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Nach Ernteschäden
Der Streit um Indiens heilige Kuh

Im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh treiben ein paar Kühe nachts ihr Unwesen. Sie durchbrechen Zäune und grasen Getreidefelder ab - sehr zum Missfallen der Bauern, die dadurch einen Teil ihrer Ernte verlieren. Die Bauern fordern jetzt Maßnahmen, doch das ist nicht so einfach: Kühe sind in Indien heilig.

Von Bernd Musch-Borowska | 03.01.2019
    Kühe sind in Indien heilig.
    Lösungen im Streit um die Ernteschäden soll es nicht geben, wenn sie zulasten der Kühe gehen (Deutschlandradio / Gerhard Richter)
    In Saidpur, einem kleinen Dorf im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, legen sich die Bauern jede Nacht auf die Lauer. Streunende Kühe haben in den vergangenen Wochen immer wieder Zäune durchbrochen und Getreidefelder abgegrast. Ein Großteil der Ernte sei zerstört, klagt Billu Ram, einer der betroffenen Landwirte:
    "Man kann nichts machen. Ich habe 5.000 Rupien für Zäune ausgegeben, aber sie haben alle niedergetrampelt. Das Geld ist weg und jetzt sitze ich hier Tag und Nacht und kann trotzdem meine Ernte nicht retten."
    Kühe gelten als heilig in Indien. Und insbesondere in Uttar Pradesh ist es fast unmöglich, etwas gegen Kühe zu unternehmen, seit der Bundesstaat von dem Hindu-Priester Yogi Adityanat regiert wird - einem Hardliner der hindu-nationalistischen Partei BJP.
    In den vergangenen Jahren ist der Handel mit Kühen weitgehend zum Erliegen gekommen, weil schon der Transport der als heilig geltenden Tiere lebensgefährlich sein kann. Immer wieder greifen militante Hindus, selbsternannte Kuh-Schützer, verdächtige Tiertransporte an. Allein aufgrund des Verdachts, es könne sich um einen Transport zu einer illegalen Schlachtung handeln, sind schon viele LKW-Fahrer verprügelt und sogar gelyncht worden.
    Den Kühen ausgeliefert
    Früher, vor dem strikten Verbot, wurden alte, für die Milchwirtschaft nicht mehr nutzbaren Kühe, an Schlachthäuser verkauft. Heute lassen die Besitzer solche Tiere einfach frei. Die Zahl von streunenden Kühen, die in den Städten und Dörfern nach Nahrung suchen, ist dadurch sprunghaft angestiegen.
    Die Regierung müsse endlich etwas unternehmen, klagt Ortsvorsteher Brahm Dutt. Die Bauern seien den heiligen Kühen sonst schutzlos ausgeliefert:
    "Auf der einen Seite will die Regierung die Einkommen der Bauern erhöhen, aber mit ihrer Politik zum Schutz der Kühe haben wir inzwischen viel zu viele streunende Kühe in Uttar Pradesh, die über die Felder ziehen und die ganze Ernte zerstören."
    Im Vorfeld der Parlamentswahlen in diesem Jahr wollen es sich die Politiker der hindu-nationalistischen Partei BJP mit den Bauern zwar nicht verderben, Lösungen zulasten der Kühe, soll es aber nicht geben. Denn die Hindus sind die Kern-Wählerschaft der Partei. Shrikant Sharma, Minister im Kabinett von Yogi Adityanat:
    "Ja natürlich, streunende Kühe zerstören die Ernte und die Bauern sind Tag und Nacht damit beschäftigt, dies zu verhindern. Deshalb planen wir ja die Errichtung von weiteren Schutzräumen für streunende Kühe, wo sie Futter bekommen und Wasser. Auf diese Weise können wir die Kühe schützen und gleichzeitig die Bauern."
    Weil die bereits bestehenden Unterkünfte für obdachlose Kühe schon hoffnungslos überfüllt sind, bleibt den Bauern in Uttar Pradesh vorerst nichts weiter übrig, als weiter Wache zu schieben, um ihre Felder gegen die heiligen Eindringlinge zu verteidigen.