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Nach der Hamburg-Wahl
Laschet: CDU braucht keine "hippen" Großstadtthemen

Muss sich die CDU nach dem Wahlergebnis in Hamburg eine neue Strategie für Großstädte überlegen? Nein, findet ihr Bundesvize Armin Laschet. Im DLF sagte er, dass sich die Partei programmatisch nicht anders aufstellen müsse. In Hamburg habe der SPD-Kandidat Olaf Scholz einfach eine bessere Ausgangslage gehabt.

Armin Laschet im Gespräch mit Peter Kapern | 17.02.2015
    Armin Laschet, Bundesvize und NRW-Landeschef der CDU
    Armin Laschet, CDU-Bundesvize, hält eine Diskussion über eine spezielle Großstadtprogrammatik der CDU für unnötig. (dpa / Maja Hitij)
    Die CDU ist aus Sicht des stellvertretenden Vorsitzenden der Bundespartei, Armin Laschet, ausreichend breit aufgestellt, um grundsätzlich auch in Großstädten punkten zu können. Auch in Hamburg habe die Partei mit Dietrich Wersich einen guten Kandidaten aufgestellt, habe aber im Vergleich zum amtierenden Ersten Bürgermeister Olaf Scholz von der SPD nicht ausreichend punkten können.
    Die CDU habe in der Vergangenheit auch Großstädte gewonnen, etwa in Nordrhein-Westfalen. Klassische CDU-Themen wie etwa Wirtschafts- oder Sicherheitsfragen seien zudem in der Stadt genauso wichtig wie in ländlichen Regionen. "Es geht nicht nur um Buntheit und Vielfalt", so Laschet. Ohnehin werde der CDU jetzt schon vorgeworfen, sich thematisch zu weit geöffnet zu haben, da sei die Erschließung von "hippen" Themen für Großstädter nicht angebracht. "Dass man da mit einer speziellen Großstadtproblematik CDU-Politik machen kann, das halte ich für falsch", sagte Laschet.
    Damit stellt sich Laschet gegen den Großstadtbeauftragten der Unionsfraktion im Bundestag, Kai Wegner. Der hatte in der "Berliner Morgenpost" eine solche Öffnung der CDU gefordert. Ähnlich äußerte sich auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn in der "Passauer Neuen Presse".

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: Die SPD hatte ja mal einen Pop-Beauftragten. Der hat es zwar weit gebracht, bis ins Wirtschaftsministerium nämlich, aber die Popkultur ist immer noch kein integraler Bestandteil der alten Tante SPD. Die CDU hingegen, die hat einen Großstadtbeauftragten, den haben wir eben gehört, der heißt Kai Wegner, er ist Bundestagsabgeordneter und er hat es noch nicht ganz so weit gebracht wie der Ex-Pop-Beauftragte der SPD. Vor allem aber: Seine Partei fremdelt mit den deutschen Großstädten noch viel mehr als die SPD mit der Popkultur. Oder anders ausgedrückt: Eher wird Sigmar Gabriel in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen, als dass ein CDU-Politiker eine deutsche Metropole regiert. Das haben die Hamburg-Wahlen am Sonntag mal wieder gezeigt. Warum ist das so? Das soll uns jetzt Armin Laschet erklären, der stellvertretende Vorsitzende der CDU, guten Morgen, Herr Laschet!
    Armin Laschet: Ja, guten Morgen, Herr Kapern!
    Kapern: Herr Laschet, vergangenen Sonntag Landtagswahlen in Hamburg, wie fühlt sich das für Sie an, auf Augenhöhe mit den Hamburger Grünen und der Thüringer SPD?
    Laschet: Na gut, das ist eine Wahlniederlage, die ist nicht schön. Aber diese Grundsatzfragen an diesem Hamburger Wahlergebnis festzumachen, das halte ich doch für etwas übertrieben. Es gibt Großstädte, die wir immer wieder mal gewonnen haben, jetzt haben wir richtig verloren und da muss man einfach weitermachen.
    "Man muss ja jede Stadt einzeln betrachten"
    Kapern: Immer wieder mal, da kann man aus den Worten ja herauslesen, dass das schon eine Weile her ist, dass Sie eine echte Großstadt gewonnen haben, oder?
    Laschet: Ja, aber man muss ja jede Stadt einzeln betrachten. Und ich habe das Problem damit, dass man jetzt versucht, wie auch manche Analyse jetzt sagt, die CDU muss sich hipper, großstädtischer, urbaner, all die ganzen schönen Adjektive, die es da gibt, geben. Vor 10, 15 Jahren, als die Programmatik der CDU sicher nicht moderner war als heute, haben wir zig deutsche Großstädte gewonnen. Wir haben damals regiert mit Oberbürgermeistern in Köln, in Frankfurt, in Stuttgart, in Hamburg, in Gelsenkirchen, in Essen - ich könnte das jetzt stundenlang fortsetzen -, weil es in diesem Moment Persönlichkeiten gab, die in diese Städte hineinpassten. Und da haben wir nun in Hamburg eine Situation erlebt, wo ein sehr populärer Amtsinhaber, der ja nun mit Olaf Scholz nicht allzu hip und großstädtisch aufgetreten ist, sondern der einfach das Vertrauen der Menschen in Hamburg genossen hat, auch weit hinein in die CDU-Wählerschaft Punkte gesammelt hat. Das ist das Ergebnis von Hamburg. Und wir müssen einfach nächstes Mal besser werden, das muss das Ziel sein.
    Kapern: Warum sucht die CDU denn so miserable Kandidaten aus?
    Laschet: Nein, Dietrich Wersich war ein sehr guter Kandidat, aber er tritt nicht ...
    Kapern: Na, da hätte er ja ein paar Punkte mehr holen können?
    Laschet: Nein, das ist halt ein Irrtum. Es gibt einen Amtsinhaber. Und der Amtsinhaber, wie das bei Oberbürgermeistern - und der Hamburger Bürgermeister hat ja so ein wenig die Funktion eines Oberbürgermeisters einer anderen Stadt in Deutschland -, wenn er das gut macht, wenn der alle Themen besetzt, wenn der über Parteigrenzen hinweg auch Anerkennung findet, dann sagen viele Wähler, wir wollen diese Person als Person weiter unterstützen. Und Olaf Scholz hat nun auch wenige Tage vor der Wahl gesagt, er will auch eigentlich kein Rot-Grün, und das hat ihm den letzten Schub gegeben, dass dann noch einige Menschen mehr SPD gewählt haben. Also, ich finde, Dietrich Wersich ist eigentlich ein Kandidat, der in die Großstadt passt, aber die Umstände in Hamburg waren in diesem Falle ganz besondere.
    "Natürlich muss die CDU sich aus den Ländern heraus erneuern"
    Kapern: Herr Laschet, mal angenommen, die These stimmt, dass selbst gute Kandidaten gegen noch bessere Kandidaten mit dem Amtsbonus, die das Vertrauen der Menschen genießen, keinen Blumentopf gewinnen können, dann müsste Ihnen doch eigentlich bei dem Gedanken, dass Angela Merkel irgendwann mal in Rente gehen könnte, der Angstschweiß auf die Stirn treten?
    Laschet: Nein, was hat das mit Angela Merkel zu tun? Angela Merkel macht nun eine Politik, die ebenfalls weit über Parteigrenzen hinweg anerkannt ist, aber das sind ja noch ein paar mehr Persönlichkeiten, die derzeit in der Bundesregierung Verantwortung haben. Und insofern ist das schon auch ihre Politik, die diese Anerkennung findet, und nicht nur die Person. Aber natürlich muss die CDU sich aus den Ländern heraus erneuern. Also, dass wir kaum mehr Ministerpräsidenten stellen, ist sicher für die Zukunft eine schwierige Sache. Und ich glaube, dass wir in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg und möglicherweise 2017 auch in Nordrhein-Westfalen durchaus die Chance haben, wieder Länder zurückzugewinnen. Und da muss man mühsam auf einer langen Strecke daran arbeiten und Alternativen entwickeln.
    Kapern: Aber wenn man sich aktuell mal die Karte der Bundesländer anschaut, da gab es kürzlich ein Bild am Sonntagabend, am Wahlabend im Fernsehen zu sehen, mit Rot für rot regierte und Schwarz für schwarz regierte Bundesländer, da hat man den Eindruck, die Union entwickelt sich gerade zur südöstlichen Regionalpartei.
    Laschet: Ja, aber Sie wissen, wann diese Wahlen stattgefunden haben, und Sie wissen, wann die nächsten Wahlen stattfinden. Dieses Bild werden Sie in einem Jahr immer noch haben, weil in einem Jahr halt keine bedeutenden Wahlen mehr sind. Entscheidender Maßstab ist Rheinland-Pfalz, ist Baden-Württemberg und ist 2017 Nordrhein-Westfalen. Und so lange wird die Karte so gefärbt sein, wie Sie sie gerade beschrieben haben. Das stimmt, das sind Niederlagen, die wir vor vier, fünf, sechs Jahren erlebt haben und die sich auf dieser Karte immer noch widerspiegeln.
    "Es geht nicht nur um Buntheit und Vielfalt"
    Kapern: Lassen Sie uns doch noch etwas, Herr Laschet, über das Großstadttrauma der CDU sprechen. Sie haben eben gesagt, von Aufrufen, die CDU müsse jetzt hipper und moderner und anders werden, halten Sie gar nichts. Das ist ja fast ein Plädoyer für die Ablösung des Unionsgroßstadtbeauftragten, der nun gesagt hat, die CDU braucht eine Frischzellenkur!
    Laschet: Aber da kann doch jeder seine Meinung dazu sagen! Er ist übrigens nicht der Großstadtbeauftragte der CDU, sondern er arbeitet in der Bundestagsfraktion an dem Thema Großstadt, er ist Generalsekretär der Berliner Partei, und in jedem Landesverband ist das anders. Ich selbst bin in Nordrhein-Westfalen, wie Sie wissen, tätig, wir haben im September Kommunalwahlen. Und da gibt es auch in Nordrhein-Westfalen viele Großstädte, wo wir, glaube ich, mit überzeugenden Kandidaten antreten. Und meine Grundthese ist nur, auch in den Großstädten interessieren sich die Menschen für Arbeitsplätze, für Wirtschaftspolitik, für innere Sicherheit beispielsweise auf den Straßen und in den U-Bahnhöfen, für gute Bildung. Das sind klassische CDU-Themen und es geht nicht nur um Buntheit und Vielfalt. Das ist auch wichtig, aber eine Stadt wie Köln mit einer Million Einwohnern hat viele ganz normale Tagesprobleme, die nichts mit Buntheit und Hipheit zu tun haben. Und deshalb, wenn man das alles miteinander verbindet und gute Antworten für seine eigene Stadt gibt, dann kann man auch wieder Wahlen gewinnen.
    Kapern: Herr Laschet, jetzt haben Sie mir gerade einen richtigen Steilpass gegeben! Gerade in Köln, der größten Stadt Nordrhein-Westfalens, hat die CDU es nicht mal geschafft, eine eigene Kandidatin aufzustellen, sondern ist auf das Trittbrett einer grünen Kandidatin aufgesprungen!
    Laschet: Also, das ist jetzt etwas zu simpel, Herr Kapern, und das wissen Sie auch.
    Kapern: Aber relativ zutreffend, oder?
    Laschet: Nein, das ist nicht zutreffend. Das ist keine grüne Kandidatin, sondern als Erstes eine unabhängige ...
    Kapern: Aber sie sagt, sie wird immer mit den Grünen stimmen ...
    Laschet: Hat sie nicht gesagt, sie hat genau dies ...
    "Zuerst die Stadt und dann die Partei"
    Kapern: Oh doch!
    Laschet: Herr Kapern, sie hat genau dieses dementiert und hat gesagt, ich bin unabhängig! Sie ist in Gelsenkirchen Dezernentin geworden, auf CDU-Vorschlag. Und weil sie so hoch anerkannt ist, haben drei Parteien - die FDP, die CDU und die Grünen - gesagt: Großstadtkompetenz heißt auch, zuerst die Stadt und dann die Partei. Wie kommt man in Köln in dieser Millionenstadt heraus aus den Versäumnissen der vergangenen Jahre? Dafür hat man eine unabhängige Kandidatin gefunden und drei Parteien haben gesagt, wir stützen die. Aber sie hat ausdrücklich gesagt, sie ist keine Mehrheitsbeschafferin für irgendwen, sie ist unabhängig, und das ist gerade der Reiz bei Frau Reker. Und deshalb glaube ich, dass das auch mit zur Kompetenz einer Stadt gehört, jemand zu finden, der der Stadt guttut, über Parteigrenzen hinweg.
    Kapern: Jetzt kehren wir doch noch mal ganz kurz, Herr Laschet, zum Ausgangspunkt unseres Interviews zurück, damit wir so etwas wie eine Bilanz ziehen, zu einer Quintessenz kommen! Sie sehen also keinen Nachholbedarf der CDU, was die Positionierung für Wahlkämpfe in Großstädten angeht?
    Laschet: Nein, programmatisch nicht. Wir haben eine Riesenöffnung gehabt. Normalerweise führen wir solche Interviews mit der Frage, oh Gott, die CDU ist viel zu weit nach links gerückt! Diese These halte ich ebenfalls für falsch. Aber jetzt zu sagen, wir müssen noch drei, vier, fünf hippe Themen erfinden und dann gewinnen wir wieder Großstädte, die These halte ich für falsch. Großstädte haben viele Themen heute ähnlich den ländlichen Regionen, die Menschen bewegen sich hin und her, sie pendeln zwischen Großstädten und ländlichen Regionen, und dass man da mit einer speziellen Großstadtproblematik CDU-Politik machen kann, das halte ich für falsch. Sich um Wirtschaftskraft, um Arbeitsplätze kümmern, um gute Bildung kümmern, das kommt in Großstädten genauso an wie in ländlichen Regionen.
    Kapern: Sagt Armin Laschet, der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU. Herr Laschet, danke, dass Sie heute Morgen Zeit für uns hatten!
    Laschet: Bitte schön!
    Kapern: Auf Wiederhören, schönen Tag!
    Laschet: Tschüss!
    Kapern: Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.