenen Handschlag verabschieden.

    "Das ist absoluter Quatsch,"

    sagt der angegriffene Minister.

    "Das gilt für eine Vielzahl von anderen Personen und ich vermute sogar, für den Sander ist es von der Höhe her das Uninteressanteste, für andere Personen ist es sehr viel interessanter. Ich weiß, wir FDP-Leute sind im Augenblick im schwierigen Fahrwasser, da ist es dann immer schön, wenn einer, der schon fast am Boden liegt, noch oben drauf zu dreschen. Ich kann das ab."

    Um den Anschein einer Fokussierung auf Sander gar nicht erst aufkommen zu lassen, überlegt die niedersächsische CDU-FDP-Koalition jetzt offenbar, den vorliegenden Gesetzesentwurf noch einmal zu überarbeiten: Nicht nur das aktuelle Kabinett, auch frühere Minister sollen wählen dürfen, ob sie ihre Pension nach dem alten oder dem neuen Gesetz berechnen lassen wollen. Das hieße nicht nur, dass Sander schon vor einer Gesetzesänderung als Umweltminister zurücktreten und sie dennoch für sich beanspruchen könnte. Es könnte bei der Abstimmung auch ein Lockmittel für die SPD sein. Deren ehemalige Minister würden unter Umständen nämlich auch von der Neuregelung profitieren. Bernd Zentgraf, der Sprecher des Bundes der Steuerzahler in Niedersachsen kritisiert das neue Ministergesetz als zu wenig transparent für den Bürger. Mit seinen vielen Details verliere es sich im Klein-Klein, sagt der Steuerwächter, dem auch die Möglichkeit, sich das günstigere Gesetz aussuchen zu können, ein Dorn im Auge ist. Der Bund der Steuerzahler würde die geplante Novellierung am liebsten stoppen und die Altersversorgung der Minister in Niedersachsen ganz anders regeln.

    "Die Minister sind hier in Niedersachsen nicht überbezahlt, aber sie sind überversorgt und jetzt will man das korrigieren, aber man verhängt sich in Verästelungen, besser wäre es, einen Systemwechsel zu ergreifen: Höhere Bezüge für die Minister während der Amtszeit, aber mit der gleichzeitigen Verpflichtung an die Minister, mit eigenen Beiträgen für das Alter vorzusorgen."