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Nach Hause kommt man völlig unvorbereitet

Arbeitnehmer, die für die eigene Firma ins Ausland gehen, sollten gut auf die Lebensumstände im fremden beruflichen und sozialen Umfeld vorbereitet sein. Hierbei hilft zumeist der Arbeitgeber. Was aber, wenn der Mitarbeiter nach erfüllter Mission heimkehrt? Erfahrungsgemäß fangen dann erst die meisten Schwierigkeiten an.

Von Andrea Groß | 16.07.2005
    "Für mich wäre es eigentlich schlimm gewesen, nach Hause zu kommen und auf den gleichen Schreibtisch zu gehen. Weil ich hatte ja sowohl in den USA als auch in der Slowakei jeweils völlig neue Gebiete bearbeitet. Ich habe als Chemiker in der Forschung angefangen, hab dann Produktionskoordination gemacht, hab dann direkt in der Produktion gearbeitet, hab dann eine Tochtergesellschaft geleitet und bin jetzt für einen großen Bereich Produktion und Technik verantwortlich."

    Als Frank Hübner, Angestellter der Degussa, 1998 in die USA ging, wollte er sein Leben verändern. Zusammen mit seiner Frau wollte er nicht nur die Welt kennen lernen, sondern sie wollten in der Zeit auch das Projekt Familienplanung in Angriff nehmen. Hübners Frau hatte dafür ihren Job aufgegeben. Der Plan ging auf. Die beiden Kinder wurden während des zweijährigen Amerikaaufenthaltes geboren. Noch in den Vereinigten Staaten bekam Hübner das Angebot, in die Slowakei zu gehen. Außer einem großen Karrieresprung reizten ihn vor allem die große Verantwortung, die ihm übertragen wurde und die damit zusammenhängenden Befugnisse:

    "Ich habe mit dem Wirtschaftsminister als eine meiner letzten Aktionen Steuerbefreiungen für ein Investitionsprojekt ausgehandelt – also das waren schon Dinge, die haben mich unsagbar gereizt, weil das ist ja etwas, was einem in Deutschland nicht so häufig widerfährt, dass man mit dem Herrn Eichel (lacht) Steuerbefreiungen für Investitionsprogramme besprechen kann."

    Während die Hübners in der Sowakei waren, hatte die Firma ihnen eine Wohnung im Raum Darmstadt zur Verfügung gestellt. Sowohl Frank Hübner als auch seine Frau stammen aus der Gegend und die Kinder sollten wenigstens für ein paar Wochen im Jahr Kontakt zu den Großeltern haben. Nach insgesamt sechs Jahren im Ausland wollte die junge Familie endgültig sesshaft werden.

    Die Betreuung der rund 450 Degussa-Mitarbeiter im Ausland wird vom Unternehmen selbst geregelt. In Frankfurt sitzt eine Abteilung, die sich zum Beispiel darum kümmert, dass der Lebensstandard im Gastland nicht schlechter ist, als zuhause und dass – egal wo – pünktlich die Steuern gezahlt werden. Die Rückkehr eines Mitarbeiters aus dem Ausland, so Bianca Hüttenhofer, wird bereits ein Jahr vorher geplant.

    "Es ist sehr gut möglich, dass der Mitarbeiter, wenn er aus dem Gebiet Frankfurt oder aus dem Gebiet Marl kam, nicht automatisch dorthin zurückkommt, sondern an einen anderen Platz, in dem Fall würde dann die örtliche Personalabteilung bei der Suche nach einer Wohnung helfen. Das ist dann vergleichbar mit einem Umzug eines Degussa-Mitarbeiters innerhalb Deutschlands."

    Es ist aber nicht nur der geeignete neue Arbeitsplatz im alten Unternehmen oder die Wohnung. Zeigen die Kinder Defizite in der Schule, wird Nachhilfe-Unterricht bezahlt und für den Wiedereinstieg ins Berufsleben des Partners gibt es Unterstützung. Sogar Transportkosten für neu angeschaffte Haustiere übernimmt die Firma – in gewissen Grenzen. Reitpferde gehören nicht dazu. Die fallen beispielsweise in das Ressort von Ellen Nuber. Sie betreibt einen privaten Relocation Service für den Großraum Düsseldorf. Ihre Kunden sind nicht so sehr Privatpersonen, als vielmehr Firmen, die diese Dienste – anders als die Degussa – auslagern:

    "Wir erstellen ein Profil, ein Anforderungsprofil des Kunden. Wir schicken ihm Unterlagen, einen Fragebogen und danach gehen wir dann vor. Das heißt, wir stellen erst mal fest, welche Art von Wohnung sucht er überhaupt. Singles, Ehepaare wohnen lieber in der Stadt, Familien mit Kindern lieber auf dem Land und haben lieber ein Haus oder eine größere Wohnung."

    Die richtige Wohnung und die richtige Schule für die Kinder, so sagt Ellen Nuber, das sind die empfindlichsten Bereiche. Viele Heimkehrer möchten gerne, dass der Nachwuchs fit bleibt in der zuletzt gesprochenen Fremdsprache. Aber internationale Schulen sind teuer und es gibt sie auch nicht überall. Ellen Nuber hilft bei Bedarf auch bei der Wohnungseinrichtung, bei der Anmeldung von Strom, Heizung und Wasser, des Autos beim Verkehrs- und der Familie beim Einwohnermeldeamt.

    Frank Hübner hat sich um sein neues Haus selbst gekümmert. Es steht in seiner südhessischen Heimat, er nennt es das Basislager. Hübner arbeitet im nördlichen Ruhrgebiet und pendelt die zweieinhalb Stunden am Wochenende. So ist es mit dem Konzern und der Familie abgesprochen.

    Bianca Hüttenhofer hat bei all ihren Führungskräften, die im Ausland waren – sich selbst eingeschlossen – beobachtet: für das Leben draußen wird man akribisch vorbereitet. Nach Hause dagegen kommt man völlig unvorbereitet.

    "Man ist drei Jahre unterwegs, man hat neue Eindrücke, man macht neue Erfahrungen, man wird vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch etwas weltoffener und kommt dann doch wieder in ein Umfeld zurück, das genau diese Erfahrungen nicht gemacht hat. Und das ist etwas, was sich unsere Auslandsentsandten nicht so bewusst machen und was dann vielleicht so ein kleines Aha-Erlebnis ist, wo man dann die ersten Monate ein bisschen dran zu knabbern hat und sich einfach auch ein bisschen anpassen muss, an sein Heimatumfeld."