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Nach Wahl von NPD-Politiker zu Ortsvorsteher
Empörung bei CDU und SPD

Mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP wurde der NPD-Politiker Stefan Jagsch zum Ortsvorsteher im hessischen Altenstadt gewählt. Bundespolitiker reagieren mit Empörung. Diese Entscheidung müsse "sofort rückgängig gemacht werden", forderte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

Von Klaus Pradella | 08.09.2019
Zu sehen ist der NPD-Funktionär Stefan Jagsch.
Der gewählte NPD-Politiker Stefan Jagsch, der in den letzten Jahren mehrfach im Verfassungsschutzbericht des Landes Hessen namentlich erwähnt wurde, vertritt den Stadtteil offiziell nach außen und ist erster Ansprechpartner für Bürger. (imago images / Hartenfelser)
Ob im Supermarkt auf der Straße oder auch in den sozialen Medien, viele Menschen in Altenstadt sind entsetzt:
"Mich macht es einfach traurig, dass anscheinend das Bildungsniveau der Deutschen so stark nachgelassen hat, dass man in so eine Richtung abdriftet."
"Finde ich nicht in Ordnung. Überhaupt nicht."
"Ich halt von NPD und AfD gar nichts."
Besonders groß ist das Entsetzen bei der SPD, denn auch zwei Genossen haben am Donnerstagabend in der geheimen Abstimmung dem NPD-Mann ihre Stimme gegeben. Altenstadts SPD-Bürgermeister Norbert Syguda ist erschüttert: "Unfassbar, ganz schlimm, dass jetzt ein NPDler in diese Spitzenfunktion eines Ortsbeirates hinein gewählt wurde, macht einfach nur betroffen und fassungslos ."
Große Bestürzung auch bei Jan Voß, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im Altenstädter Gemeindeparlament. Er hat versucht im Gespräch mit den beiden SPD-Ortsbeiräten aufzuklären, wie es überhaupt dazu kommen konnte. "Die fühlten sich an dem Tag überrumpelt, aber erklären konnten sie es mir eigentlich gar nicht. In der Sitzung, als sich kein Kandidat fand und auch keine Kandidatin, kam es dann dazu, dass Herr Jagsch erklärt hat, dass er sich bereit erklärt zu kandidieren. Was dann passiert ist, konnten sie mir dann aber logisch nicht erklären. Aber sie haben beide eingesehen, dass es ein schwerer Fehler war, den sie dort begangen haben."
SPD-Fraktionsvorsitzender Voß: "Halte es für legitim, ihn als Nazi zu bezeichnen"
Stefan Jagsch ist seit vielen Jahren einer der führenden Funktionäre der hessischen NPD. Er war bereits Landesvorsitzender und kandidierte für mehrere Bundestagswahlen. "Herr Jagsch ist Exponent einer Partei, die vom Verfassungsgericht Wesensverwandtschaft mit der NSDAP bescheinigt bekommen hat. Deshalb halte ich es für legitim, ihn als Nazi zu bezeichnen. Er ist nicht irgendwer, sondern er ist tief verwurzelt in der hessischen Szene. Und insofern ist es für mich einfach nur erschreckend, dass Herr Jagsch gewählt wurde."
Ein Vorgang, der inzwischen bundesweite Kommentare provozierte. SPD-Vize Ralf Stegner twitterte "unerträglich und komplett inakzeptabel". Das Abstimmungsverhalten habe das Ansehen der Sozialdemokratie beschädigt.
Fassunglsosigkeit auch bei der CDU
Fassungslosigkeit herrscht aber auch bei der CDU. Die Wetterauer Kreisvorsitzende und zugleich hessische Europaministerin Lucia Puttrich reagierte mit absolutem Unverständnis. Besonders betroffen zeigt sich Christdemokrat Werner Ziens vom Altenstädter Gemeindevorstand: "Ich bin auch erschüttert, ich komme ja aus der Waldsiedlung und es bedrückt mich besonders stark, dass die Rechtsradikalen so großen Anschluss haben mittlerweile. Und es ist für den Ortsteil nicht sehr gut, weil ich glaube die Gewerbeansiedlung und die Leute, die dort wohnen, werden Schwierigkeiten bekommen, weil das nicht akzeptiert wird."
Aufhebung der Wahl gefordert
Inzwischen haben daher die Fraktionen von SPD, CDU, FDP, Grünen und Freien Wählern im Altenstädter Gemeindeparlament eine gemeinsame Erklärung vorgelegt. Darin kündigen sie an, sich dafür einzusetzen, dass der Ortsbeirat der Waldsiedlung seine Entscheidung korrigiert
und Jagsch als Vorsitzenden wieder abwählt.
Dazu bedarf es einer Zweidrittelmehrheit - doch die scheint gar nicht so sicher zu sein. Denn in der Altenstädter Waldsiedlung, dort wo Jagsch aufgewachsen ist, scheint der Mann beliebt zu sein:
"Ich kenne ihn, das ein netter Kerl."
"Wir sind eine Demokratie, wenn er gewählt ist, dann kann man nichts dran machen."
"Im Endeffekt ist die Regierung ja selber dran schuld, dass es jetzt einfach so ist."
"Ich habe nichts gegen den Herrn Jagsch."
"Vielleicht kommt ein bisschen neuer Wind dazu."